Emotionaler Flückiger spricht über angeblichen Doping-Fall
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Erster öffentlicher Auftritt:Emotionaler Flückiger spricht über Doping-Verdacht

Emotionaler Flückiger spricht erstmals nach Doping-Verdacht
«Ich hatte die Hoffnung in meinem Leben verloren»

Mathias Flückiger legt erstmals seit dem Doping-Verdacht vor den Medien seine Sicht der Dinge dar. Der 34-Jährige kämpft mit Tränen – und für einen Freispruch. Er spricht über die dunkelsten Stunden seines Lebens.
Publiziert: 02.03.2023 um 20:24 Uhr
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Marco PescioReporter Sport

Der ausgewählte Raum im Haus des Sports in Ittigen bei Bern soll die Symbolik des Medientermins unterstreichen. Im Sitzungszimmer «fairplay» lädt Mathias Flückiger und sein Beraterteam ein, um den Doping-Verdachtsfall noch einmal komplett aufzurollen – aus ihrer Sicht. Der 34-jährige Spitzen-Mountainbiker sagt zwar, der Name des Raums sei «Zufall». Und doch betont er: «Es passt. Ich stehe für Fairplay.»

Täter oder Opfer? Der Olympia-Zweite von Tokio spricht an dieser langen, komplexen und immer wieder emotionalen Pressekonferenz ausführlich über die «schwierigsten Monate seines Lebens» und den Zeitpunkt, als seine «Welt zusammenbrach».

Rückblende: Flückiger wurden am 5. Juni 2022 bei einer Dopingprobe nach seinem Sieg an der Schweizer Meisterschaft 0,3 Nanogramm pro Milliliter der anabolen Substanz Zeranol nachgewiesen. Weil der Befund unter dem festgelegten Schwellenwert von 5,0 Nanogramm pro Milliliter lag, galt er nicht automatisch als positive Dopingprobe. Er wurde als sogenannt atypisch gewertet, woraufhin Swiss Sport Integrity (SSI, vormals Antidoping Schweiz) weitere Abklärungen veranlasste. Am 18. August, einen Tag vor dem EM-Rennen in München, zog SSI Flückiger schliesslich aus dem Verkehr. Doch vier Monate später hob die Disziplinarkammer (DK) von Swiss Olympic die provisorisch ausgesprochene Sperre wieder auf – sie war der Darstellung der Flückiger-Seite gefolgt. Diese wirft SSI Verfahrensfehler vor.

Mathias Flückiger blickt zurück auf die psychisch belastende Zeit nach seiner provisorischen Doping-Sperre.
Foto: keystone-sda.ch
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Für Flückiger war dies nur ein Teilerfolg. Gleichbedeutend mit einem Freispruch ist die seit Dezember aufgehobene Sperre nicht, denn der Fall ist noch nicht abgeschlossen. Doch der Oberaargauer hat zuletzt neue Zuversicht gewonnen.¨

«Alle Erfolge kaputtgegangen»

Er tritt «nervös» vor die Medien, wie er sogleich zugibt, aber auch erfreut, «überhaupt noch einmal hier zu stehen». Es habe Zeiten gegeben, in denen er an eine Rückkehr in den Rennsport nicht mehr geglaubt habe. Als er an jenem 18. August im Teambus von der Dopingprobe erfuhr, sei das für ihn ein «riesiger Schock» gewesen: «Es war der Tag, an dem ich eine Stufe vor dem Abgrund stand.» Durch den Vorwurf seien für den ehemaligen Gesamtweltcupsieger alle erlebten Emotionen und Erfolge kaputtgegangen, meint er mit zittriger Stimme: «Die ersten Stunden und Tage wusste ich nicht, ob ich die Last zu tragen vermag. Oder ob ich sie überhaupt noch tragen will. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich die Hoffnung verloren.»

Sein persönliches Umfeld, besonders Freundin Lisa und Bruder Lukas, habe ihm in jener Zeit Kraft gegeben, sagt Flückiger. Und zusammen mit seinem Beraterteam machte er sich daran, die Geschehnisse zu rekapitulieren. Jetzt, Monate später, erklärt er: «Ich will aufzeigen, dass mein Fall zu einem Dopingfall wurde, obwohl es nie einen hätte werden dürfen.»

«Wenn ich den Fall anschaue, kann ich Doping ausschliessen»
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Dopingexperte Kamber:«Wenn ich den Fall sehe, kann ich Doping ausschliessen»

Die Flückiger-Seite stützt sich dabei auf ein verpflichtendes Dokument der Welt-Antidoping-Agentur (Wada). Mit der Einführung des Schwellenwerts bei einigen anabolen Substanzen will diese die Gefahr reduzieren, dass Athleten unschuldig wegen Dopings gesperrt werden. Sprich: Bei einer minimalen Menge der verbotenen Substanz könnte dies womöglich auf eine Kontamination (durch Fleisch oder Medikamente) hindeuten.

Flückigers Team wirft der Untersuchungsbehörde vor, nicht dem üblichen Protokoll gefolgt zu sein. Und auch, ihn bis zum 18. August nicht miteinbezogen zu haben. Und am Schlimmsten: Laut vorgeschriebener Handhabung hätte der Fall respektive die provisorische Sperre auch nie an die Öffentlichkeit gelangen dürfen.

Die DK folgte Flückigers Darstellung. Nun darf der nicht mehr gesperrte Routinier auch wieder starten, was er zuletzt in Banyoles (Sp) auch spontan gemacht hatte. Der Ball aber liegt jetzt bei SSI, ein Entscheid wird in Bälde erwartet. Wann genau, kann die Behörde auf Blick-Anfrage nicht sagen: «Die Beurteilung des eigentlichen Sachverhaltes ist Gegenstand der Abklärungen im Resultatmanagementverfahren, das Verfahren ist derzeit weiterhin im Gange. Aufgrund des laufenden Falls kann Swiss Sport Integrity keine weiteren Informationen bekannt geben.»

«Kann Doping eigentlich ausschliessen»

Teil vom Flückiger-Lager sind Rechtsanwalt Thilo Pachmann und der langjährige Antidoping-Schweiz-Experte Matthias Kamber. Ersterer verweist nicht nur auf die Verfahrensfehler. Sondern auch auf die Dopingprobe am 5. Juni 2022, die in Leysin nicht unter regelkonformen Bedingungen stattgefunden habe: «Es ist von Anfang an Vieles falsch gelaufen.»

Kamber glaubt an «ein gutes Ende» im Fall des Schweizer Top-Mountainbikers: «Wenn ich den ganzen Fall anschaue, kann ich Doping eigentlich ausschliessen. Es muss eine Verunreinigung vorliegen, durch Fleisch oder andere Produkte. Auch wenn man letztlich vielleicht gar nie weiss, woher die Kontamination stammt, könnte man dieser Argumentation folgen.»

Flückiger sagt derweil, er freue sich auf seinen offiziellen Saisonstart am 19. März in Gränichen. Sein oberstes Ziel sei es aber, diese Geschichte so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Und doch meint er abschliessend: «Ich will nicht, dass sie vergessen geht. Ich will, dass man daran denkt, wenn man über mich spricht. Sie ist jetzt ein Teil von mir. Und sie hat auch eine Narbe hinterlassen.»

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