«Sind Sie ein KMU-Abzocker, Herr Kilb?»
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Twint-CEO Markus Kilb:Sind Sie ein KMU-Abzocker?

Der Twint-Chef nimmt Stellung zu den hohen Gebühren
«Sind Sie ein KMU-Abzocker, Herr Kilb?»

Die Schweizer Bezahl-App Twint spürt Gegenwind. Mehrere KMU werfen der Firma vor, horrende Gebühren zu verlangen. Auch Gewerbeverbandsboss Hans-Ulrich Bigler kritisierte Twint scharf. Jetzt wehrt sich der CEO im Interview und sagt, was er vom Bargeld hält.
Publiziert: 14.06.2021 um 00:41 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2021 um 08:28 Uhr
Interview: Nicola Imfeld

Sein Unternehmen stand zuletzt in der Kritik: Markus Kilb (55) kommt trotzdem mit einem Lächeln ins Sitzungszimmer des Twint-Hauptgebäudes in Zürich. Seit Ende 2018 ist der Deutsche CEO der Schweizer Bezahl-App. Mittlerweile zählt Twint drei Millionen Nutzerinnen und Nutzer und ist national die klare Nummer eins im mobilen Bezahlgeschäft. Doch mehrere KMU monierten im Blick die horrenden Gebühren, die Twint verlangt. Auch Gewerbeverbandsboss Hans-Ulrich Bigler kritisierte Twint dafür scharf.

Blick: Sind Sie ein KMU-Abzocker?
Markus Kilb: Ganz im Gegenteil! Viele KMU haben sich für Twint entschieden, weil es eine schnelle und einfache Lösung ist, um digitales Bezahlen zu ermöglichen und viele Vorteile wie Hygiene und Sicherheit mit sich bringt. Leider hat Herr Bigler nie das Gespräch mit uns gesucht. Wir hätten uns gerne mit ihm an einen Tisch gesetzt.

Was sagen Sie den Händlern, die mit Ihren Gebühren unzufrieden sind?
Zuerst will ich festhalten: Wir zwingen niemanden dazu, Twint als Zahlungsmittel einzuführen. Die kolportierten Gebühren muss man immer in der korrekten Perspektive sehen. Kleinen Händlern ermöglichen wir es erst, bargeldlose Zahlungen entgegenzunehmen. Sie müssen sich nur registrieren – die ganze Organisation übernehmen wir. Preislich sind wir für die Kleinen sehr attraktiv: Sie brauchen bei Twint keine kostspielige Terminal-Lösung. Wir verlangen bei den Kleinhändlern nur 1,3 Prozent des Gesamtbetrags – ohne Mindestgebühr oder Mindestumsatz. Weil die Mehrzahl der Warenkörbe unter 20 Franken liegt, sind wir deutlich preiswerter als die Konkurrenz.

Markus Kilb (r.) im Interview mit Blick-Redaktor Nicola Imfeld.
Foto: Nathalie Taiana
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Die meisten KMU haben aber ein Zahlungsterminal. Dann wirds teuer. Ein Händler sagte zu Blick, Twint sei das «Allerschlimmste».
Für diese Händler sind nicht wir als Twint die Vertragspartner, sondern die Acquirer wie zum Beispiel Worldline, die das Zahlungsterminal zur Verfügung stellen.

Da stehlen Sie sich aus der Verantwortung. Sie erhalten einen Teil dieser Gebühren. Und Worldline ist zudem Aktionärin von Twint.
Es geht nicht darum, Verantwortung abzuschieben. Fakt ist, dass die Verträge nicht mit uns abgeschlossen werden. Wir sitzen bei den Verhandlungen auch nicht am Tisch. Twint kriegt vom Acquirer lediglich eine sogenannte «Scheme fee», eine Gebühr. Der Rest ist eine Sache zwischen Acquirer, Banken und den Händlern. Es gibt übrigens auch mehrere Acquirer, die Twint anbieten, ein Händler kann da wettbewerbsfähige Konditionen verhandeln.

Ich behaupte: Twint ist heute nur so erfolgreich, weil man früh Coop und Migros ins Boot holte. Einverstanden?
Ja. Ich glaube, das gilt aber nicht nur für Twint, sondern wohl für jedes Zahlungsmittel in der Schweiz. Wenn man nicht in der Lage ist, Coop oder Migros für eine Kooperation zu gewinnen, wird es schwierig.

Sie haben Migros und Coop mit Sonderkonditionen überzeugt. Die Grossverteiler zahlen nur die Hälfte, wie Blick publik machte. Die KMU müssen diesen Rabatt ausgleichen. Ist das fair?
Jeder Marktteilnehmer versucht natürlich, seine Situation zu optimieren. Ohne die Beiträge der grossen Händler könnten wir die Preise für KMU gar nicht ermöglichen. Gerade Coop hat in der Anfangszeit stark zur damals sehr kleinen Twint gehalten. In der Schweiz habe ich das Gefühl, dass die Leute sehr genau verstehen, wie man Geschäfte macht und seine Position einzuschätzen hat. Das trifft auf die Kleinen und die Grossen zu. Die Schweizer verstehen, wie die Wirtschaft funktioniert. Deshalb glaube ich, dass die meisten Händler nachvollziehen können, dass es je nach Grösse zu Preisdifferenzen kommt.

Für die Nutzer ist Twint bislang gratis. Müssen auch wir bald für das bargeldlose Bezahlen bluten?
Wir haben nicht die Absicht, eine Jahresgebühr für Twint zu berechnen. Ich kann die Frage aber nicht für alle Banken beantworten, die unsere Twint-Apps ja letztlich herausgeben.

Twint ist ein junges Unternehmen und gehört mittlerweile zu grossen Teilen den Schweizer Banken. Spüren Sie den Druck, Gewinne abzuliefern?
Würden wir heute weniger in Innovation investieren, wäre Twint in unter einem Jahr rentabel. Aber das ist aktuell nicht unser Ziel. Wir investieren ganz bewusst in die Plattform, um das Leben für unsere Kunden einfacher zu machen. Ein Beispiel: Für die Parkuhr muss man nun nicht mehr aus dem Auto aussteigen, um die Zahlung zu tätigen. Ich kann in der Twint-App die nächste Parksäule anwählen und bezahlen. Gerade wenns draussen regnet, ist das angenehm und erspart viel Ärger. Und wenn ich früher zurück bin, kann ich den Parkvorgang abbrechen und kriege das Geld zurück. Mit unseren Aktionären arbeiten wir gut und transparent zusammen. Wir konnten beweisen, dass wir die Kosten im Griff haben und die Erträge kontinuierlich steigern können.

78 Prozent der bargeldlosen Transaktionen in der Schweiz laufen über Twint. Was machen Sie besser als die Konkurrenz?
Man kann mit Twint im Supermarkt, online aber auch den Parkplatz bezahlen. Mit der gleichen App schicken Kollegen sogar noch Geld hin und her. Das gibts sonst nirgends! Hinzu kommt: Das Betriebssystem spielt keine Rolle – Twint ist ein offenes System. Jeder Händler und Technologiepartner kann bei uns andocken.

Die Pandemie hat Ihr Geschäft bestimmt befeuert?Corona ist für uns ein zweischneidiges Schwert. Sicherlich hat die Situation in den letzten eineinhalb Jahren dazu geführt, dass man sensibler geworden ist für die Vorteile vom mobilen Bezahlen. Mit jedem Lockdown gab es aber auch Einbussen für uns. Viele Händler, mit denen wir zusammenarbeiten, wurden von der Pandemie hart getroffen. Nehmen wir als Beispiel die SBB. Im ersten Lockdown ist fast niemand mehr Zug gefahren. Da fielen uns sehr viele Transaktionen weg.

Twint zählt derzeit drei Millionen Nutzerinnen und Nutzer. Was ist Ihr Ziel?
Wir gehen davon aus, dass die Schweiz ein Potenzial von sechs Millionen hat. Wann wir diese Marke erreichen, kann ich nicht sagen. Momentan siehts gut aus: Wir gewinnen über 100'000 Kunden pro Monat dazu.

Seit Mai kann man mit Twint auch Bargeld abheben. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie – ausgerechnet Twint – der Totengräber des Bargelds.
Das sehen wir nicht so. Wir sind ja keine Religion. Twint will die Probleme seiner Kunden lösen. Und es gibt offenbar in gewissen Situationen noch Bedarf für Nötli und Münz. Deshalb kooperieren wir mit der Firma Sonect und ermöglichen es unseren Nutzern, in 2300 Geschäften Bargeld per App an der Ladenkasse zu beziehen.

Glauben Sie als Twint-CEO an die Zukunft des Bargelds?
In den nächsten fünf Jahren wird das Bargeld nicht verschwinden. Aber die Nutzung wird wohl weiter abnehmen.

Welche Vorteile hat Bargeld in Ihren Augen?
Für mich persönlich sehe ich keine.

Der Tech-Banker

Markus Kilb (55) ist seit November 2018 CEO von Twint. Zuvor war er über 14 Jahre für die UniCredit Bank in München (D) tätig. Der Deutsche besitzt schon lange kein Portemonnaie mehr. Seine Beziehung zu Geld bezeichnet er als «mobil und rational». Ausserdem vertraut er auf die neusten Technologien und innovative Ideen. Nicht nur im Banking, sondern auch privat interessiert ihn der technologische Fortschritt unserer Gesellschaft. Er ist verheiratet und wohnt mit seiner Familie in Zürich.

Markus Kilb (55) ist seit November 2018 CEO von Twint. Zuvor war er über 14 Jahre für die UniCredit Bank in München (D) tätig. Der Deutsche besitzt schon lange kein Portemonnaie mehr. Seine Beziehung zu Geld bezeichnet er als «mobil und rational». Ausserdem vertraut er auf die neusten Technologien und innovative Ideen. Nicht nur im Banking, sondern auch privat interessiert ihn der technologische Fortschritt unserer Gesellschaft. Er ist verheiratet und wohnt mit seiner Familie in Zürich.

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