Die Taktik ging nicht immer auf
Das M-Wort-Verbot beim FCZ hat berühmte Vorbilder

Rolf Fringer 1993 bei Aarau. Marcel Koller 2000 bei St. Gallen. Lucien Favre 2006 beim FCZ. Sie alle spielten das Psychospiel der Underdogs meisterlich, nie über den Titel zu reden. So wie es jetzt Leader Zürich handhabt.
Publiziert: 27.02.2022 um 11:03 Uhr
Matthias Dubach

Selbst wenn Zürich am Sonntag den Klassiker gegen Basel gewinnen sollte: Beim FCZ wird weiterhin niemand öffentlich vom Meistertitel sprechen. Das M-Wort steht auf dem Index. Das tönt dann bei Trainer André Breitenreiter so: «Wir nehmen Spiel für Spiel!»

Es ist ein Psychospiel, um den Druck fernzuhalten. Denn dieser soll bei YB und Basel bleiben, die Liga-Giganten müssten den Titel schon vom höheren Budget her gewinnen, wie Breitenreiter gerne erwähnt.

Der Blick zurück zeigt: Mit seiner Index-Taktik ist der FCZ nicht alleine. Es ist das klassische Rezept für Underdogs. Als etwa 1993 Aarau oder 2000 St. Gallen sensationell Meister werden, werden zuvor weder im Brügglifeld noch im Espenmoos grosse Meister-Töne gespuckt.

10 Punkte Vorsprung: Aber FCZ-Trainer André Breitenreiter (l.) und Sportchef Marinko Jurendic vermeiden stets eine Titel-Ansage.
Foto: Sven Thomann
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Beim FCA ist bereits die Finalrunden-Quali ein Erfolg. Der damalige Aarau-Trainer und heutige Blue-Experte Rolf Fringer zu SonntagsBlick: «Als wir ein paar Runden vor Schluss den Uefa-Cup-Platz auf sicher hatten, haben wir intern gesagt: Jetzt wollen wir mehr. Aber nach aussen sind wir cool geblieben.» Man habe trotz der guten Tabellenlage nicht plötzlich als kleiner FC Aarau forsch vom Titel reden wollen.

Bei St. Gallen nervts die Spieler

Doch der Coup gelingt. Und Fringer sieht heute durchaus Parallelen zwischen Aarau 1993 und Zürich 2022. «Wenn du der Mannschaft glaubwürdig erklären kannst, dass man jeden Gegner schlagen kann, wenn alles passt, dann kann man tatsächlich über sich hinauswachsen. Aber das sagt man nicht öffentlich.» Beim FCA sei auch der Teamgeist wie jetzt bei Zürich aussergewöhnlich gut gewesen.

Ebenso 2000 bei den Espen. St. Gallen wird Meister, ohne dass jemand jemals klar vom Titel spricht. Trainer Marcel Koller bleibt bis zuletzt bei seiner Ansage, man wolle nur einen Europacup-Rang erreichen. Das Tabu nervt am Ende auch die Spieler, vor dem ersten Titel-Matchball sagt Giuseppe Mazzarelli im Blick: «Wir gewinnen gegen Basel, damit der ganze Zauber endlich vorbei ist!»

Achtung, FCB: Zürich ist Nachspielzeitkönig

Basel hats im ersten Saisonduell im Letzigrund schon hautnah miterlebt. Ende Oktober erzielt FCZ-Star Assan Ceesay erzielt in der 95. Minute noch das 3:3. Kein Zufall! Der Leader ist Nachspielzeitkönig.

In einer Super-League-Tabelle ohne Nachspielzeit wäre der Zürcher Vorsprung in der Tabelle nur halb so gross: Fünf statt zehn Punkte. «Das zeichnet uns aus, wir glauben bis zuletzt daran», sagt André Breitenreiter.

Aber es sind nicht nur die (bisher drei) Last-Minute-Tore, die Zürich auszeichnet. Als einziges Team hat der Leader in der Nachspielzeit noch kein Gegentor bekommen. Nur St. Gallen kann mit gar fünf Nachspieltoren (aber zwei kassierten) mit dem FCZ mithalten.

Tabelle Nachspielzeit

1. St. Gallen 5:2 (Tore) 22/28 (Spiele/Punkte)

2. Zürich 3:0 22/28

3. Sion 4:3 22/26

4. YB 3:3 22/25

5. Basel 3:3 22/24

6. Lugano 3:3 22/24

7. Luzern 2:3 22/23

8. GC 2:3 22/23

9. Servette 1:2 22/22

10. Lausanne 1:5 22/19

Quelle: Transfermarkt.ch

Basel hats im ersten Saisonduell im Letzigrund schon hautnah miterlebt. Ende Oktober erzielt FCZ-Star Assan Ceesay erzielt in der 95. Minute noch das 3:3. Kein Zufall! Der Leader ist Nachspielzeitkönig.

In einer Super-League-Tabelle ohne Nachspielzeit wäre der Zürcher Vorsprung in der Tabelle nur halb so gross: Fünf statt zehn Punkte. «Das zeichnet uns aus, wir glauben bis zuletzt daran», sagt André Breitenreiter.

Aber es sind nicht nur die (bisher drei) Last-Minute-Tore, die Zürich auszeichnet. Als einziges Team hat der Leader in der Nachspielzeit noch kein Gegentor bekommen. Nur St. Gallen kann mit gar fünf Nachspieltoren (aber zwei kassierten) mit dem FCZ mithalten.

Tabelle Nachspielzeit

1. St. Gallen 5:2 (Tore) 22/28 (Spiele/Punkte)

2. Zürich 3:0 22/28

3. Sion 4:3 22/26

4. YB 3:3 22/25

5. Basel 3:3 22/24

6. Lugano 3:3 22/24

7. Luzern 2:3 22/23

8. GC 2:3 22/23

9. Servette 1:2 22/22

10. Lausanne 1:5 22/19

Quelle: Transfermarkt.ch

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Und wie war es 2006, als der FCZ unter Lucien Favre als Aussenseiter triumphiert? Der spätere Bundesliga-Coach legt schon in Zürich seine später zu Dortmund-Zeiten vieldiskutierte Scheu an den Tag, das Saisonziel klar zu formulieren. Ein Favre-Bonmot aus der Saison 2005/06: «Basel ist eine andere Welt. Es ist nicht möglich, über 36 Runden mitzuhalten.»

GC scheitert mit der Underdog-Taktik

Klar: Damals ist Zürich der Jäger, nicht wie heute der Gejagte. Deshalb sagt Favre zwei Runden vor Schluss, als es nichts mehr zu verlieren gibt, plötzlich zackig: «Wir wollen Basel noch abfangen und Meister werden.» Das denkwürdige Ende in der 93. Minute im Joggeli ist bekannt.

Doch das Schweigegelübde ist keine Erfolgsgarantie. Es ist die Saison 2012/13, als GC als Aussenseiter zeitweise vier Punkte vor Krösus Basel liegt. Aber Trainer Uli Forte umdribbelt stets das M-Wort. Erst vor der zweitletzten Runde sagt er klipp und klar: «Ja, wir wollen Meister werden!» Doch der Titel geht an Basel.

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Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Lugano
FC Lugano
6
4
13
2
Servette FC
Servette FC
6
-3
12
3
FC Zürich
FC Zürich
5
6
11
4
FC Luzern
FC Luzern
6
4
11
5
FC Basel
FC Basel
6
9
10
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
5
5
10
7
FC Sion
FC Sion
6
4
10
8
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
6
-4
5
9
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
6
-4
4
10
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
6
-7
4
11
FC Winterthur
FC Winterthur
6
-7
4
12
BSC Young Boys
BSC Young Boys
6
-7
3
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