Segler zeigen ihre America’s-Cup-Basis in Barcelona
Das neue Reich von Alinghi Red Bull ist ein Hochsicherheitstrakt

Mitten im Touristen-Hotspot: Im alten Hafen von Barcelona wich ein Kino der neuen Teambasis von Alinghi Red Bull Racing. Blick war bei der exklusiven Besichtigung dabei. Unter strengen Bedingungen, weil beim America's Cup vieles geheim gehalten wird.
Publiziert: 16.09.2023 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 16.09.2023 um 13:15 Uhr
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Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Der Baukran auf dem Gelände vermittelt ein falsches Bild. Hier ist keine Baustelle mehr. Die neue Teambasis von Alinghi Red Bull Racing für den America’s Cup im Herbst 2024 ist seit einigen Wochen in Betrieb. Die Schweizer Fahne flattert stolz im Wind.

Hier in Barcelona wird für rund 120 Millionen Franken das Rennboot designt, hier wird schon seit Monaten im künftigen Wettkampfwasser trainiert, hier wird an den Übungsbooten herumgeschraubt und getüftelt.

So prunkvoll sieht die neue Alinghi-Basis am Mittelmeer aus
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Schweizer Flagge in Barcelona:So prunkvoll ist die neue Alinghi-Basis am Mittelmeer

«Vorher waren wir ein paar Monate provisorisch an einem anderen Ort untergebracht, das war nicht ideal», sagt Segler Florian Trüb (29), «jetzt ist alles unter einem Dach, nun fühlen wir uns sehr wohl. Hier wird jeden Tag gearbeitet, mit einer Fünftagewoche gewinnst du im America’s Cup nichts.»

Die neue Heimat von Alinghi Red Bull Racing in Barcelona: Der America's-Cup-Herausforderer liess sich an prominenter Lage im alten Hafen nieder.
Foto: keystone-sda.ch
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Die Furcht vor Spionage ist allgegenwärtig

Ein Hochglanzpalast ist das neue Reich nicht. Und auch kein «Place to be» wie die Energie-Station, die Red Bull im Formel-1-Fahrerlager für seine Teams und Gäste jeweils hinstellt.

Das neue Hauptquartier mitten im Touristen-Hotspot des alten Hafens ist ein Hochsicherheitstrakt. Wer viele Millionen in ein fliegendes Hightech-Monster investiert, schützt seine teuren Geheimnisse.

Auch die Furcht vor Spionage durch gegnerische Teams ist allgegenwärtig. Draussen strömen täglich Tausende Touristen vorbei – bei Alinghi Red Bull gibts aber nichts zu sehen. Die Eingangstür wird von einem Securitymann bewacht. Auch im Gebäude öffnen viele Türen nur mit Badge, es haben nicht mal alle Teammitglieder für jeden Bereich eine Berechtigung.

Auch die Medien bleiben in diesem Fort Knox des Segelns draussen. Mit einer Ausnahme. Am Mittwoch, am Tag vor der ersten America’s-Cup-Vorregatta, bekommt eine Journalistenschar exklusiven Zutritt zum neuen Reich.

Alinghi Red Bull als spanischer Liebling?

Titelverteidiger Neuseeland wählte Barcelona als Austragungsort 2024, die Teams sind nun im alten Hafen an äusserst prominenter Stelle präsent. Doch interessiert sich die Stadt überhaupt für den America’s Cup? Ein spanischer Teilnehmer fehlt. Nun macht sich Alinghi Red Bull Racing Hoffnung, dass die Einheimischen das Genfer Syndikat als Heimteam betrachten. Weil die Schweizer letztes Jahr als Erste nach Barcelona zogen und mit Marcelino Botín ein Spanier Chefdesigner ist.

Ob man die Bevölkerung begeistern kann, zeigt sich erstmals am 21. September, wenn das Team einen Tag der offenen Tür inszeniert und allerlei Showelemente aus dem Red-Bull-Kosmos auffährt.

Immerhin ist der Cup an einem belebten Ort in der Stadt präsent, an dem sich schon bisher Einheimische und Touristen tummeln. Das war 2007 und 2010 in Valencia anders: Der America’s Cup sollte dem betreffenden Hafen-Teil neues Leben und ein neues Flair bringen. Doch der Segel-Mythos wurde damals kein Magnet für die Einheimischen. (md)

Titelverteidiger Neuseeland wählte Barcelona als Austragungsort 2024, die Teams sind nun im alten Hafen an äusserst prominenter Stelle präsent. Doch interessiert sich die Stadt überhaupt für den America’s Cup? Ein spanischer Teilnehmer fehlt. Nun macht sich Alinghi Red Bull Racing Hoffnung, dass die Einheimischen das Genfer Syndikat als Heimteam betrachten. Weil die Schweizer letztes Jahr als Erste nach Barcelona zogen und mit Marcelino Botín ein Spanier Chefdesigner ist.

Ob man die Bevölkerung begeistern kann, zeigt sich erstmals am 21. September, wenn das Team einen Tag der offenen Tür inszeniert und allerlei Showelemente aus dem Red-Bull-Kosmos auffährt.

Immerhin ist der Cup an einem belebten Ort in der Stadt präsent, an dem sich schon bisher Einheimische und Touristen tummeln. Das war 2007 und 2010 in Valencia anders: Der America’s Cup sollte dem betreffenden Hafen-Teil neues Leben und ein neues Flair bringen. Doch der Segel-Mythos wurde damals kein Magnet für die Einheimischen. (md)

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Aber unter strengen Auflagen. Fotos im Gebäude sind verboten, die Bilder für die Publikation bekommen Blick und die anderen Medien vom Team zur Verfügung gestellt. Natürlich sind die Sujets so gewählt, dass darauf kein Rivale ein heikles Detail aus den heiligen Alinghi-Hallen erspähen könnte.

In der Formel 1 des Wassers segelt der Argwohn eben immer mit. Denn noch arbeiten alle Teams an ihren Yachten für das grosse Rennen in einem Jahr. Im Fokus der Geheimniskrämerei stehen die «Foils», die Trageflächen, die das Boot mit bis zu 100 km/h übers Wasser rasen lassen. Wer in diesem Bereich einen technischen Geniestreich landet, fliegt womöglich allen Gegnern davon.

Was Alinghi Red Bull bei den Foils für 2024 plant, wissen selbst im Team selber nur wenige. Das Schweigen gehört zum America's Cup dazu wie der Wind. In der Basis gibts einzig in der Hospitality-Area mit der grossen Terrasse inklusive der Aussicht auf das künftige Renngelände keine Geheimnisse. Auf den Snacks prangt das Team-Logo. Die Kühlschränke sind mit allerlei Dosen gefüllt. Nur der Kaffee, das katalanische Mineralwasser und der gut sortierte Wein stammen nicht von den Bullen.

Zur Begrüssung zeigt Co-General-Manager Michel Hodara mit einem Zeitrafferfilm die Blitzentstehung der neuen Heimat. «Noch im März war hier eine leere Fläche», sagt der Romand. Davor stand an dieser Stelle ein Kino. Das wurde für die Genfer plattgemacht.

Fünf von sechs Teams im Port Vell angesiedelt

Der America’s Cup drückt Barcelona den Stempel auf. Es gibt am Hafen bereits eine prominent beworbene Ausstellung zum kommenden Mega-Sportevent. Und fünf Teams haben rund um den Port Vell ihre Basen aufgebaut, die Prachtstrasse La Rambla ist nur wenige Schritte entfernt. Nur die spät eingetrudelte Bewerbung der Franzosen muss mit einem Ort am wenig attraktiven Autofährenhafen vorliebnehmen.

Zurück zum Schweizer Team. Wo ein Kino war, schuften jetzt rund 120 Personen am grossen Traum, beim Comeback wieder wie 2003 und 2007 die älteste Sport-Trophäe der Welt nach Genf zu holen.

Segler Trüb führt Blick und Co. durch das dreistöckige Gebäude. Alles in der Basis ist auf nüchterne Funktionalität und möglichst viel Erfolg getrimmt. Auf den TV-Bildschirmen im Kraftraum mal während des Trainings ein Fussballspiel oder eine Velo-Etappe schauen? Fitnesscoach Alex Hopson sagt: «Wir schauen kein Fernsehen. Die Screens sind für die Datenanalyse oder um ein neues Programm zu zeigen.»

In der Kantine beim Essen noch die wunderbare Aussicht auf die Stadt geniessen? Geht nicht, da es hier nur kleine Fenster weit oben gibt. Brillieren soll hier nicht die Skyline, sondern die vom Essraum einsehbare Küche. Gerade wuseln drei Köche und eine Köchin herum. An diesem Tag steht der Crew als Hauptgang Fleischbällchen, Pouletschenkel, Kartoffeln, Broccoli-Pasta oder Quinoa-Risotto zur Auswahl. Der Cateringchef führt mehrere renommierte Restaurants in der Stadt. Für die Segler lässt er auf die Sportlerbedürfnisse abgestimmtes Essen kochen. Stichwort Powerfood.

Gleich nebenan im Kraftraum leeren die Segler ihre Energiespeicher wieder. Im Korridor rüber zum Gym steht die riesige Kartonschachtel eines Fernsehers herum. Noch ist im neuen Alinghi-Daheim nicht jedes Detail fertig eingerichtet.

Der Blick auf die Bildschirme der Designer ist tabu

Im Gym prangt ein englischer Motivationsspruch an der Wand, er lautet übersetzt: «Denke gross, denke unkonventionell, mache es mit voller Leidenschaft». Der Boden ist mit Gummimatten ausgelegt. Im angegliederten Räumchen arbeiten die Physios und eine Masseurin. Die schwerste Kurzhantel wiegt 50 Kilogramm, vor jedem Spinbike steht ein Ventilator. «Wir sind oft täglich zweimal hier», sagt Trüb. Trainer Hopson schildert, dass er im Kampf gegen die Monotonie das Programm ständig ändert.

Es geht eine Treppe runter in den Bürotrakt. Hier herrscht gedämpfte Stille. Das Design-Team arbeitet an den Computern, Tausende Details für das neue Hightech-Boot müssen konstruiert werden. Die Yacht wird zwar in Ecublens VD gebaut, doch die Denkarbeit passiert in Barcelona. «Das ist das geheime Stockwerk», sagt Trüb grinsend, meint es aber eigentlich ernst. Denn die Besucherschar erhält keinen genauen Blick auf die Bildschirme. Der Raum mit den Simulatoren bleibt ganz tabu.

Blick und Co. werden ins Pausenräumchen der Designabteilung geleitet. Bei der Sofaecke liegt ein Stapel Segelmagazine. Neben Dosengetränken und Kaffee stehen Schalen mit frischen Erdbeeren und Pfirsichen und sogar ein Nussspender bereit. Nüsse gelten als Hirnnahrung. Aurore Kerr ist einer der rund 50 schlauen Köpfe im Designteam. Sie schildert, dass in ihrem Arbeitsalltag die Partnerschaft mit der Technikfabrik von Red Bull Racing in England stark spürbar ist. Das Ingenieurwissen aus der Formel 1 hilft zum Beispiel in Sachen Aerodynamik oder beim Werkstoff Karbon auch beim Rennen um die prestigeträchtigste Segel-Krone mit.

Was im ersten Stock virtuell ausgeheckt wird, nimmt im Erdgeschoss Form an. Am Besuchstag steht auch das Garagentor der Segelmacherei offen. Trüb: «Sie haben sonst wegen der Klimaanlage fast immer das Tor unten.»

Der ganze Untergrund ist mit Segeln ausgelegt, in Regalen lagern zusammengerollt weitere. Die Nähmaschine eines Riesen ist im Boden eingebaut. Ein Hauptsegel fürs AC75-Rennboot wiegt 550 Kilogramm, es muss 15 Tonnen Druck aushalten und das Kunststück schaffen, stark genug zu sein, das 6,5-Tonnen-Boot aus dem Wasser zu heben, dann im Flugmodus aber möglichst wenig Luftwiderstand zu bieten.

Bei den kleinen Booten gibts keine Geheimnisse

In der mittleren Halle lagern die Masten. Nach jedem Einsatz werden diese überdimensionierten Zahnstocher aus Karbon auf Risse untersucht und wenn nötig geflickt. Trüb: «Diese Jungs arbeiten oft in der Nacht, damit am nächsten Morgen wieder alles einsatzfähig ist.»

Das Prunk- und Herzstück der Teambasis kommt beim Rundgang zum Schluss: die Boote. Wie in einem Hangar sind das von den Neuseeländern fürs Training abgekaufte AC75-Boot mit Jahrgang 2019 und eines der kleineren AC40 auf fahrbaren Untersätzen aufgebockt – die Foils sind gegen neugierige Blicke mit Tüchern verdeckt.

Die zweite AC40-Yacht ist gerade bei der Vorregatta im Einsatz. Diese Baby-Versionen der Rennmonster sind Einheitsmodelle für alle Teams, deshalb gibts keine AC40-Geheimnisse. Offenbar machen auch diese Baby-Yachten Freude: Am Whiteboard in der Ecke hat jemand in der Null von AC40 ein Smile-Gesicht reingekritzelt.

In den im Hangar integrierten Containerboxen mit den Werkstätten versuchen rund 20 Bootsbauer, jede noch so verrückt scheinende Idee der Designer herzustellen. «Ist die Idee zu verrückt, tue ich einfach so, als hätte ich den Auftrag vergessen», sagt Bootsbauer Dan Smith lachend.

Und dann steht auf dem Vorplatz Richtung Wasser ebendieser mit dem Teamlogo versehene Baukran. Er bleibt der Teambasis trotz fertigem Gebäude erhalten. Denn mit dem Kran werden die Masten zum Einbau angehoben und dann das ganze Boot ins Wasser gehievt. Wann er erstmals das Alinghi-Red-Bull-Rennboot für 2024 am Haken haben wird? Auch das bleibt natürlich geheim.

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