Reporter Roger Benoit über eine verrückte GP-Saison innert 245 Tagen
Boom, Schrott, Betrug und Tränen

Formel-1-Experte Roger Benoit rückt ins Rampenlicht, was in der GP-Saison für Schlagzeilen, Furore oder Kopfschütteln gesorgt hat.
Publiziert: 22.11.2022 um 20:04 Uhr
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Aktualisiert: 23.11.2022 um 08:55 Uhr
So schlimm war der Zhou-Crash tatsächlich
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Roger BenoitFormel-1-Experte

Crash des Jahres

Zhou in Silverstone – Millionen hielten den Atem an, als der Chinese Guanyu Zhou (23) kurz nach dem Start von Russell angerempelt wurde. Der einzige Rookie im Feld überschlug sich mit dem Alfa-Sauber und flog über die Begrenzung. Das Auto blieb zwischen den Drahtzäunen und Leitplanken horizontal stecken. Das Wunder: Kein Feuer, keine Verletzungen. Dafür gab es eine Untersuchung der FIA: Der Überrollbügel war gebrochen.

Foto: DUKAS

Unwort des Jahres

Budget-Obergrenze – Sie war jahrelang umstritten. Dann wurde sie 2021 dennoch eingeführt: Die Budget-Obergrenze. Drastische Strafen wurden angedroht, wenn ein Team den Budgetdeckel von 148,6 Millionen Dollar sprengen sollte. Red Bull tat dies um rund zwei Millionen Dollar und wurde gnädig behandelt: 7 Mio. Strafe und zehn Prozent weniger Windkanalzeit. Die Gegner tobten: «Viel zu milde!»

Freistellung des Jahres

Mick Schumacher – Mit zwölf WM-Punkten in 43 Rennen und sieben grossen Unfällen konnte der Weltmeister-Sohn die Erwartungen von Haas-Ferrari nicht erfüllen. Zudem wurden das US-Team und Chef Steiner in den deutschen Medien und am TV ständig angegriffen. Als «Kompromiss» gabs als Nachfolger einen Landsmann: Nico Hülkenberg (35). Und Schumi? Der hofft auf das dritte Cockpit von Mercedes.

Foto: IMAGO/Motorsport Images

Die Tränen des Jahres

Didi Mateschitz – Der 22. Oktober war für die ganze Formel 1 und den Sport ein trauriger Tag. In Salzburg starb Red-Bull-Mitbesitzer Didi Mateschitz im Alter von 78 Jahren an Krebs. Er war ein Pionier, unterstützte weltweit Klubs, Hunderte von Athleten und Events der verrücktesten Sportarten. Mateschitz, mit über 25 Milliarden Euro der reichste Österreicher, hasste Krawatten und vor allem öffentliche Auftritte.

Foto: Corbis via Getty Images

Die Explosion des Jahres

Jeddah – Schon vergessen? Beim zweiten Auftritt des geldgierigen Formel-1-Zirkus in Saudi-Arabien schlug während des ersten Trainings keine zehn Kilometer von der Strecke entfernt eine Rakete in ein Tanklager. Man wollte das Rennen in Jeddah absagen, aber am Ende (und nach viel Druck der FIA und FOM) stimmten die Fahrer dem GP zu. Nun, der Ölkonzern Aramco ist einer der Hauptsponsoren der Formel 1.

Foto: Lukas Gorys

Comeback des Jahres

Kevin Magnussen – Als sich Haas kurz vor Saisonbeginn vom russischen Geldgeber Uralkali trennte, musste auch Pilot und Milliardärssohn Nikita Mazepin gehen. Man holte den Dänen Kevin Magnussen zurück, den man Ende 2020 entlassen hatte! Der Blondschopf flog zu den Tests nach Bahrain, fuhr gleich Tagesbestzeit und beendete dort das Auftaktrennen auf Platz 5. Es sollte 2022 das beste Resultat des US-Teams bleiben.

Der Aussteiger des Jahres

Sebastian Vettel – Er war ein Superstar, gewann vier WM-Titel (2010 bis 2013 auf Red-Bull-Renault). Er siegte 53 Mal, 14 Mal davon für Ferrari. Der Deutsche aus dem Kanton Thurgau, genoss bei allen Fahrerkollegen viel Respekt. Vettel ging nach 299 Rennen. Den exklusiven 300er-Klub verpasste er wegen zwei Corona-Pausen! Vettel unter Tränen: «Die Leute sollen sich nicht nur an meine Erfolge erinnern. Sondern, dass ich stets freundlich, wachsam, offen und eben ich selber war!»

Foto: IMAGO/Motorsport Images

Das Gerücht des Jahres

Ferrari-Wechsel – Es wurde schon seit Monaten gemunkelt, dass Mattia Binotto (53) das Jahr als Ferrari-Chef nicht überleben wird. Und nach Brasilien verkündete die «Gazzetta dello Sport» das Ende nach sechs Jahren für den Mann mit dem Übernamen «Harry Potter». Mit Fred Vasseur (54) von Alfa-Sauber wurde gleich sein Nachfolger ins Spiel gebracht. Doch der Franzose will in Hinwil bleiben! Bei Ferrari hätte er nur Druck gespürt.

Foto: Getty Images

Der letzte Mann des Jahres

Logan Sargeant – Gott sei Dank. Der US-Pilot Logan Sargeant (21) hat beim Formel-2-Finale in Abu Dhabi als Gesamtvierter die letzten Punkte für die nötige GP-Superlizenz zusammengekratzt. Damit bekommt er von Williams für 2023 den Latifi-Sitz. Die FIA sollte den Unsinn mit dieser Lizenz abstellen, weil zum Beispiel die Resultate der Indy-Car-Serie schlechter behandelt werden. Und: 2023 gibt es drei Formel-1-Rennen in den USA.

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Strafenkönig des Jahres

Pierre Gasly – Wer sich in der Formel 1 auf der Strecke schlecht benimmt, kassiert von der FIA Strafpunkte. Wer innerhalb eines Kalenderjahres zwölf Punkte auf seinem Konto hat, muss ein Rennen zuschauen! Das droht jetzt dem wilden Franzosen Pierre Gasly: Er darf sich bis Imola 2023 keine zwei Punkte mehr leisten, also in den nächsten sechs Rennen. Erst dann werden ihm zwei Punkte wieder gestrichen.

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Der Fahrer des Jahres

Max Verstappen – Wer 15 von 22 Rennen in der Saison für sich entscheidet, bekommt natürlich diesen Titel – auch wenn der Red-Bull-Honda (wie früher Mercedes) Siege etwas leichter machte. Ob der Fahrer des Jahres auch der populärste Mann 2022 war, überlassen wir den Fans. Auch wenn Hamilton erstmals in seiner Karriere sieglos blieb, begeisterte er mit seinem unermüdlichen Kampfgeist (neunmal auf dem Podest) und seiner Loyalität: 200 Rennen fürs Mercedes-Werksteam!

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Der Unverwüstliche des Jahres

Fernando Alonso – Man kann den exzentrischen Spanier mögen oder nicht. Aber eines kann man Alonso nicht absprechen: Seine grosse Liebe zum Sport. «Ich habe ja nichts anderes im Leben!». Na ja, er fand mit Andrea Schlager, Moderatorin bei Servus TV, eine neue Liebe. Und ein neues Team: Aston Martin. Dort will der Doppel-Weltmeister von 2005/2006 mindestens bis 2024 fahren. Dann ist er 43 Jahre und über 400 Rennen alt (jetzt 356). Die Frage: Schafft er auch 100 Podestplätze (jetzt 98)?

Foto: IMAGO/Motorsport Images

Die Scheidung des Jahres

Porsche/Red Bull – Eigentlich war monatelang klar, dass sich Porsche mit Red Bull ab 2026 mit dem neuen Motorenreglement ins Formel-1-Bett legen würden. Der offizielle «Ehe-Vollzug» war für August vorgesehen. Dann der Knall. Die Bullen wollten sich von den plötzlich gierigen Deutschen nicht umerziehen lassen und Teile des Teams verkaufen. Na ja, worüber sprach man wohl bei den langen Verhandlungen? Fix dagegen: Audi übernimmt Sauber.

Der Boom des Jahres

Formel 1 – 2017 hat Liberty Media den Formel-1-Laden auf verschiedenen Wegen für acht Milliarden Dollar gekauft. Das Ziel: Man wollte an die Börse und dann das grosse Geschäft mit einem schnellen Wiederverkauf machen. Doch jetzt boomt der Laden weltweit. Die Aktie, die einst mit dem Kurs von 20 Dollar startete, ist jetzt fast 60 Dollar wert. Die meisten Rennen sind ausverkauft. Und für die Nachtshow in Las Vegas 2023 gingen die sündhaft teuren Tickets innert 21 Minuten weg!

Die Premiere des Jahres

George Russell – Vor fünf Jahren kündigte Niki Lauda gegenüber Blick an: «Russell wird der nächste Weltmeister auf Mercedes!» Nach drei harten Wartejahren bei Williams hat der 24-jährige Brite in Brasilien den ersten Schritt gemacht. Nach dem Sprintsieg kam im Mercedes gleich der erste GP-Triumph – als 113. Fahrer der Geschichte! Dieses Jahr feierte schon ein Pilot den ersten Erfolg: Carlos Sainz (Ferrari) in Silverstone.

Foto: Getty Images

Die Wundertüte des Jahres

Alfa-Sauber – Erstmals seit zehn Jahren schaffte es das Team aus Hinwil (nur Ferrari, McLaren und Williams sind älter) auf den 6. WM-Platz. Das verdankt die Vasseur-Truppe den ersten neun Rennen, in denen Bottas und Zhou gleich 51 Punkte eroberten. Nachher noch vier Zähler in 13 Rennen. In Abu Dhabi, wo Bottas seinen 200. GP fuhr, rettete man sich bei 55:55 im Duell mit Aston Martin wegen eines 5. Platzes in Imola. Doch Vasseur trompetete: «Heute ist die Krönung einer unglaublichen Saison!» Auch da kommen die Tränen hoch.

Foto: Lukas Gorys

Der Wunsch des Jahres

Mick Schumacher – Die ganze zweite Saison stand Mick Schumacher unter dem medialen Druck. Und der Deutsche vom Genfersee konnte damit schlecht umgehen. Da kamen kaum vernünftige Sätze über seine Lippen. Nur einmal lernte man 2022 den wahren netten Jungen kennen. In der Schumi-Doku auf Netflix sagte er: «Ich würde alles geben, wenn ich noch einmal mit meinem Vater reden könnte!»

Foto: IMAGO/Motorsport Images
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