Absprachen beim Benzin?
Zapfsäulen-Königin Avia ruft nach Blick-Bericht zur Preissenkung auf

Die Preise an den Tankstellen fallen und steigen im Gleichtakt. Das erweckt Misstrauen. Ein E-Mail aus dem Herzen der Avia sorgt für noch mehr Fragezeichen. Weko-Vize Olivier Schaller nimmt Stellung.
Publiziert: 27.08.2021 um 08:25 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2021 um 09:40 Uhr
Marc Iseli

Das E-Mail ging am zweitletzten Freitag im Juli raus. Nur wenige Tage, nachdem eine Blick-Recherche enthüllt hatte, wie Autofahrer beim Tanken geschröpft werden. Zapfsäulen-Betreiber Markus Gasser (53) aus Dagmersellen LU zeigte auf, wie enorm die Gewinnmargen beim Diesel sind. Und dass bei den grossen Ketten rund 40 Rappen pro Liter in den eigenen Sack fliessen.

Absender des Mails ist ein Mitarbeiter einer Zürcher Handelsfirma. Das Unternehmen gehört in den Kontrollradius der Avia, die mit knapp 600 Tankstellen die klare Nummer eins im Schweizer Markt ist.

Das E-Mail ist kurz. Die Signatur ist länger als der eigentliche Inhalt. Aber der Betreff hat es in sich: «Säulenpreiskorrektur» steht in der Zeile. Ein einziges Wort. Und noch vor der Anrede erscheint es ein zweites Mal, fett und unterstrichen: «Säulenpreiskorrektur». Es folgt die Empfehlung, den Benzinpreis und den Dieselpreis «per sofort» zu senken. Den Benzinpreis um zwei Rappen. Den Dieselpreis um drei Rappen.

Avia: Mit über 600 Tankstellen die Nummer eins im Benzinland Schweiz.
Foto: STEFAN BOHRER
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Die geforderte «Korrektur» ist losgelöst vom Einkaufspreis. Sie wird als Empfehlung verkauft. Und – das ist besonders problematisch – als Empfehlung sämtlicher Mineralölimporteure. Sie richtet sich an eine nicht weiter erkennbare Schar von Abnehmern. Es ist ein Massen-Mail, das auch ausserhalb der Avia-Gruppe wahrgenommen wird. Es weckt Misstrauen und wirft einmal mehr die Frage auf, ob es im Treibstoffmarkt zu unerlaubten Absprachen kommt.

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Weko ist aktiv

Das E-Mail liegt Blick vor, zugespielt von einem unabhängigen Tankstellenbetreiber, der anonym bleiben möchte. Die Branche ist klein, man kennt sich, ist auf ein gutes Verhältnis angewiesen und will niemanden zum Feind haben. Schon gar nicht den Primus im Benzinmarkt.

«Solche Mails kommen immer wieder», sagt der Tankstellenbetreiber, der das E-Mail weitergeleitet hat. Er wittert einen Gleichschaltungsgeist und fragt sich, warum die Behörden in Bern nicht einschreiten.

Tatsächlich beschäftigt sich die Wettbewerbskommission (Weko) schon seit Jahren mit dem Thema, nach dem Blick-Bericht vom Juli schaut sie besonders hin. «Wir beobachten den Markt für Treibstoffe und haben immer wieder Hinweise auf mögliche Preisabsprachen erhalten», sagte Weko-Sprecher Patrik Ducrey vor wenigen Wochen zu Blick. Damals gaben die Dieselpreise zu reden. «Gleiche Preise müssen nicht das Ergebnis einer Absprache sein, sie können auch das Ergebnis von Wettbewerb sein», hiess es damals.

«Falscher» Wortlaut

Und nun? Ist das E-Mail ein Beweis für den Versuch einer unerlaubten Absprache? Weko-Vize Olivier Schaller (55) hat sich auf Anfrage der Sache angenommen. Er kommt zum Schluss, dass «keine genügenden Anhaltspunkte für ein kartellrechtlich problematisches Verhalten» vorliegen. Von vertieften Ermittlungen «in dieser Sache» wolle man absehen.

Schaller stützt sein Urteil darauf, dass die «Empfehlung» zur Preisanpassung «auf Grundlage der aktuellen Entwicklungen des Rohölpreises an den internationalen Rohstoffbörsen» erfolgt sei. «Eine solche Information könnte sich grundsätzlich positiv auf die Markttransparenz auswirken», so der Wettbewerbshüter.

Und was sagt die betroffene Firma aus dem Dunstkreis von Branchenkönig Avia und Absenderin des problematischen E-Mails? Von Blick kontaktiert, krebst das Unternehmen zurück. Es handle sich bei der Korrektur-«Empfehlung» um eine reine Information. Unverbindlich. Dienst am Kunden.

Das E-Mail sei an rund 20 Tankstellenbetreiber rausgegangen und habe nichts mit dem Avia-Verbund zu tun, wiegelt die Handelsfirma ab. Die Wortwahl, sagt ein Verantwortlicher, sei «falsch» gewesen. «Richtig falsch sogar.» Er verspricht Besserung und sagt, manchen sei immer noch nicht klar, wie heikel das Thema sei.

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