«Millionen Menschen haben nichts zu Essen»
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Schweizer in Shanghai:«Millionen Menschen haben nichts zu Essen»

Peter Bachmann von der Schweizer Handelskammer im Shanghai-Lockdown
«Bei Schweizer Firmen herrscht Produktionsstopp – dabei wären die Auftragsbücher voll!»

Shanghai befindet sich im härtesten Lockdown der Welt. Millionen Menschen dürfen nicht raus, nicht einmal zum Einkaufen. Unter ihnen der Schweizer Peter Bachmann. Im Videogespräch erzählt er Blick vom Lockdown-Alltag und den Konsequenzen für Schweizer Firmen vor Ort.
Publiziert: 21.04.2022 um 10:26 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2022 um 09:35 Uhr
Sarah Frattaroli

Peter Bachmann (49) hat seine 2-Zimmer-Wohnung seit mehr als zwei Wochen nicht mehr verlassen. Gemeinsam mit seiner Frau muss er auf 50 Quadratmetern ausharren. Zweimal pro Woche klopft es an der Wohnungstür, ein Gesundheitsmitarbeiter in Schutzmontur kommt vorbei, um Bachmanns ein Stäbchen in die Nase zu stecken: PCR-Test. Peter Bachmann ist Leiter der Schweizer Handelskammer in Shanghai, lebt seit 17 Jahren in China – und steckt nun wie 26 Millionen andere im Lockdown in Shanghai.

«Ich habe Vorräte eingekauft. Aber es hiess erst, der Lockdown werde nur vier Tage dauern – und es war sowieso schon fast alles ausverkauft», erzählt der Schweizer Blick via Videocall. Bachmann hat Glück: Sein Arbeitgeber, die Schweizer Handelskammer, liefert ihm alle paar Tage Esswaren.

Produktionsstopp bei Schweizer Firmen

Wie lange er noch durchhalten muss, ist ungewiss. Immerhin gibt es in Shanghai erste zaghafte Schritte aus dem Lockdown heraus. So dürfen diese Woche exakt 666 Firmen ihre Arbeit wieder aufnehmen. Darunter auch zwei Schweizer Konzerne vor Ort: der Pharmamulti Roche und das Messtechnikunternehmen Mettler Toledo.

Peter Bachmann, Leiter der Schweizer Handelskammer in Shanghai, harrt seit über zwei Wochen in seiner Wohnung aus.
Foto: Screenshot Blick TV
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Bei allen anderen stehen Produktion und Vertrieb weiter still. Die Schweizer Handelskammer vertritt fast 300 Schweizer Konzerne in Shanghai. «Die Situation ist schwierig. Man muss trotz Produktionsstopp Löhne und Sozialabgaben zahlen», erklärt Bachmann. Besonders ärgerlich: «Die Auftragsbücher wären eigentlich voll!»

Selbst wer jetzt wieder arbeiten darf oder noch Produkte an Lager hat, kann aber nicht ausliefern: Die Logistik liegt flach. In Shanghai verkehrt kein Lastwagen, kein Taxi, kein Zug, auch der global wichtige Containerhafen steht praktisch still.

«Nicht jede kleine Firma hat genug Geld auf der Seite, um Wochen oder Monate über die Runden zu kommen», warnt Bachmann. Er hofft auf Zuschüsse des chinesischen Staats für die stillgelegten Schweizer Firmen, wie schon 2020 beim Ausbruch der Pandemie.

Firmen bleiben – Angestellte gehen

Dass die Schweizer Firmen Shanghai nach dem Lockdown den Rücken kehren, glaubt er trotzdem nicht. «Der chinesische Markt ist einmalig. Auch einmalig gross! Wer geht, überlässt diesen Markt den Mitbewerbern aus Deutschland oder Japan. Das will keine Firma.»

Der knallharte Lockdown wird auch dem Status Shanghais als einer der führenden Wirtschaftsmetropolen weltweit nichts anhaben können, ist Bachmann überzeugt. «Die Wirtschaft wird sich schnell erholen. Auch 2020 war für viele Firmen hier eines der besten Jahre – trotz Lockdown.»

Wer von den ständig wiederkehrenden Lockdowns, von allgegenwärtigen Überwachungskameras und Online-Zensur hingegen tatsächlich die Nase voll hat, sind die ausländischen Angestellten. Vor ein paar Jahren gab es noch 1500 Schweizer in Shanghai und den angrenzenden Provinzen. Heute sind es noch 600. Ob auch Peter Bachmann bald zu denen gehört, die Shanghai den Rücken kehren? Vielleicht. Gegenüber Blick will er nichts zu seinen genauen Plänen verraten.

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