«Aberturret»
Diese Schweizer Schotten machen besonderen Gin

Drei Schweizer machen jetzt Gin in Schottlands ältester aktiver Whisky-Brennerei. Wenn das keine gute Geschichte ist!
Publiziert: 21.05.2024 um 00:08 Uhr
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Dirk Ruschmann
Bilanz

Wenn für George Bernard Shaw guter Whisky «wie flüssiges Sonnenlicht» war — was hätte er wohl von gutem Gin gehalten? Dazu ist von dem irischen Nobelpreisträger nichts überliefert.

Vielleicht wäre ihm zu diesem hier etwas eingefallen — doch wie hätte er ihn probieren können, ist er doch gerade erst seit wenigen Tagen auf dem Markt (und Shaw war ja bald nach dem Zweiten Weltkrieg gestorben): Am Gaumen startet er eher klassisch, soll heissen, im Geschmack liefert er eine deutliche Wacholder-Note an, gibt dann die Wärme von Nelken- und Zimt-Aromen weiter und verabschiedet sich mit einem modernen Abgang, der Pink Pepper und diverse Zitrusfrüchte enthält, die leicht – aber nur leicht – süsslich nachklingen.

Von den bekannten Marken kommt diesem Gin am ehesten der bei Kennern beliebte Sipsmith nahe. Als Tonic würde ein klassisches Fever Tree Indian gut harmonieren, wo bekömmlich auch Match Tonic oder Aqua Monaco. Schweppes Tonic in der seltenen Dry-Variante ginge auch.

Drei vom Fass und Fach: Silvio Denz und sein Sohn Claudio posieren mit Gin-Experte Peter Jauch, der auch Kolumnist bei der BILANZ ist (v.l.)
Foto: Gianmarco Castelberg
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Artikel aus der «Bilanz»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Bilanz» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du unter bilanz.ch.

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Diesen Gin gibt es seit wenigen Tagen zu kaufen — doch brauchte es wirklich noch einen? Schliesslich drängeln sich in den Spritregalen bereits jede Menge Flaschen und sind dort wenige Spitzenerzeugnisse umringt von vielen kraftlosen oder mit süsslichen Botanicals, zu deutsch Gewürzen, überfrachteten Produkten – zumal im Verlauf der seit gut einem Jahrzehnt grassierenden Gin-Welle inzwischen jedes Dorf mit ÖV-Anschluss eine Destille beherbergt.

Aber klar hat es noch Platz! Sofern die Qualität stimmt – und dann bleibt es, wie üblich, eine Geschmacksfrage. Kommt hinzu: Für diesen speziellen Gin spricht die sehr spezielle Entstehungsgeschichte.

«Bilanz» war beteiligt

Am Geschmack haben die Macher viele Monate gefeilt; und diese Macher samt ihrem Hintergrund sind die eigentliche Story. Denn hier hat sich keine Gruppe von Jugendfreunden aus dem Emmental zusammengetan – hier sind Schwergewichte ihrer Gewerke an der Arbeit, zudem ein hoher Brennwert an spirituöser Historie im Hintergrund. Nicht zuletzt hat auch BILANZ zur Entstehung beigetragen.

Der Gin trägt den Namen «The Aberturret», und die Anklänge an die Scotch-Marke Glenturret sind kein Zufall. Glenturret, die älteste aktive Whisky-Destillerie Schottlands, gehört seit rund zwei Jahren dem Schweizer Unternehmer Silvio Denz, der das Luxusmarkenhaus Lalique als Hauptaktionär, dazu edle Weingüter und weitere Beteiligungen führt, sowie dem Medizinaltechnik-Milliardär Hansjörg Wyss, der wiederum als Grossaktionär bei Lalique engagiert ist.

Whisky-Destille: So gemütlich sieht es um und in der ältesten aktiven Brennerei Schottlands aus.
Foto: PD

Das Whisky-Geschäft bei Glenturret haben beide, unternehmerisch von Denz geleitet, bereits modernisiert: Die spiessigen bauchigen Flaschen wichen einem neuen Design, ein edles Restaurant und ein Lalique-Shop zogen in Glenturret ein und verlängern so die Wertschöpfungskette, während das Mahlen der Gerste und das Destillieren weiterhin auf uralten Maschinen und vor allem mit Handarbeit, gutem Auge und Geschmack erfolgen.

Denz setzt auf Qualität, und diese Haltung soll seinen Master Blender, also den eigentlichen Whisky-Macher, Bob Dalgarno, bewogen haben, nach vielen Jahren beim zehn Mal so grossen Branchenvorbild Macallan zu Glenturret zu wechseln. Die Früchte der Arbeit ernten die Schweizer Besitzer bereits: Der Glenturret «Triple Wood», Abfüllung 2022, wurde bei der «International Wines and Spirit Competition» zum besten Single Malt Whisky der Welt gekürt.

Genauso liebevoll werden übrigens Glen und Turret, die beiden getigerten Katzen, umsorgt, die über ein Laufbrett zu ihrer Katzentüre in Brusthöhe gelangen und so in der gesamten Brennerei umhertigern können. Ihr Vorgänger Towser, so steht es an seiner Statue auf dem Areal geschrieben, soll unglaubliche 24 Jahre alt geworden sein und bis zu seinem Tod 1987 sagenhafte 28 899 Mäuse vernichtet haben.

Silvio Denz hatte im März 2022 einen Artikel in der BILANZ von Gin-Experte Peter Jauch gelesen, der die grossen Trends im Spirituosenmarkt einordnete, er kontaktierte Jauch und engagierte ihn: Früher hatten Brennmeister die Reifezeit ihrer Whiskys, die in den Fässern allmählich Geschmack annahmen, mit dem technisch einfacheren Brennen von Gin überbrückt. So etwas plante Denz in Glenturret auch. Einige erste Proben standen bereit, doch zufrieden waren Denz und Jauch nicht. Also machten sie sich selbst daran, ein Rezept zu entwickeln.

Wacholder, Zimt, Nelke

Zunächst definierten sie eine geschmackliche Basis. Stark florale Noten verwarfen sie schnell; zur reichen Historie von Glenturret passte ein klassisches Wacholderprofil besser. Mit 200 verschiedenen Botanicals startete der Auswahlprozess. Koriander und Angelica kamen hinzu, dann Nelke, später auch Zimt, dafür verzichteten sie auf den allzu intensiven Kardamom.

Jedes Rezept musste anschliessend destilliert werden und rund zwei Wochen im Tank ruhen, damit sich der Geschmack stabilisierte, erst dann konnte die Verkostung folgen. «Fünf bis sechs Monate», erinnert sich Jauch, habe man an der Verfeinerung gearbeitet. Die in Grossbritannien berühmten Spritspezialisten Joel Harrison und Neil Ridley hatten Vorarbeit geleistet.

Amphoren für Sprit: Das Design der Flaschen ist komplett neu. Jene für Gin lehnt sich optisch an die Whisky-Flasche (r.) an.
Foto: PD

Unterdessen kümmerte sich Silvios Sohn Claudio Denz um den Auftritt des neuen Gins. Die Flasche, natürlich bei Lalique produziert, zitiert die neu entworfenen Whisky-Flaschen: eine Kreuzung aus Amphore und Apothekerflasche, kantig und geradlinig, für den Gin jedoch in tiefem Grün statt durchsichtig, mit dickem Glasboden für sicheren Stand.

Auf dem Etikett prangt das Wappen der Adelsfamilie Murray, die als Gründerin der Brennerei gilt. Ausserdem weist die Zahl «14» darauf hin, wie viele Botanicals der Gin enthält. Alle Zutaten verraten die Macher nicht – immerhin ist zu erfahren, dass sowohl Zitrone als auch Limette hineindestilliert sind. Insofern eignen sich diese beiden auch als Beigabe in einen Gin Tonic.

Die erste grosse Charge des «Aberturret», 60'000 Flaschen, wird in der Edinburgher Brennerei Summerhall produziert, wo der viel gelobte Pickering’s Gin seine Heimat hat; eine gute Adresse also. Den Vertrieb in der Schweiz übernimmt ein Grosshändler, der Bars und Gastronomie direkt beliefert. Im Retail ist der Gin vorerst in den Globus-Filialen sowie bei der familieneigenen Denz-Weinhandlung erhältlich – zum Preis von 55 Franken für die klassische 0,7-Liter-Flasche.

«Wir zweifeln nicht am Erfolg», sagt Denz, der den Gin dauerhaft im Sortiment führen wird. Denn vor allem im Mittleren Osten und in Südostasien, aber auch in Nordamerika wächst die Nachfrage nach Gin weiter ungebremst, auch in Europa flaut der Boom nicht ab.

Der Name Aberturret geht auf das Nachbarhaus der Whisky-Brennerei zurück – eine Art Witwenunterkunft für die Zeit, nachdem der Patriarch gestorben war, damit die Ehefrau des Sohnes nicht mit der Schwiegermutter unter einem Dach wohnen musste; so erklären es zumindest die Einheimischen. Denz hat es renovieren lassen.

Und im Kutschenhaus von Aberturret House wird ab 2025 eine eigene kleine Brennerei eingerichtet – die Besucher von Glenturret können dann nicht nur der Entstehung des Whiskys, sondern auch des Gins zuschauen.

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