Eine meiner Lieblingsfiguren im «Tatort» überhaupt ist zweifellos die schöne Bremer Kriminaltechnikerin Linda Selb (Luise Wolfram). Wie die leicht autistisch mit wunderblankem Gesicht immer wieder in jegliche Fettnäpfe tritt und völlig unbewegt Menschen in den schwierigsten Situationen vor den Kopf stösst, das muss man erst mal spielen können. Und als Zuschauer gilt es, das Fremdschämpotenzial auszuhalten. Ein bisschen erinnert Selb nämlich an die Asperger-Kommissarin Saga Norén (Sofia Helin) aus der grandiosen Netflix-Serie «Die Brücke», und das ist nun wirklich ein grosses Kompliment. Kommen die preisgekrönte Jasna Fritzi Bauer als neue Kommissarin Liv Moormann und der international erfolgreiche Dar Salim als Kommissar Mads Andersen dazu, kann eigentlich nichts schiefgehen. Das war beim letzten Mal so, als das Drehbuch schwächelte, und das ist bei dieser zweiten Folge des neuen Teams, bei der das Drehbuch viel weniger schwächelt, auch so.
Ein Gutmensch stirbt – und keiner weiss, warum
Ein Arzt behandelt gratis Obdachlose und Randständige – und wird tot am Hafen aufgefunden. Ermordet, und zwar so, dass es auch hält: mit dem Auto überfahren und dann noch den Schädel eingeschlagen. Hatte der Gutmensch etwas zu verbergen? Doch Dreck am Stecken? Und wenn nicht, wissen vielleicht die Matrosen des Frachters, der gleich neben dem Tatort liegt, etwas? Andersen begibt sich in leichtsinnige Gefahr, während ihn erst noch Altlasten verfolgen. Moormann und Selb durchkämmen derweil das Privatleben des Arztes. Es entspinnt sich ein meist spannendes Whodunnit, und ich sage nur: Cherchez la femme!
«Tatort»: «Und immer gewinnt die Nacht», SRF 1, 20.05 Uhr
Wertung: Vier von fünf
