Der nächste teure IT-Flop bahnt sich an
Keiner will das E-Patientendossier!

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen geht weiter schleppend voran. Jüngstes Beispiel: Das elektronische Patientendossier. Auch ein Jahr nach dessen Einführung ist das Interesse bei der Bevölkerung gering.
Publiziert: 12.02.2022 um 12:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2022 um 13:06 Uhr

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens soll Ordnung in das komplizierte Dickicht von Patientendaten bringen. Manchmal analog, manchmal digital und auf verschiedenen Systemen gespeichert, sorgen sie bis heute oft für Verwirrung bei Dienstleistern und Kunden.

Darum gibt es in der Schweiz seit bald zwanzig Jahren Anstrengungen, ein elektronisches Patientendossier (EPD) auf die Beine zu stellen. Eigentlich hätte bereits 2015 eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer Zugang zu einem solchen gehabt haben, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. 30 Millionen Franken wurden dafür vom Bund den Kantonen und Spitälern zur Verfügung gestellt.

Nur 500 Anmeldungen

Fünf Jahre später – im Dezember 2020 – war es schliesslich der Kanton Aargau mit Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati (55, SVP), der unter grosser medialer Präsenz das landesweit erste elektronische Patientendossier ausstellte. Inzwischen sind alle Landesteile durch sechs regionale Anbieter abgedeckt.

Soll Ärzten und Patienten die Arbeit erleichtern: Das elektronische Patientendossier.
Foto: Shutterstock
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Nun weicht die Euphorie der Ernüchterung. Denn über ein Jahr später kräht noch immer kein Hahn nach dem neuen Angebot. Von den 700'000 Aargauerinnen und Aargauern haben bisher nur 500 ein digitales Dossier eröffnet. Ähnlich sieht es in anderen Teilen der Schweiz aus. In der Westschweiz verfügen rund 5000, in der Südostschweiz einige wenige Hundert über ein EPD.

«Eine Fehlkonstruktion»

Der Grund: Noch immer sind die Hürden für den Umstieg auf die digitale Alternative viel zu hoch. So müssen Patientinnen und Patienten über eine elektronische Identität verfügen, um sich bei den Anbietern zu registrieren. Zudem ist bei keinem der Anbieter eine vollständige Registrierung von zu Hause aus möglich. Im Kanton Aargau ist zum Bespiel der Gang zu einer von vier für die Registrierung eingerichteten Postfilialen Pflicht.

Dementsprechend gross ist der Frust in der Politik. Ruth Humbel (64, Die Mitte) sagt gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: «Das ganze Konzept ist eine Fehlkonstruktion. Es muss komplett umgestellt werden.»

Das Bundesamt für Gesundheit sieht keinen Grund zur Panik. Die Anzahl der Anmeldungen seien in dieser Anfangsphase im Rahmen der Erwartungen. Im Herbst soll dann eine nationale Werbekampagne dafür sorgen, dass das neue System doch noch auf Anklang bei der Bevölkerung stösst. (ste)

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