HSG-Professor Martin Nerlinger
«Die Credit Suisse hat kein Regulations-, sondern ein Vertrauensproblem»

Eigentlich sollte es nicht mehr vorkommen, dass der Staat eine Grossbank retten muss. Doch obwohl die Regulationen eigentlich funktionieren, kann nur noch die UBS die Credit Suisse retten. HSG-Professor Martin Nerlinger erklärt, wieso.
Publiziert: 23.03.2023 um 16:45 Uhr
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Aktualisiert: 23.03.2023 um 21:54 Uhr
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Milena KälinRedaktorin Wirtschaft

Seit am Sonntagabend Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59) die Zwangsheirat von UBS und Credit Suisse bekannt gab, stellt sich so manch einer die Frage: Was ist da genau schiefgelaufen? Schliesslich wurden nach dem Konkurs der UBS in der Finanzkrise 2008 ein scharfes Reglement eingeführt, das verhindern sollte, dass der Staat erneut eine Grossbank retten muss.

«Es handelt sich nicht um ein generelles Regulationsproblem, sondern um ein Vertrauensproblem», sagt Martin Nerlinger (31), Finanzprofessor an der Hochschule St. Gallen (HSG). Die Regulationen hätten funktioniert. Sie würden einfach nicht in allen Fällen greifen.

Das Vertrauen der Kundschaft hat die Credit Suisse spätestens letzte Woche zu einem Grossteil verloren. «Einen Vertrauensverlust in diesem Ausmass hat man noch nie gesehen», sagt Nerlinger. Zum Schluss ging es extrem schnell.

Das Vertrauen war weg: Davor konnten auch die Regulationen die CS nicht bewahren.
Foto: keystone-sda.ch
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CS hätte besser kommunizieren können

«Eigentlich hat es mit dem Vertrauensverlust aber bereits letzten Oktober angefangen», sagt Nerlinger. Die Investoren und Kundinnen haben der CS ihre neue Strategie nicht geglaubt.

Als dann die Saudi National Bank letzte Woche bekannt gab, der Credit Suisse keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, brach Panik aus. «Die CS hatte schon seit einiger Zeit Probleme innerhalb der Organisation. Letzte Woche waren es dann einfach zu viele problematische Faktoren auf einmal», sagt Nerlinger. Als die Kunden reihenweise ihr Geld abzogen, war das der Anfang vom Ende. Auch die ausländischen Banken wollten nicht mehr mit der CS zusammenarbeiten.

Hätte die CS den Untergang noch abwenden können? Diese Frage kann auch der HSG-Professor nicht beantworten. Er ist sich aber sicher: «Hätte die CS, die Probleme seit Oktober proaktiv mit allen Beteiligten angesprochen, wären in den letzten Tagen ihrer Existenz viel weniger problematische Fragen aufgetaucht.»

Insgesamt habe die CS gemäss Nerlinger ein Transparenz- sowie Kommunikationsproblem. «Das hängt schon mit der vorherigen Führung zusammen», sagt er. Es fehlte die glaubwürdige, langfristige Strategie.

Nun liegt es an der neuen UBS, das Vertrauen für die neue Monsterbank aufzubauen. Aktuell sei die Skepsis noch gross. «Die Leute müssen die neue UBS erst kennenlernen», sagt der Professor. Immerhin hat sich die UBS mit ihrer Entwicklung seit der Finanzkrise 2008 einen Vertrauensvorschuss erarbeitet.

Schweizer Finanzplatz muss wieder glaubwürdig werden

Skepsis herrscht auch dem Finanzplatz Schweiz gegenüber. Sowohl aus Sicht der Schweizer Bürgerinnen und Bürger als auch aus Sicht der internationalen Anleger. «Wir müssen die Themen, die man vernachlässigt hat, zusammen mit der UBS angehen.»

Nerlinger ist sich sicher, dass die Schweiz ihr Ansehen zurückgewinnen kann. «Mit der richtigen Strategie können die Schweizer Banken die Bürger und das Ausland wieder für sich gewinnen», meint er. Die neue UBS könnte gar zur Vorreiterin werden in Zukunftsthemen wie dem nachhaltigen, wertschaffenden Banking.

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