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Ist das Aus für den Rahmenvertrag ein Jobkiller?
«Schweizer KMU droht Wettbewerbsnachteil»

Was passiert nach dem Aus für den Rahmenvertrag zwischen der Schweiz und der EU? Klar ist wohl: Die Wirtschaftsbeziehungen werden leiden – und damit auch das exportorientierte Gewerbe in der Schweiz.
Publiziert: 28.05.2021 um 01:05 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2021 um 11:50 Uhr
Fabio Giger und Christian Kolbe

Unternehmer im ganzen Land zittern seit gestern um die Beziehung zu ihrem wichtigsten Handelspartner, der Europäischen Union (EU). Mit dem Scheitern des Rahmenvertrags zwischen der Schweiz und der EU geraten die bilateralen Verträge in Gefahr, so die Befürchtung.

Das könnte vor allem das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft empfindlich treffen: die KMU. Exportorientierte kleine und mittlere Unternehmen sind auf eine reibungslose und unkomplizierte Anbindung an den europäischen Binnenmarkt angewiesen. «Es droht ein deutlicher Wettbewerbsnachteil für Schweizer KMU», sagt Stefan Legge (34), Dozent für Volkswirtschaftslehre und internationalen Handel an der HSG.

Finanzplatz gelassen, Werkplatz skeptisch
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«Es schafft Unsicherheit»:Diese Folgen hat das Scheitern des Rahmenabkommens

Idyllisch wirds in nächster Zeit wohl nicht zwischen der Schweiz und der EU.
Foto: Keystone
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KMU sind nicht so flexibel wie Konzerne

Grosse Unternehmen mit Standorten in ganz Europa sind nicht so sehr auf staatliche Wirtschaftsverträge angewiesen wie kleine Firmen. «Konzerne könnten auf Produktionsstandorte ausserhalb der Schweiz ausweichen», so Legge.

Aber kleinere Firmen mit Sitz in der Schweiz stehen vor einem echten Problem. «Sie fragen sich, ob sie weiterhin nur in der Schweiz produzieren können oder ihre Produktionsstätten ins Ausland verlegen müssen», erklärt Stefan Legge. Sprich: KMU haben oftmals nicht die gleiche Flexibilität wie die grossen Konzerne.

So etwa die Berlinger Group AG aus Ganterschwil SG. Das KMU mit 100 Mitarbeiterinnen produziert Temperaturüberwachungssysteme und Dopingtest-Fläschchen für den Weltsport. Chefin Andrea Berlinger (52) befürchtet eine unsichere Zukunft für den Werkplatz Schweiz: «Klar fragen auch wir uns, wie es mit der Produktion in der Schweiz weitergehen soll. Stand jetzt, können wir dazu keine fixen Prognosen machen.»

Wandern KMU ab?

Das Scheitern des Rahmenabkommens – ein Jobvernichter? «Es kann sein, dass in der Schweiz einige Arbeitsplätze verloren gehen», sagt HSG-Dozent Stefan Legge. Aber das hänge auch davon ab, wie stark die Schweiz den Nachteil des erschwerten Marktzugangs anderweitig kompensieren könne. «Etwa durch eine wirtschaftsfreundliche Steuergesetzgebung oder andere Regulierungen», so Legge.

Er geht davon aus, dass Schweizer KMU ihre Investitionspläne in Zukunft eher in Projekte im Ausland verlegen könnten, um den EU-Markt leichter erschliessen zu können. «Wir haben im Moment keine Pläne in diese Richtung. Längerfristig könnte das aber für viele KMU eine Möglichkeit sein», sagt Claude Rieser (43), CEO der Verbandstoff- und Wattefabrik Flawa AG in Flawil SG.

Ohnehin seien die Produktionskosten in der Schweiz höher als im Ausland. «Das gescheiterte Rahmenabkommen könnte das Fass so für zahlreiche KMU zum Überlaufen bringen», ist sich Rieser sicher.

«Es drohen Versorgungsengpässe»

Aber nicht nur der Export wird für Schweizer Firmen schwieriger, auch der Import wird komplizierter. Harald Schatzl (55) ist Geschäftsführer von Mediwar, einer Firma, die Medizinaltechnik unter anderem aus der EU in die Schweiz importiert (etwa chirurgische Instrumente oder Ausrüstungen für Operationssäle). Kein Rahmenabkommen heisst mehr Schwierigkeiten bei der Einfuhr: «Bei 25 Prozent aller Medizinprodukte, die heute im Umlauf sind, ist nicht sichergestellt, dass man diese in der Schweiz auch künftig noch wird kaufen können», sagt Schatzl im Gespräch mit Blick TV. «Das kann theoretisch zu einem Versorgungsengpass führen.»

Weniger Auswahl ist das eine, steigende Preise das andere: «Ich rechne mit Kosten von 50 Millionen Franken, die jetzt einmalig anfallen. Künftig mit jährlich 30 Millionen, die auf die Branche zukommen. Jemand muss das bezahlen, über die Margen können wir diese Kosten nicht auffangen.» Die Mehrkosten entstehen auch deshalb, weil die Importe nun in der Schweiz zusätzlich zertifiziert werden müssen und ausländische Firmen eigene Vertreter in der Schweiz haben müssen.

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