Sibesiech Simi
Ammann ist der Olympia-Rekordmann

Dieses Wochenende nimmt Simon Ammann zum siebten Mal an den Olympischen Spielen teil. Der Doppel-Doppel-Olympiasieger avanciert auch in dieser Hinsicht zum Rekordmann. Der 40-Jährige blickt auf seine grössten Momente zurück.
Publiziert: 06.02.2022 um 10:16 Uhr
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Aktualisiert: 06.02.2022 um 11:29 Uhr
Sven Micossé

Simon Ammann ist ein wahrer Sibesiech. Seit 25 Jahren fliegt er bei der Elite der Skispringer mit. Bei den Olympischen Spielen von Peking ist der 40-Jährige zum siebten Mal dabei – Schweizer Rekord! Seine Beziehung zu Olympia ist eine mit ausserordentlichen Hochs, aber auch mit einigen Tiefs. Der vierfache Gold-Gewinner hätte selbst nicht gedacht, dass er dieses Jahr nochmals dabei sein wird.

«Ich bin selber ein bisschen erstaunt, dass ich nach Pyeongchang – wo ich mich sozusagen selber verabschiedet habe – wieder da stehe.» Das zeigt, wie der Sport ist. Ähnlich wie bei Rafael Nadal, dessen Ziel einzig auf den Court zurückzukehren war, spürt der 40-Jährige weiterhin ein Wollen. Einen Vergleich zu dessen Australian-Open-Exploit will Ammann aber nicht machen. «Es ist wirklich ein Privileg, nochmals hier sein zu dürfen.»

Die Sieben vollzumachen, sei nie sein Ziel gewesen. Doch der erfolgreichste Schweizer Olympionike (gemeinsam mit Dario Cologna) lässt die Dressurreiterin Christine Stückelberger hinter sich und überstrahlt somit alle. Berni Schödler war über Jahre als Trainer und später als Disziplinenchef an der Seite Ammanns. Der 50-Jährige beschreibt den Rekord des Tausendsassas mit einem Wort: «Grossartig!» Es sei faszinierend, dass ein Athlet nach so vielen Jahren so viel Herz, Energie und Power in eine Sportart reinsteckt.

1998 nimmt der 16-jährige Simon Ammann an seinen ersten Olympischen Spielen teil.
Foto: Keystone
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Ammann übertrifft Stückelberger

Bis vor wenigen Tagen war Christine Stückelberger (74) noch gemeinsam mit Simon Ammann der Schweizer Sportstar mit den meisten Olympiateilnahmen. Doch nun überflügelt Simi in Peking die ehemalige Dressurreiterin.

Stückelbergers Pech war, dass die Schweiz die Olympischen Spiele 1980 in Moskau grösstenteils boykottierte. Deshalb ging die Titelverteidigerin von 1976 in der Sowjetunion nicht an den Start.

Die Schweizer Olympia-Rekordteilnehmer

  • 7 Teilnahmen
    Simon Ammann*, Skispringen
  • 6 Teilnahmen
    Christine Stückelberger, Reiten
  • 5 Teilnahmen
    Paul Accola, Ski alpi
    Andres Ambühl*, Eishockey
    Gaby Bühlmann, Schiessen
    Nicole Bullo*, Eishockey
    Henri Chammartin († 2011), Reiten
    Gustav Fischer († 1990), Reiten
    Markus Fuchs, Reiten
    Steve Guerdat, Reiten
    Paul Martin († 1987), Leichtathletik
    Bruno Risi, Rad
    Nicola Spirig, Triathlo
    Urs von Wartburg, Leichtathletik

* = in Peking dabei

Bis vor wenigen Tagen war Christine Stückelberger (74) noch gemeinsam mit Simon Ammann der Schweizer Sportstar mit den meisten Olympiateilnahmen. Doch nun überflügelt Simi in Peking die ehemalige Dressurreiterin.

Stückelbergers Pech war, dass die Schweiz die Olympischen Spiele 1980 in Moskau grösstenteils boykottierte. Deshalb ging die Titelverteidigerin von 1976 in der Sowjetunion nicht an den Start.

Die Schweizer Olympia-Rekordteilnehmer

  • 7 Teilnahmen
    Simon Ammann*, Skispringen
  • 6 Teilnahmen
    Christine Stückelberger, Reiten
  • 5 Teilnahmen
    Paul Accola, Ski alpi
    Andres Ambühl*, Eishockey
    Gaby Bühlmann, Schiessen
    Nicole Bullo*, Eishockey
    Henri Chammartin († 2011), Reiten
    Gustav Fischer († 1990), Reiten
    Markus Fuchs, Reiten
    Steve Guerdat, Reiten
    Paul Martin († 1987), Leichtathletik
    Bruno Risi, Rad
    Nicola Spirig, Triathlo
    Urs von Wartburg, Leichtathletik

* = in Peking dabei

Das erste Mal mit 16 Jahren

1998 darf der pausbäckige Junge aus Unterwasser SG erstmals an Olympia teilnehmen. «Es war unglaublich, mit 16 einfach so hineingeworfen zu werden. Das sind wirklich schöne, fast kindheitliche Erinnerungen», blickt er zurück. Zu der Zeit geht Ammann noch aufs Gymnasium. Heisst, die Hausaufgaben fliegen mit – Mathe und Englisch wird auch in Japan gepaukt, um 20 Uhr ist Bettruhe. Auch für Schödler sind es die ersten Spiele gewesen. «Ich hatte damals den Sonderjob, auf Simon aufzupassen, als junger Athlet, der erstmals in einen solchen Mega-Event reinkommt.»

Als Team haben sie viel unternommen und immer versucht, ihren Senkrechtstarter bestmöglich einzubinden. Damals haben sie bewusst in einem Hotel neben der Schanze geschlafen und nicht im olympischen Dorf. Sportlich läuft es aber noch nicht – Ammann landet weit ausserhalb der Top 30. Doch man mag darüber hinwegsehen. Die Vergleiche mit Peter Pan bleiben dennoch.

Simon Ammann bei Olympia

Nagano 1998

Normalschanze: 35. Grossschanze: 39. Teamspringen: 6.

Salt Lake City 2002

Normalschanze: Gold. Grossschanze: Gold. Teamspringen: 7.

Turin 2006

Normalschanze: 38. Grossschanze: 15. Teamspringen: 7.

Vancouver 2010

Normalschanze: Gold. Grossschanze: Gold.

Sotschi 2014

Normalschanze:17. Grossschanze: 23.

Pyeongchang 2018

Normalschanze: 11. Grossschanze: 13.

Peking 2022

Normalschanze: So, 6. Februar. Grossschanze: Sa, 12. Februar.

Nagano 1998

Normalschanze: 35. Grossschanze: 39. Teamspringen: 6.

Salt Lake City 2002

Normalschanze: Gold. Grossschanze: Gold. Teamspringen: 7.

Turin 2006

Normalschanze: 38. Grossschanze: 15. Teamspringen: 7.

Vancouver 2010

Normalschanze: Gold. Grossschanze: Gold.

Sotschi 2014

Normalschanze:17. Grossschanze: 23.

Pyeongchang 2018

Normalschanze: 11. Grossschanze: 13.

Peking 2022

Normalschanze: So, 6. Februar. Grossschanze: Sa, 12. Februar.

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Vier Jahre später macht Ammann – im Land der unbegrenzten Möglichkeiten – scheinbar Unmögliches möglich. Mit 20 Jahren deklassiert er die Skisprung-Elite um Sven Hannawald und Co und springt zu Doppel-Gold. «Wir haben davor nie daran geglaubt, dass wir diese Liga der aussergewöhnlichen Skispringer überhaupt knacken können», erinnert sich Ammann, «es gerade bei Olympia zu machen … da muss man nur den O-Ton hören, wo Sylvain, Andreas und ich im Auslauf waren. Das ist ergreifend.»

«Auf der Schanze hat es gerumpelt»

Vom ersten Sprung an habe es gepasst. Schödler: «Auf der Schanze hat es gerumpelt, sobald Simon die Ski angezogen hat. Er war bereit und bei jedem Sprung extrem fokussiert und überlegen aufgetreten.» Schon das Abstossen sei für den Trainer ein besonderer Moment gewesen. «Das ist nicht zu beschreiben, was dir durch den Kopf geht, wenn du als Trainer die Schanze freigibst und einfach merkst, dass es etwas Magisches ist.»

Von Peter Pan wird Ammann zum Harry Potter der Lüfte – angelehnt an seine damalige Brille. In der Schweiz bricht die «Simimania» aus, die Jubelbilder vom tanzenden Olympiasieger im silbernen Mantel gehen um die Welt. Simi ist mit seiner frischen, unbeschwerten Art und Sprüchen wie «Voll geil!» in aller Munde und tritt in TV-Shows wie «Wetten dass …?» und David Letterman auf.

Das «Meisterstück»

Dass er den Wahnsinn noch überbieten kann, war gewiss nicht zu erwarten. Doch 2010 reist der damals 29-Jährige als Führender des Gesamtweltcups mit breiter Brust nach Kanada. Ammann: «Das war der Profi-Moment, wo alles zusammenläuft. Es war eigentlich nicht mehr zu toppen. Es war ein Meisterstück, das jeder gute Athlet einmal in seiner Karriere abliefern möchte.» Als Doppel-Doppel-Olympiasieger geht er in die Geschichte ein. Noch kein Springer konnte vier Einzel-Medaillen holen.

Schödler ist zu dieser Zeit zwar nicht mehr Trainer der Schweiz, ist aber als russischer Coach in Vancouver dabei. Und er kommt noch heute aus dem Schwärmen nicht heraus: «Wie er die Schanze im Griff hatte, war überragend. Er hat in den Trainings, Probesprüngen und im Wettkampf eine Meisterklasse gezeigt. Sein Sprung-Level war absolut eindrücklich.»

Für Wirbel sorgt indes eine seiner Tüfteleien. Ein spezieller Bindungsstab bringt ihm Vorteile im Luftwiderstand und lässt der Konkurrenz keine Chance. Die Österreicher starten nach seinem ersten Sieg sogar den Versuch, die Bindung zu verbieten – ohne Erfolg. Schödler: «Er wäre wahrscheinlich auch ohne diese Bindung sehr dominant aufgetreten.»

«Ich kann es wieder an die Spitze schaffen»
2:15
Ammann zurück auf der Schanze:«Ich kann es wieder an die Spitze schaffen»

Auch schwierige Momente dabei

Nebst den grossen Erfolgen verlaufen die Spiele von 2006 (übler Sturz in der Qualifikation), 2014 und 2018 (jeweils ausserhalb der Top 10) enttäuschend. «Wenn man öfters bei Olympia teilnimmt, kommt das halt zusammen und so sind auch schwierigere Momente dabei», zieht Ammann Fazit.

Nach dem enttäuschenden Ergebnis von Sotschi wird der Toggenburger erstmals mit dem Karriereende konfrontiert. Der Fahnenträger bricht nach seinem letzten Sprung noch im Zielraum in Tränen aus. Die Rücktrittsdebatte wischt er einen Monat später vom Tisch. Doch sie kehrt jeden Winter wieder zurück.

Für Wehmut keinen Platz

So auch diesen Winter. Und wie üblich lässt sich Ammann nicht auf dieses Thema ein. An Olympia-Abschiedsschmerz ist nicht zu denken. «Ich lasse mir nicht viel Platz für Wehmut. Jetzt gibts Arbeit. Ich habe keine Zeit und keine Lust, mich damit zu beschäftigen.»

Schon Pyeongchang wurde als sein letzter olympischer Ritt gesehen. Doch auch nach zwei Dekaden liefert Ammann die Resultate, die seine Qualifikation rechtfertigen. Solange dies der Fall ist, wird Simi sich wohl noch nicht von seiner grossen Leidenschaft verabschieden.

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