Kulm-Direktor jubelt über Boom
Nobelort St. Moritz von Amis und Italienern überrannt

Bereits während der Pandemie boomten Ferien in St. Moritz und im Engadin bei Schweizer Gästen. Durch den Wegfall von Corona-Beschränkungen kommen nun auch die Besucher aus dem Ausland zurück. In St. Moritz fielen sogar die Buchungsrekorde vom letzten Sommer.
Publiziert: 12.08.2022 um 18:11 Uhr

Die Temperaturrekorde in Europa heizen die Buchungen bei Oberengadiner Luxushotels an. Man profitiert von den Hitzeflüchtlingen aus der Schweiz oder Italien, sagen mehrere Hoteldirektoren im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP.

«Das ist ein riesiger Treiber. Wenn eine neue Hitzewelle angekündigt wird, spüren wir das bei den Buchungen», sagt Thomas Walther vom Hotel Walther in Pontresina.

Die Mailänder flüchten schon seit Anfang Juni vermehrt in die Engadiner Berge, sagt Heinz Hunkeler vom Kulm Hotel in St. Moritz: Im Oberengadin sei dafür das Wetter sehr gut: «Ich habe noch nie so viele schöne Tage und tolle Temperaturen erlebt wie dieses Jahr.»

St. Moritz und das Engadin profitieren von der Hitzewelle im Flachland.
Foto: Shutterstock
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«Bei uns ist alles grün, während in Mailand schon alles braun und verbrannt ist. Hier kühlen sich die Nächte ab. Man kann mit offenem Fenster ohne Klimaanlage schlafen», sagt der Direktor des Fünf-Stern-Hotels Kulm.

Grenzöffnungen sorgen für mehr Gäste

Noch stärker ins Gewicht fällt allerdings die Öffnung der Grenzen nach zwei Jahren Pandemie. Die internationale Nachfrage hat markant angezogen, sagen alle befragten Hotelchefs unisono. Insbesondere die Amerikaner kommen wieder viel zahlreicher, diese Gäste sind während der Krise weitgehend ausgeblieben.

Auch die Deutschen, als traditionell zweitwichtigste Gästegruppe nach den Schweizern, reisen häufiger an als im Vorjahr. Das habe man so nicht erwartet, sagt Jan Steiner von Engadin St. Moritz Tourismus: «Das Bedürfnis der Deutschen, im Engadin Ferien zu machen, ist ungebrochen.» Auch bei den Engländern und Italienern gibt es einen deutlichen Anstieg.

Nicht alle profitieren gleich viel

Die einzelnen Hotels profitieren davon in unterschiedlichem Ausmass, je nachdem, wie sie sich positioniert haben. Während das eine Hotel sich «very british» gibt, sind andere Luxusherbergen mehr auf Amerikaner ausgerichtet. Die Gäste aus Asien fehlen überall noch.

Allen Hotels gemeinsam ist, dass die Schweizer als wichtigste Gästegruppe in diesem Jahr nicht mehr ganz so zahlreich buchen wie im Rekordjahr 2021. Während der Pandemie sind die Inländer die starke Stütze der einheimischen Hotellerie gewesen.

Weniger Schweizer, dafür mehr Ausländer

Der Anteil der Schweizer Gäste ist von 90 Prozent aller Gäste auf 65 Prozent gesunken, sagt Marc Eichenberger vom Grand Hotel Kronenhof. Allerdings sei der Anteil Schweizer in seinem Haus, mit gut 50 Prozent, immer noch höher als vor der Krise.

Den Rückgang bei den Schweizer Gästen führen die Oberengadiner Touristik-Experten allerdings nicht auf den Boom von Badeferien am Mittelmeer zurück: «Das hat keinen Einfluss», sagt Jan Steiner von Engadin St. Moritz Tourismus (ESTM). Menschen, die ans Mittelmeer in die Ferien fahren, kommen sowieso nicht nach St. Moritz. Das sei finanziell eine andere Kategorie. Das Oberengadin steht eher in Konkurrenz zu weiter entfernten Reisezielen.

Auch das aktuelle Flugchaos spielt nur vereinzelt eine Rolle, wie die Hoteliers übereinstimmend sagen.

St. Moritz ist nicht gleich Engadin

St. Moritz kann dabei stärker von der Rückkehr der ausländischen Gäste profitieren als der Rest des Oberengadins. Somit können sie den Rückgang bei den Schweizer Gästen gut kompensieren.

Während der Nobelferienort die Übernachtungszahlen im Mai und Juni mehr als verdoppelte, sanken sie im restlichen Engadin um 7 Prozent. Dies zeigt die Hotelleriestatistik. Während der Pandemie sind die Übernachtungen in St. Moritz aber auch viel stärker eingebrochen als im restlichen Engadin.

Rekordbuchungen im Juni und Juli

«Wir hatten die zwei stärksten Juni-Juli-Monate in der Geschichte des Hotels Kulm», sagt Direktor Heinz Hunkeler. Die Buchungen liegen derzeit um 30 Prozent über dem Rekord des vergangenen Jahres und auch höher als 2019. «Wir wussten, dass etwas weniger Schweizer kommen werden. Auf das hatten wir uns eingestellt. Aber dafür kamen die Amerikaner viel zahlreicher, als wir gedacht hatten - oder sogar wie zu besten Zeiten.»

Ähnlich klingt es bei Peter Egli, dem Direktor des Fünf-Sterne-Luxushotels Suvretta House. «Der aktuelle Geschäftsgang im Juli und August übertreffe die Vorjahresperiode um 30 Prozent und das Niveau von 2019 um circa 10 Prozent.»

Wohl kein Rekordsommer mehr

In Pontresina, das stärker auf Schweizer Touristen ausgerichtet ist, präsentiert sich die Lage etwas anders. «Der Juli ist schwächer als 2021 gewesen, welches aber auch ein absolutes Ausnahmejahr gewesen sei», sagt Marc Eichenberger vom Grand Hotel Kronenhof. Die Schweizer wollten jetzt wieder ins Ausland. «Das konnten wir nicht wettmachen.» Aber man liege immer noch über dem guten Sommer 2020.

Er sei zufrieden, sagte Eichenberger: «Der letzte Sommer war der beste Sommer aller Zeiten. Es sieht momentan so aus, wie wenn dieses Jahr das zweitbeste Jahr werden würde.»

Gleiches sagt Thomas Walther vom Hotel Walther in Pontresina: «Wir liegen zwischen den Jahren 2020 und 2021. Im Moment sind wir auf Kurs zum zweitbesten Jahr.»

Für das gesamte Oberengadin rechnet Jan Steiner von Engadin St. Moritz Tourismus mit einem guten Sommer: «Es wird aber nicht mehr den Hammersommer der letzten zwei Jahre geben.» Aber auch bei einem Rückgang von 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr liegt man immer noch über dem Niveau von vor der Pandemie.

Gute Aussichten

Zuversichtlich zeigen sich alle befragten Hoteliers auch beim Ausblick. Die Buchungslage für Herbst und Winter ist gut. Es werden zudem wieder Hochzeiten und Firmenanlässe gebucht, diese sind in den vergangenen zwei Jahren ausgeblieben.

«Corona hat im Herbst bei uns einen wahnsinnigen Boom ausgelöst», sagt Thomas Walther. In den Bergen habe man keine Probleme mit dem Abstand.

«Dazu kommt, Bergferien sind im Trend. Die ganze Outdoor-Industrie ist sehr sexy geworden. Die Mammutjacke trägt man auch im Alltag. Die Welt werde immer urbaner. Da wollen die Leute aus den Städten raus und die Natur in den Bergen erleben.» (SDA/shq)

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