Krimikolumne «Tatort»
Blinde Mütter

Eigentlich geht es im heutigen Berliner «Tatort» um Mütter, die die Fehler ihrer Kinder nicht sehen wollen. In dieser Kolumne geht es aber darum, was man wirklich sehen will: Meret Becker.
Publiziert: 14.11.2021 um 19:43 Uhr
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Silvia TschuiGesellschafts-Redaktorin

Diese Kolumne wird eine Art Liebeserklärung. Und zwar an die Schauspielerin Meret Becker, die diesen Sonntag leider zum zweitletzten Mal die Kommissarin Nina Rubin gibt. Und diese Nina Rubin, die verkörpert nun so ziemlich alles, was ich in einer modernen Frauenfigur gern sehen will: Sie ist knallhart in ihrem Job und gleichzeitig mitfühlend und weich. Sie nimmt sich, was sie will, und hadert trotzdem mit der Beziehung zu ihrem Ex-Mann und ihren Söhnen. Sie ist lustig und frech und stark und lebensfroh und verletzlich, tieftraurig, verzweifelt und schwach – und das alles stets fast gleichzeitig.

Lieber wegsehen als Unangenehmes wissen

Dass Meret Becker es geschafft hat, diese Widersprüchlichkeiten locker nebeneinander stehen zu lassen, ist eine beeindruckende schauspielerische Leistung. Es macht die Figur der Nina Rubin so umwerfend anziehend, dass man sie am liebsten in den Arm nehmen würde (man hätte dabei aber auch ein bisschen Angst vor ihr). Auf die Drehbücher kommt es da eigentlich gar nicht so an, auch diesmal nicht, auch wenns ein gutes ist: Eine Polizistenkollegin (Jule Böwe, auch grandios in dieser Rolle) schützt schon seit Jahren ihren Mann und ihren Sohn – und beide sind richtig miese Früchtchen. Es entspannt sich ein Psychogramm von Figuren, die lieber wegsehen, als ihre Lebensträume zerstört zu sehen.

Ohne Rubin wird Berlin blöd. Zumindest im «Tatort»

Aber es soll ja hier um Meret Becker gehen: Sie hat den Berliner «Tatort» zu einem meiner Lieblings-«Tatorte» erhoben – auch wenn mir der Berliner Tonfall, wie auch im wahren Leben, immer einen Tick zu derb ist. Ich werd mich auf die letzte Folge mit ihr freuen und Nina Rubin dann schwer vermissen.

Eine junge Frau wurde tot aufgefunden. Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) ermitteln.
Foto: rbb/ARD Degeto/Aki Pfeiffer
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«Tatort»: «Die Kalten und die Toten», SRF, 20.05
Wertung: Viereinhalb von fünf


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