Michelle Gisin: «Fahre ich wohl nicht mehr in diesem Leben»
Die Verachtung der Ski-Stars für die Parallel-Rennen

Kampf Frau gegen Frau, Spannung pur, Herzschlag-Entscheidungen. Wirklich? In Lech-Zürs geht die Parallel-Rennen-Posse in die nächste Runde.
Publiziert: 26.11.2020 um 10:36 Uhr
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Aktualisiert: 27.12.2020 um 14:49 Uhr
Mathias Germann

Sie wurden als Heilsbringer gefeiert. Sie sollten den Aufbruch in modernere Zeiten einläuten. Sie sollten ein neues Publikum erreichen. Doch nun das: Es findet sich kaum ein Athlet, der die Parallel-Rennen wirklich schätzt. Ausser, er gewinnt oder hamstert viele Punkte. «Es gibt die Rennen nun mal. Also fahre ich sie auch. Für mich sind sie eine Chance», sagt Andrea Ellenberger. Pragmatismus pur.

Verübeln kann man dies der Nidwaldnerin nicht. Auch nicht vor dem Parallel-Riesenslalom in Lech-Zürs. Da Ellenberger sonst nur eine Disziplin fährt (Riesenslalom), ist sie froh, einen weiteren Wettbewerb zu haben. «Auch wenn es nur einer ist in dieser Saison», sagt sie schmunzelnd. Tatsächlich: Bei den Frauen und Männer steht in diesem Winter nur je ein solcher Head-to-Head-Kampf an. Dafür dann aber gleich deren drei bei der WM in Cortina im Februar – bei den Frauen, Männer und im Team. Der Stellenwert eines Sieges? Er ist bescheiden.

Falsche Strategie und keine passenden Ski

Doch warum ist das so? Die Parallel-Rennen erlebten vor zehn Jahren Knall auf Fall eine Auferstehung im Weltcup. Ohne dass sie vorher einen soliden Aufbau in den unteren Rennserien gehabt hätten. Die Folge: Viele Athleten waren überfordert. Das war aber nicht ihre Schuld – sie hatten schlicht keine passenden Ski für die neuen Radien. «Es sind keine Slalomski und keine Riesenslalomski», sagt Michelle Gisin. Die Folge war oft ein Geknorze. Schön sah das nie aus – die Ski-Industrie, welche auf das neue Format gepocht hatte, stellte sich selbst ein Bein. Heute sagt Gisin, die sonst in allen Disziplinen zuhause ist, klipp und klar: «In diesem Leben fahre ich wohl keine Parallel-Rennen mehr.»

Michelle Gisin ist eine Allrounderin, startet wann immer möglich. Doch auf eines hat sie so gar keine Lust.
Foto: Sven Thomann
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Das ist aber nicht alles. Auch die Fairness war zuletzt bei den Knockout-Duellen oft nicht gegeben. Mal war der blaue Kurs schneller, mal der rote. Die Folge: Nobodys landeten ganz vorne. Den letzten Parallel-Riesenslalom der Frauen gewann Clara Direz (Fr) vor Elisa Mörzinger (Ö). Hand aufs Herz: Sagen diese Fahrerinnen Ihnen etwas? Mörzinger holte übrigens in der gleichen Saison keinen weiteren Weltcuppunkt. Immerhin: Die FIS erkannte den Modus-Fehler, heute gibt es bei jedem Duell ein Re-Run.

Holdener: «Rennsau auspacken»

Was letztlich bleibt? Vielleicht die Freude an der Spannung. Wendy Holdener, die beste Schweizer Parallel-Fahrerin, sagt: «Ich muss die Rennsau auspacken.» Ihr Ehrgeiz ist lobenswert. Und logisch. Denn: 100 Punkte gibts auch für einen Sieg in Lech-Zürs – so wie am Lauberhorn oder auf der Streif.

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