«In Zukunft könnte es Preiserhöhungen geben»
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SBB-CEO Ducrot:«In Zukunft könnte es Preiserhöhungen geben»

Tiefrotes Jahresergebnis
SBB verlieren ein Drittel ihrer Passagiere

Lockdowns und Homeoffice-Pflicht haben den SBB im vergangenen Jahr schwer zugesetzt. Das Passagiervolumen lag 33,1 Prozent unter den Werten von 2019 vor der Covid-Pandemie. Im Ergebnis schlug sich das mit einem Defizit von 325 Millionen Franken nieder.
Publiziert: 15.03.2022 um 09:33 Uhr
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Aktualisiert: 15.03.2022 um 14:31 Uhr
Vincent Ducrot muss heute die tiefroten Zahlen seiner SBB erklären.
Foto: keystone-sda.ch
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Zuerst die gute Nachricht: So schlimm wie 2020 war das vergangene Jahr für die SBB nicht. Damals fuhren die Bahnen noch ein Minus von 617 Millionen Franken ein. 2021 geht es wieder ein wenig bergauf – allerdings resultiert in der Bilanz noch immer ein tiefrotes Minus von 325 Millionen Franken.

Dass das Minus im zweiten Corona-Jahr kleiner ausfiel, ist vor allem den Bundesgeldern zu verdanken: Die SBB erhielten letztes Jahr 53 Millionen Franken mehr Subventionen als noch 2020. Insgesamt kamen dem Staatsbetrieb 330 Millionen Franken von der öffentlichen Hand zu.

Das reicht aber noch lange nicht, um die tiefroten Zahlen auszugleichen. Denn es reisen noch immer 33 Prozent weniger Passagiere mit den SBB als noch vor der Pandemie. Die finanzielle Lage sei «sehr angespannt», heisst es in der Mitteilung zum Jahresergebnis denn auch. SBB-Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar (62) betonte an der Bilanzmedienkonferenz, dass es noch Jahre dauern wird, bis sich die SBB von der Corona-Delle erholt hat. Insgesamt dürfte die Pandemie die SBB rund 3 Milliarden Franken kosten. Durch die Minus-Ergebnisse 2020 und 2021 stieg die Verschuldung der Bahn um 720 Millionen auf über 11 Milliarden Franken.

«Das ist kein Spaziergang»

Um die Finanzsituation wieder «nachhaltig» in den Griff zu kriegen, hegen die Bundesbahnen zusammen mit dem Bund als Eigner ehrgeizige Sparpläne: Bis 2030 wollen sie 6 Milliarden Franken weniger ausgeben. «Das ist kein Spaziergang», gab Ribar zu.

Konkret wollen die SBB die Kosten im administrativen Bereich bis 2025 um mindestens 10 Prozent senken. Das gelingt unter anderem dank der Digitalisierung. So wird aktuell etwa das Buchhaltungssystem erneuert. Daneben werden Investitionen zurückgefahren oder verschoben. Es wird nur noch dort investiert, wo es absolut notwendig ist. «Wir können und müssen an Effizienz gewinnen. Und wir müssen uns auf die Bahn fokussieren, auf Investitionen in Nebenbereichen verzichten», führte SBB-CEO Vincent Ducrot (59) aus.

Der Sparprozess ist bereits in vollem Gang. «Wir drehen jeden Franken zweimal um, schauen jede Ausgabe ganz genau an», so Ducrot. So gibt es seit dem Jahr 2020 einen Einstellungsstopp. Nicht zuletzt dank des enger geschnallten Gürtels sei das Minus im Jahr 2021 deutlich tiefer ausgefallen als noch im Vorjahr.

Fluktuation statt Entlassungen

Müssen sich die SBB-Mitarbeitenden also auf Lohnkürzungen und einen Stellenabbau gefasst machen? «Wir müssen Einsparungen machen – auch auf der Personalseite», sagt Ribar etwas ausweichend. Entlassungen wird es aber auf keinen Fall geben. «Die Babyboomer gehen in Pension. Wir werden in den nächsten Jahren eher Rekrutierungsprobleme haben», führt Ribar aus. Natürliche Fluktuation statt Entlassungen also.

Der Fachkräftemangel ist gerade bei den Lokführern schon seit Jahren ein Problem. Verschärft wurde er noch durch die Omikron-Personalausfälle. Teilweise mussten ganze Verbindungen ausgedünnt werden. Der Engpass schien mit dem Abflachen der Omikron-Welle vorüber. Doch nun ziehen die Fallzahlen wieder an. «Es sieht nicht gut aus», warnt Ribar. «Stand heute fehlen uns Covid-bedingt 180 Lokführer.» Es könne auch wieder zu Zugausfällen kommen. Immerhin: Die SBB haben in die Lokführer-Ausbildung investiert. Der Gesamtbestand sieht nun deutlich besser aus als auch schon. Wenn nicht gerade Omikron dazwischenkommt, ist der Personalengpass im Führerstand Geschichte.

Berufspendler fehlen auch langfristig

Die Pandemie wirkt sich aber nicht nur auf Seiten Personal weiterhin auf die SBB aus. Auch auf der Passagierseite sind die Auswirkungen weiterhin spürbar – besonders bei den Berufspendlern. «Wir werden das Niveau von 2019 nie wieder erreichen. Wir werden einen Teil im Homeoffice bleiben», prognostiziert CEO Ducrot.

Ausgleichen wollen die SBB das Minus bei den Berufspendlern dank einem Plus im Freizeitverkehr. Im Rahmen ihrer Strategie 2030 planen sie etwa mehr Verbindungen in die Berge und mehr Veloplätze in den Zügen. Auch mit Spartageskarten sollen die Reisenden zurück in den Zug gelockt werden.

Langfristig zeigen sich die SBB denn auch zuversichtlich – trotz Corona-Delle: Das wachsende Klimabewusstsein spielt den Bundesbahnen in die Hände. Die SBB sagen langfristig daher ein starkes Wachstum voraus. «Wir freuen uns auf die Rückkehr der Kundinnen und Kunden», heisst es dazu in der Medienmitteilung zum Jahresergebnis.

Fällt die Maskenpflicht?

Ein Lichtblick ist für die SBB auch die Kundenzufriedenheit: So erreichten sie 2021 bei der Pünktlichkeit das zweitbeste Resultat in ihrer Geschichte. Abstriche gab es in der Westschweiz im zweiten Halbjahr. Tiefpunkt war ein mehrtägiger Totalunterbruch der Hauptachse Lausanne-Genf im November, wo sich in Tolochenaz VD das Gleis abgesenkt hatte.

Einige Reisende dürften sich aktuell noch von der Maskenpflicht im ÖV abhalten lassen. Während die Pflicht Mitte Februar praktisch überall aufgehoben wurde, gilt sie in Zügen, Bussen und Trams weiterhin. Ende Monat dürfte damit aber Schluss sein. Es sei denn, der Bundesrat überlegt es sich angesichts der steigenden Fallzahlen noch einmal anders.

Was wünschen sich die SBB? Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar lässt durchblicken, dass sie sich eine Maskenempfehlung statt einer -pflicht wünscht. «Wir waren nicht ganz glücklich mit dem letzten Entscheid. Es sieht aus, als könnte man sich nur im ÖV anstecken. Das ist sicher nicht der Fall!» Letztlich liege es in der Verantwortung jedes Einzelnen, eine Maske zu tragen, wenn er ansteckend sein könnte. Ganz konkrete Forderungen wollen die SBB aber keine an den Bundesrat stellen. «Spezialisten beim Bund entscheiden angesichts der pandemischen Lage – nicht die SBB», sagt Vincent Ducrot diplomatisch.

Ukraine könnte für höhere Ticketpreise sorgen

Von der Ukraine-Krise sind die SBB derweil bisher mehrheitlich verschont geblieben. Anders als etwa in Berlin, wo täglich mehr als 10'000 Ukraine-Flüchtlinge mit Zügen und Bussen am Hauptbahnhof ankommen, bleibt der grosse Ansturm in der Schweiz bisher noch aus. Und selbst wenn er käme: Die SBB wären bereit, versichert CEO Ducrot: «Wir könnten bei Bedarf auch ausländische Züge in die Schweiz kommen lassen. Die Zusammenarbeit in der ‹Bahn-Familie› ist eng.» So haben die SBB etwa Züge nach Polen geschickt, wo derzeit die meisten ukrainischen Flüchtlinge ankommen und Transportmöglichkeiten brauchen.

Der Ukraine-Krieg könnte sich aber auch indirekt auf die SBB auswirken. So wird Stahl durch den Konflikt massiv teurer – und irgendwann wohl auch knapp. Die SBB sind etwa für den Gleisbau auf Stahl angewiesen. «Momentan gibt es noch keine Knappheit», betont Verwaltungsratspräsidentin Ribar. Wie sich die Situation entwickeln wird, könne sie aber nicht vorhersagen.

Und letztlich kann der Ukraine-Krieg sich auch ganz direkt auf die Bahn-Reisenden in der Schweiz auswirken. Dann nämlich, wenn hierzulande die Ticketpreise steigen. Aktuell seien erhöhte Billetpreise zwar kein Thema, auch angesichts des tiefroten Jahresergebnisses nicht, versichert Ducrot. Doch durch den Ukraine-Krieg schweben «dunkle Wolken» am Himmel, so der Bahn-Chef: «Einerseits die steigenden Benzin- und Dieselpreise. Andererseits die Inflation. Dadurch könnten Preiserhöhungen in Zukunft ein Thema werden.»

Die SBB selber sind für ihre Züge zwar nicht auf Benzin und Diesel angewiesen. Sehr wohl aber die Transportunternehmen auf der Strasse, etwa Postauto und andere Busunternehmen. Den Entscheid über eine allfällige Preiserhöhung treffen nicht die SBB alleine, sondern die Alliance Swisspass, ein Zusammenschluss aus 250 Unternehmen. So könnten die höheren Treibstoffpreise sich letztlich auch auf den Gleisen bemerkbar machen. (SDA/gif/sfa)

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