«Nun kann man seine Kohle nicht verchlöpfen»
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Experte zur Immo-Trendwende:«Nun kann man seine Kohle nicht verchlöpfen»

Bei den Mehrfamilienhäusern fallen die Preise schon
Darum kippt der Immo-Markt

Die Häuser-Party in der Schweiz ist vorbei. Die Nachfrage nach Eigenheimen sinkt. Und bei den Mehrfamilienhäusern fallen die Preise bereits.
Publiziert: 09.10.2022 um 15:18 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2022 um 16:34 Uhr
Danny Schlumpf

Seit 1998 haben sich die Immobilienpreise in der Schweiz verdoppelt. Nun endet der Boom. Der Markt kippt. Denn die preisbestimmenden Faktoren haben sich in kurzer Zeit massiv verändert.

In den letzten Jahren blieben die Zinsen tief, der Unterhalt der Häuser war günstig. Bauland wurde rar, die Bevölkerung nahm zu. Hohe Nachfrage und knappes Angebot – es war die perfekte Kombination für eine Wertexplosion.

Zentralbanken reagierten

Doch dann griff Russland die Ukraine an. Die Energiepreise stiegen – und mit ihnen die Inflation. Zentralbanken vieler Nationen reagieren mit Zinserhöhungen: In der Schweiz liegt der Leitzins mit 0,5 Prozent erstmals seit acht Jahren wieder im positiven Bereich. Auch Hypothekarzinsen schiessen daher in die Höhe.

Die Leitzinsen steigen – und mit ihnen die Hypothekarzinsen.
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Vor einem Jahr lagen zehnjährige Festhypotheken bei einem Prozent. Heute sind es drei. Die Tage der billigen Geldmarkthypotheken sind ebenfalls gezählt: «Hausbesitzer mit einer Geldmarkthypothek werden Ende 2022 erstmals seit rund 14 Jahren wieder eine höhere Zinsrechnung erhalten», sagt Martin Tschopp (58), CEO des Hypothekenanbieters Moneypark.

Zenit erreicht?

Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass viele Besitzer wieder zu Fixhypotheken wechseln – was sich wiederum auf deren Preise auswirkt. Die Credit Suisse rechnet in ihrem jüngsten Immobilienmonitor mit einem weiteren Anstieg der Hypozinsen. «Das wirft bei vielen Hausbesitzern Fragen oder Ängste auf», so Tschopp: «Schliesslich hat man sich an die ungewöhnlich tiefen Zinsen gewöhnt.»

Doch nun ist alles anders. Die Zinsen und der Unterhalt haben sich in wenigen Monaten von Preistreibern zu Preisdrückern entwickelt. Zwar steigen die Preise von Eigenheimen immer noch an – vor allem, weil die Wachstumsraten der vergangenen Jahre so krass waren; dieser Schub wirkt nach. Allerdings, so die Credit Suisse: «Der Zenit dürfte erreicht sein.»

Eigenheime nicht mehr so gesucht

Nun kehrt der Trend in die Gegenrichtung: Die Nachfrage nach Eigenheimen sinkt. Die Anzahl von Such-Abos ist seit Ende 2021 um mehr als 10 Prozent geschrumpft. Auch die Makler spüren die Neuausrichtung. Wenn es bis vor kurzem 15 bis 20 Interessenten für ein Kaufobjekt gab, sind es heute drei bis vier.

«Die Nachfrage ist auf das Niveau von vor der Pandemie gefallen», sagt Robert Weinert, Immobilienexperte von Wüest Partner. «Sie kann aber auch darunter sinken, wenn die Hypothekarzinsen weiter steigen.» Dann fallen die Preise. In Ländern wie Kanada, Schweden und Australien tun sie das bereits heute.

Aber was ist mit dem Angebot – bekanntlich ist es für die Preise ebenso entscheidend wie die Nachfrage? Die Antwort: Bauland bleibt knapp.

Trendwende auch bei Angeboten

Und doch erlebt auch die Angebotsseite gerade eine Trendwende. «Bei Einfamilienhäusern hat sich die Angebotsabnahme der vergangenen Jahre nun stabilisiert», sagt Robert Weinert. Das zeigen die Daten von grossen Internetportalen und Zeitungen: Der Rückgang bei den offerierten Eigentumswohnungen stoppte bereits Anfang 2022, der bei Einfamilienhäusern kam im zweiten Quartal hinzu.

Jetzt tritt ein neuer Verstärker des Angebots auf den Plan: Über 40 Prozent der Schweizer Eigenheime gehören Babyboomern – den geburtenstarken Jahrgängen von 1946 bis 1964, die in den nächsten Jahren in Rente gehen. Viele von ihnen werden ihre Häuser veräussern. Das erhöht das Angebot massiv. Bis 2045 werden 420'000 Babyboomer-Eigenheime frei.

Auch auf dem Kapitalmarkt ist eine Verschiebung von Angebot und Nachfrage im Gang: Die hochschiessenden Zinsen machen sichere Staatsanleihen attraktiver, weil diese nun deutlich mehr abwerfen als noch vor ein paar Monaten. Nach einer langen Durststrecke sind Obligationen wieder eine Anlage-Alternative zu Renditeimmobilien. Solche Veränderungen bekommen die Immobilienfonds früh zu spüren, weil Anleger schneller darauf reagieren können als Hausbesitzer. Tatsächlich hat der Immobilienfonds-Index der Schweizer Börse SIX seit Anfang 2022 bereits ein Fünftel seines Werts verloren.

Bei den Eigentümern kommt der zunehmende Druck mit Verzögerung an – aber er kommt.

Boom vorerst gestoppt

Zahlen der Schweizer Nationalbank (SNB) zeigen: Die Preise von Mehrfamilienhäusern sind im zweiten Quartal 2022 gesunken. In den letzten zwölf Monaten wurden schweizweit lediglich 22'800 Neubau-Wohnungen bewilligt. Das ist der tiefste Wert seit einem Jahrzehnt.«Damit dürfte der Boom, in Renditeimmobilien zu investieren, vorerst gestoppt sein», sagt Martin Tschopp von Moneypark.

Vieles hängt nun von den grossen Akteuren im Immobilienmarkt ab – besonders von den Pensionskassen. «Wenn die jetzt alle auf Ende des Jahres hin Immobilien verkaufen, lösen sie eine weitere Preiskorrektur aus», erwartet Donato Scognamiglio, CEO der Immobilienberatungsfirma Iazi. Das bereitet Scognamiglio Sorgen: «Wenn ein Akteur in Zürich gleichzeitig hundert Objekte verkauft, haben wir eine Immobilienkrise.»

Immer weniger leere Wohnungen

Der negative Trend bei den Renditeliegenschaften hat Folgen für die Mieter. Die Bevölkerung wächst weiter, der Leerstand der Wohnungen in der Schweiz ist von 1,54 Prozent im Vorjahr auf 1,31 Prozent gesunken. Die Mietpreise auf den Onlineportalen stiegen im zweiten Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahresquartal um 0,6 Prozent. Trotzdem sind Mieter derzeit im Vorteil: «Das Marktumfeld hat Wohneigentum im Vergleich zum Mieten in vielen Regionen unattraktiv gemacht», sagt Robert Weinert.

Noch unangenehmer wird das Umfeld für Hausbesitzer, wenn die Zinsen weiter steigen –damit sei aber zu rechnen, sagt Donato Scognamiglio: «Wenn die Nationalbank die Zinsen in kurzer Zeit bis auf drei Prozent hebt, kommen einige in Schwierigkeiten.» Umso wichtiger sei es, dass die Eigentümer ihre Schulden im Griff behalten, so der Iazi-CEO: «Damit sie auch in Zukunft ruhig schlafen können.»

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