Drama in drei Akten
Die Nahtod-Erfahrung der Credit Suisse

Die Credit Suisse stand schon im Herbst 2022 am Abgrund. Nur dank zusätzlicher Liquiditätspuffer überstand sie damals den ersten Bank Run.
Publiziert: 09.04.2023 um 00:33 Uhr
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Aktualisiert: 09.04.2023 um 10:22 Uhr
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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Finma-Präsidentin Marlene Amstad hat eine Ader fürs Dramatische. Als sie am Mittwoch mit ihrem Direktor Urban Angehrn vor die Medien trat, schilderte sie den Niedergang der Credit Suisse im Stil einer klassisch-griechischen Tragödie. Sie unterteilte die jüngste Geschichte der Bank in drei Akte: «Mehrere Jahre vor dem Oktober 2022, dann seit dem Oktober und schliesslich die sich zuspitzende Situation in diesem März.»

Die Credit Suisse habe in den vergangenen Jahren immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt, erklärte Amstad. Diese Häufung von Vorfällen und Skandalen habe dem Ansehen der Grossbank «stark geschadet». Im Sommer letzten Jahres startete das Geldinstitut eine umfassende strategische Neuausrichtung seiner Investmentbank. Die Finma hat diesen Schritt begrüsst. «Denn er ging in die richtige Richtung – in Richtung Risikoreduktion.»

«Anfang Oktober 2022 begann dann die zweite Phase – die eines weiteren massiven Vertrauensverlusts», sagte Amstad. Die Einschätzung der Märkte über das Geschäftsmodell und die Zukunft seien «ins Wanken» gekommen. Der Aktienkurs sank und CDS «schossen in die Höhe». CDS sind Derivate, mit denen sich Anleger gegen einen Ausfall einer Anleihe absichern.

Warum schwieg er? CS-Chef Ulrich Körner.
Foto: keystone-sda.ch
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2. Akt: Der Bank Run

In diesem zweiten Akt erlebte die CS einen Bankansturm. «Die Bank verzeichnete Abflüsse von Kundengeldern in einem global und historisch einmaligen Ausmass», sagte die Präsidentin. Die Finma hat der CS bereits im Sommer 2020 vorgeschrieben, ihre Liquiditätspuffer zu verstärken.

«Nur dank dieses vorsorglichen, zusätzlichen Liquiditätspolsters konnte die Credit Suisse den Bank Run im Oktober 2022 überstehen», so die Finma-Präsidentin. Mit anderen Worten: Die Bank wäre schon im Oktober pleitegegangen, wenn sie die Zusatzpuffer nicht aufgebaut hätte.

Schaut man sich die Zahlen genau an, zeigt sich, dass die Kunden bereits in den Monaten Juli, August und September Gelder von der Grossbank abzogen. Laut dem Bericht für das dritte Quartal waren es 12,5 Milliarden Franken. Schon damals gab es Spekulationen über neue grosse Verluste im Zusammenhang mit der Restrukturierung und über die Notwendigkeit einer Kapitalerhöhung, was Aktionäre und Kunden verunsicherte.

Anfang Oktober beschleunigten sich die Abflüsse dramatisch. Es tauchten Gerüchte auf, die Bank werde demnächst pleitegehen. Innerhalb weniger Tage zogen Kunden 85 Milliarden Franken ab. Bis Ende Jahr verschoben die Kunden Depositen im Umfang von 130 Milliarden Franken.

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Ein Rätsel bis zum Schluss

Während die Kunden das Geld in Massen abzogen, schwieg die Bank. In mehreren Wochen gab es keine öffentliche Stellungnahme. Konzernchef Ulrich Körner sagte in seiner Rede an der CS-Generalversammlung diese Woche, dass der Credit Suisse damals aus «juristischen Gründen die Hände gebunden waren, zu diesen Falschaussagen Stellung zu nehmen». Bankexperten bezweifeln dies. Eine Bank könne immer und jederzeit kommunizieren, wenn es triftige Gründe gebe.

Warum die Bank den Gerüchten damals nicht entschieden entgegentrat, bleibt bis heute ein Rätsel.

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