Gemeindepräsident will den Ausbau des Flughafens Zürich drosseln
Ihm fliegt der Lärm um die Ohren

Der Rümlanger Gemeindepräsident und SP-Nationalrat Thomas Hardegger will den Ausbau des Flughafens drosseln. Das würde bedeuten: Zürich wird zum Zubringer der Lufthansa degradiert.
Publiziert: 04.05.2018 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:42 Uhr
René Lüchinger

Thomas Hardegger (62) kann sich noch gut erinnern. Vor 35 Jahren kam er als junger Sekundarlehrer nach Rümlang ZH. Damals tummelten sich noch lärmende Ungetüme wie Tupolews, Coronados oder Caravelles am Klotener Himmel. Heute hat Hardegger fast ebenso viele Jahre Gemeindepolitik auf dem Buckel. Bis Ende Juni amtiert er noch als Rümlanger Gemeindepräsident. Und neben vielem anderem bleibt er, der für die SP im Nationalrat sitzt, Präsident des Schutzverbandes der Bevölkerung um den Flughafen Zürich.

Die Vereinigung war vor rund fünf Jahrzehnten von sechs Flughafengemeinden gegründet worden. Zweck: die wirtschaftliche Entwicklung des Flughafens kritisch zu begleiten. «Wir haben ein Interesse daran, dass der Flughafen prosperiert», sagt Hardegger. Ein Grounding möchte er nie mehr erleben. Als die Swissair unterging, habe das in den Flughafengemeinden zu Jobverlusten und Langzeitarbeitslosen geführt. Betriebe seien eingegangen.

Weniger Interkontinental-Flüge sollen den Fluglärm für die angrenzenden Gemeinden drosseln.
Foto: THOMAS LUETHI / HEG
«Eigentlich ist es ein City-Airport in einem dicht-besiedelten Gebiet», sagt Thomas Hardegger.
Foto: GAETAN BALLY

Umsteigepassagiere als Risiko

Hardegger will aber einen Flughafen mit weniger interkontinentalen Direktverbindungen. Einen Flughafen, der nicht auf eine grosse Anzahl Umsteigepassagiere angewiesen ist. «Der Flughafen Zürich, die Swiss und der Kanton Zürich müssen sich ernsthaft überlegen, ob die Hubstrategie, deren Erfolg von der Anzahl Umsteigepassagieren abhängt, für den Wirtschaftsraum nicht ein erhebliches Risiko darstellt», sagt Hardegger.

Statt mit Fluggästen aus dem Ausland den Flughafen Zürich zu stärken, will Hardegger Passagiere aus der Schweiz überall dort zu Umsteigepassagieren in ausländischen Flughäfen machen, wo ein Direktflug aus dem Heimmarkt heraus nicht zu füllen ist. Boston oder Miami liessen sich schliesslich auch via London oder Frankfurt anfliegen. Ob ein Umsteiger dort oder in Zürich den Flieger wechselt, ist für diesen einerlei.

Zürich nur noch als Zubringerflughafen?

Nicht einerlei ist dies jedoch für den Passagier aus der Schweiz – eine Direktanbindung gäbe es dann nicht mehr. Und nicht einerlei ist dies für den Flughafen und die Swiss – bei beiden würden weniger Interkontinental- und mehr Europaflüge abgewickelt. Konsequenz: Der Flughafen würde sich schleichend zu einem Zubringerflughafen anderer Airports innerhalb des Lufthansa-Konzerns entwickeln, die als Umsteigeflughäfen aus der Schweiz in Frage kämen.

«Weniger Kapazitätsausbau in Zürich bedeutet weniger Lärm und mehr Platz und Zeit für einen stressfreieren Start- und Landebetrieb», glaubt Hardegger. Das heisst allerdings auch: Der Mehrlärm fällt dann beispielsweise in Frankfurt an.

Nachhaltige Arbeitsplätze

Für Zürich würden nun einmal spezielle Bedingungen gelten, meint Hardegger. «Eigentlich ist es ein City-Airport in einem dichtbesiedelten Gebiet.» Bei anderen Flughäfen sei viel mehr Platz vorhanden. Deshalb setzt sich Hardegger nicht für eine nachfrageorientierte Weiterentwicklung ein, sondern für eine Deckelung. Und eine Reduktion der Flugbewegungen in der Nacht. «Dann wäre die Kapazität bei weniger Lärm auch in Spitzenzeiten mehr als ausreichend», meint er.

Wenn damit weniger neue Jobs geschaffen werden, sei das für die Region verkraftbar, sagt Hardegger. «Nachhaltig sind nur Arbeitsplätze, die sich aus dem Heimmarkt entwickeln.» Schlecht bezahlte Tätigkeiten in der Reinigung oder im Catering hingegen würden starken Schwankungen unterliegen. Was das bedeute, kennt er aus seiner Gemeinde Rümlang – dort gibt es Menschen, die solche Jobs haben, gleichzeitig aber vom Sozialamt unterstützt werden müssten.

Einen solchen Flughafen will Hardegger nicht.

Die Wahl zwischen Metropole und Oase

Von René Lüchinger, BLICK-Autor

Wie viel Airline braucht die Schweiz? Diese Frage treibt das Land nicht zum ersten Mal um. In den 1950er-Jahren, als die Luftfahrt in den Interkontinentalverkehr einstieg, gab es Kräfte innerhalb der Swissair, die eine Beschränkung auf Europa forderten.

Swiss wird zum Zubringer

Heute sind es Lärmschützer, die Ähnliches wollen. Das Gros der direkten Übersee-Flüge soll über ausländische Airports wie Frankfurt erfolgen, die Swiss den Zubringer von Zürich an den Main sicherstellen. Der grosse Lärm wird exportiert und Zürich zum Steigbügelhalter der Lufthansa. Nach dem Motto: Die Schweizer Airline besitzen sie ja schon, und wenn die Entscheide über Flugzeuge, Personal und Drehkreuze immer öfter in Frankfurt fallen, wäre ihnen als Gegenleistung etwas mehr Lärm zuzumuten.

Es geht um Wohlstand und Jobs

Solche Pläne sind nicht zu Ende gedacht. Die Schweiz muss sich entscheiden. Will sie ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleiben? Dann sind Direktverbindungen in die Wirtschaftsmetropolen unabdingbar. Kein Geschäftsmann wird in Frankfurt zwischenlanden wollen, wenn es schnell gehen muss.

Oder aber die Schweiz entwickelt sich zu einer postindustriellen Oase, die sich als wirtschaftsfeindlich zu erkennen gibt – was Unternehmen aus dem Land treibt, Wohlstand kostet, Jobs killt. Das Land hat die Wahl. Eine mit schwerwiegenden Konsequenzen.   

René Lüchinger, BLICK-Autor
René Lüchinger, BLICK-Autor
Geri Born

Von René Lüchinger, BLICK-Autor

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