Ösi-Skiorte neidisch auf die Schweiz
«Ihr macht es besser!»

In Österreich werden Klagen gegen das drakonische Corona-Regime des Bundeskanzlers immer lauter. Vor allem Skigebiete leiden unter den Einschränkungen. Denn dadurch fällt eine besonders zahlungskräftige Klientel weg: die Schweizer Wintertouristen.
Publiziert: 20.02.2021 um 01:38 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2021 um 21:30 Uhr
Levin Stamm

Gesundheitsminister Alain Berset (48) steht wegen seiner Lockdown-Politik seit Monaten im Kreuzfeuer der Kritik. Dabei zeigt Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (34) weitaus weniger Gnade als sein Schweizer Regierungskollege.

Am Montag folgte Kurz' nächster Paukenschlag: Restaurants und Hotels – bereits seit November dicht – bleiben mindestens bis Ostern geschlossen. Damit ist die Skisaison für die Österreicher endgültig futsch. Die letzten Hoffnungen der Ösi-Touristiker haben sich in Rauch aufgelöst. Natürlich bleiben auch Schweizer Wintertouristen fern, die die Alpenrepublik sonst für ihre Tiefstpreise und Hütten-Gaudi schätzen.

Der prächtige Schnee und das Wetter locken die Schweizer zwar zahlreich in die Höhe. Sie verbringen ihre Skiferien dieses Jahr aber in Saas-Fee VS statt in St. Anton, in Klosters GR statt in Kitzbühel, in Mürren BE statt im Montafon. Denn im Gegensatz zu Österreich funktioniert der Take-away in den Skigebieten gut, die Skiterrassen sind gefüllt, aber die Betreiber sorgen mit Schutzkonzepten und Abstandhalten dafür, dass es gesittet zu und her geht.

Knallhart: Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz verlängert den Corona-Lockdown für Restaurants und Hotels bis Ostern.
Foto: imago images/Alex Halada
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Darum bleiben Skigebiete in Österreich offen
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Trotz drittem Lockdown!Darum bleiben Skigebiete in Österreich offen

Zahlungskräftige Eidgenossen fehlen

Die ausbleibenden Schweizer fallen in den Ösi-Skigebieten schwer ins Gewicht. Allein im Ötztal machen sie rund fünf Prozent der jährlichen Logiernächte aus. Oliver Schwarz (53), Direktor des Ötztaler Tourismusverbands, sagt: «Touristen aus der Schweiz nehmen bei uns einen hohen Stellenwert ein. Sie sind Ski-affin, derselben Sprache mächtig und legen Wert auf Qualität.» Und vor allem: «Sie geben generell mehr Geld aus als andere Gäste.» Darum klagt der Tourismus-Chef: «Liebe Schweizer, wir vermissen euch!»

Bundeskanzler Kurz' jüngster Paukenschlag zwingt das Ötztal nun gar zur Aufgabe. In Sölden bleiben die Pisten nun endgültig bis Ende Saison zu. Schwarz ist konsterniert: «Bisher haben wir für die wenigen Einheimischen 80 Kilometer bestens präparierte Pisten unterhalten.» Doch seit Montag ist im Tirol das Skifahren nur noch mit negativem Corona-Test gestattet. «Das können wir unmöglich kontrollieren», sagt er verärgert. So was gibt es in der Schweiz nicht.

Horrorjahr für Schweizer Tourismus

Der Einbruch ist historisch: Im letzten Jahr verbuchte die Schweizer Hotellerie lediglich 24 Millionen Übernachtungen. Das ist ein Einbruch zum Vorjahr von 40 Prozent. Schweiz-Tourismus-Chef Martin Nydegger (50): «Corona wirft uns 70 Jahre zurück!» Quarantäne und Einreiseregeln schreckten ausländische Touristen ab. Asiaten, Araber und Co. – Fehlanzeige. Deren Logiernächtezahl ging um zwei Drittel zurück. Weniger drastisch der Einbruch bei einheimischen Gästen (–8,6 Prozent). Im Juli bis Oktober gabs sogar eine Rekordnachfrage aus dem Inland. Von der inländischen Nachfrage profitierten besonders Graubünden und das Tessin. Auch die Kantone Bern und Wallis legten zu. Bis das «Horrorjahr» 2020 wieder aufgeholt ist, werde es zwar nicht 70 Jahre dauern, scherzt Nydegger. «Aber es wird seine Zeit dauern.»

Der Einbruch ist historisch: Im letzten Jahr verbuchte die Schweizer Hotellerie lediglich 24 Millionen Übernachtungen. Das ist ein Einbruch zum Vorjahr von 40 Prozent. Schweiz-Tourismus-Chef Martin Nydegger (50): «Corona wirft uns 70 Jahre zurück!» Quarantäne und Einreiseregeln schreckten ausländische Touristen ab. Asiaten, Araber und Co. – Fehlanzeige. Deren Logiernächtezahl ging um zwei Drittel zurück. Weniger drastisch der Einbruch bei einheimischen Gästen (–8,6 Prozent). Im Juli bis Oktober gabs sogar eine Rekordnachfrage aus dem Inland. Von der inländischen Nachfrage profitierten besonders Graubünden und das Tessin. Auch die Kantone Bern und Wallis legten zu. Bis das «Horrorjahr» 2020 wieder aufgeholt ist, werde es zwar nicht 70 Jahre dauern, scherzt Nydegger. «Aber es wird seine Zeit dauern.»

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«Andere Regionen sind neidisch auf unsere Schweizer Gäste»

Im Vorarlberger Tal Montafon ist die Abhängigkeit von Schweizer Touristen noch grösser. In nur zwei Autostunden von Zürich erreichbar, strömen Schweizer Skitouristen in normalen Zeiten massenhaft ins günstige Nachbargebiet. Stolze 17 Prozent aller Übernachtungen gehen auf sie zurück – das sind etwa 200'000 Übernachtungen allein in der Wintersaison. Die fehlen jetzt im Corona-Winter schmerzlich.

Österreich verlangt von Schweizer Einreisenden das volle Programm: einen Negativ-Test bei Einreise und eine zehntägige Quarantäne, aus der man sich frühestens am fünften Tag raustesten kann. Das tut sich kaum einer an. Im Montafon beträgt die Auslastung der Skipisten mickrige 2 bis 3 Prozent – selbst einheimische Touristen bleiben wegen geschlossener Gastronomie und Hotellerie weg. «Das Ausbleiben von Schweizer Gästen belastet unsere Region stark», klagt der Montafoner Tourismus-Chef Manuel Bitschnau (45). Eine Rückkehr kann er kaum abwarten: «Die Schweizer fühlen sich bei uns wohl – und wir uns mit den Schweizern.»

Diesen Eindruck bestätigt der Vorarlberger Tourismus-Direktor Christian Schützinger (55). Er sagt: «Viele unserer Stammgäste sind Schweizer. Sie fallen im Moment weg, das schmerzt.» Auch finanziell. «Schweizer geben etwa einen Fünftel mehr aus als einheimische Gäste», weiss Schützinger. «Andere Tourismusregionen beneiden uns um unsere Nähe zur Schweiz.»

«Ohne staatliche Hilfe wären viele Betriebe am Ende»

Das Ötztal gehört in Österreich zu den grössten Playern im Wintertourismus, hinter Wien hat es gar den zweitgrössten Tourismusverband des Landes. Eine solche Krise hat das Tiroler Seitental aber noch nie gesehen. 4,2 Millionen Übernachtungen verzeichnen Hoteliers und Ferienwohnungsvermieter in normalen Jahren. Die 3 Millionen Winter-Übernachtungen fallen dieses Jahr komplett ins Wasser. Das entspricht Umsatzeinbussen von mehr als 70 Prozent! Tourismus-Chef Schwarz: «Ohne staatliche Hilfeleistungen wären viele Betriebe bereits am Ende.»

«Schweizer Regierung macht es besser»

Dass die Regierung die Wirtschaft weiterhin schmoren lässt, dafür hat Schwarz wenig Verständnis. Er schiesst scharf gegen Wien: «In Hotels und Gastronomie wäre es mit Schutzkonzepten einfach, die Kontrolle zu haben.» Er findet gar: «In dieser Hinsicht macht es die Schweizer Regierung besser.»

Applaus erhält Schwarz von Markus Schröcksnadel (56). Der Sohn von «Alpenkönig» Peter Schröcksnadel (79), dem Präsidenten des Österreichischen Skiverbands, ist in der Schweiz einer der bedeutendsten Ski-Unternehmer. Im Alpenraum gehören ihm zahlreiche Bergbahnen, unter anderem in Saas-Fee VS und Savognin GR. Schweizer Tourismusregionen hätten einen Drittel der Übernachtungen verloren, nicht wie österreichische zwei Drittel, regt er sich auf. Von offenen Hotels wie in der Schweiz würde zudem auch das nachgelagerte Gewerbe wie Metzger oder Bäcker profitieren. Der Unternehmer urteilt im Gespräch mit BLICK: «Generell setzt das Land auf mehr Eigenverantwortung.»

Und die zahlt sich offenbar aus: Trotz offener Pisten zeigt das Corona-Regime des Bundesrats Wirkung. Die Infektionszahlen sind schon länger im Sinkflug. Seit gut einer Woche sind bei uns die Neuansteckungen gar tiefer als beim Nachbarn. Denn in Österreich steigen die Fallzahlen nach der Wiedereröffnung der Läden vor gut zwei Wochen wieder an.

Winterferien im eigenen Land: Trend oder Strohfeuer?

Skifahren in der Schweiz statt in Österreich: Hält diese Tendenz auch nach Corona an? Viele Hoteliers, Gastronomen und Bergbahnbetreiber hoffen derzeit darauf, dass Skifans, die ihre Ferien normalerweise im österreichischen Nachbarland verbringen, nun am Schweizer Bergwinter Geschmack gefunden haben.

Denn hierzulande ist das Pistenvergnügen fast uneingeschränkt möglich. Noch gibt es erst Zahlen zu den Monaten November und Dezember. In dieser Zeit nächtigten 3,8 Prozent mehr Schweizer in den Bergen als im Vorjahr. Allein im Monat Dezember betrug das Plus 5 Prozent. Im Januar und Februar dürften diese Übernachtungszahlen erfahrungsgemäss weiter steigen, wie es an der gestrigen Medienkonferenz von Schweiz Tourismus (ST) heisst.

Der Direktor der Vermarktungsorganisation, Martin Nydegger (50), erwartet, dass sich der Wintertrend zu mehr einheimischen Übernachtungen etabliert: «Wir sind davon überzeugt, dass viele Menschen ihr Land im Corona-Jahr neu entdeckt haben, sodass sie gar nicht so oft wegreisen wollen in Zukunft.»

Tourismus-Experte Christian Laesser (57) ist da eher skeptisch. «Der Mensch ein Gewohnheitstier», sagt er. «Ist er in der Vergangenheit immer in ein bestimmtes Skigebiet in Österreich gereist, wird er es auch in Zukunft wieder tun», sagt er. «Aber hoffen, dass es nicht so ist, kann man ja trotzdem.» Franziska Scheven

Skifahren in der Schweiz statt in Österreich: Hält diese Tendenz auch nach Corona an? Viele Hoteliers, Gastronomen und Bergbahnbetreiber hoffen derzeit darauf, dass Skifans, die ihre Ferien normalerweise im österreichischen Nachbarland verbringen, nun am Schweizer Bergwinter Geschmack gefunden haben.

Denn hierzulande ist das Pistenvergnügen fast uneingeschränkt möglich. Noch gibt es erst Zahlen zu den Monaten November und Dezember. In dieser Zeit nächtigten 3,8 Prozent mehr Schweizer in den Bergen als im Vorjahr. Allein im Monat Dezember betrug das Plus 5 Prozent. Im Januar und Februar dürften diese Übernachtungszahlen erfahrungsgemäss weiter steigen, wie es an der gestrigen Medienkonferenz von Schweiz Tourismus (ST) heisst.

Der Direktor der Vermarktungsorganisation, Martin Nydegger (50), erwartet, dass sich der Wintertrend zu mehr einheimischen Übernachtungen etabliert: «Wir sind davon überzeugt, dass viele Menschen ihr Land im Corona-Jahr neu entdeckt haben, sodass sie gar nicht so oft wegreisen wollen in Zukunft.»

Tourismus-Experte Christian Laesser (57) ist da eher skeptisch. «Der Mensch ein Gewohnheitstier», sagt er. «Ist er in der Vergangenheit immer in ein bestimmtes Skigebiet in Österreich gereist, wird er es auch in Zukunft wieder tun», sagt er. «Aber hoffen, dass es nicht so ist, kann man ja trotzdem.» Franziska Scheven

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