Alex Smith (36) hat in seinem Football-Leben viel gesehen: Der Quarterback wird vor 15 Jahren an erster Stelle von den San Francisco 49ers gedraftet, gilt danach als Mega-Flop, weil er kein Superstar wurde. 2012 verpasst er mit seinem Team knapp den Einzug in den Super Bowl, geht später nach Kansas City, wechselt nach Washington. Überall gilt er als solider Arbeiter, als anständiger Kerl – aber auch als Spieler, für den der grosse Wurf unerreichbar bleiben wird.
Doch dieser Alex Smith hat nun das Sport-Märchen des Jahres geschrieben – mindestens.
Als sich am Sonntagabend im Spiel zwischen Washington und den Los Angeles Rams Washington-Quarterback Kyle Allen verletzt, schlägt Smith' Stunde: Er wird für den angeschlagenen Kollegen eingewechselt und schreibt eines der verrücktesten Kapitel der Football-Geschichte.
Denn Smith könnte tot sein. Es passiert vor 693 Tagen: Im Spiel gegen die Houston Texans wird der Quarterback von den Gegenspielern Kareem Jackson und J. J. Watt zu Boden gebracht. Was zuerst wie ein normaler Spielzug aussieht, entpuppt sich als Horror-Verletzung – Smith rechte Wade steht in unnatürlichem Winkel ab, Schien- und Wadenbein sind gebrochen.
Smith insgesamt 17 Mal operiert
Doch es kommt noch schlimmer. Nach einer ersten Operation erholt sich das Bein nicht. Sogenannte fleischfressende Bakterien dringen in seine Haut ein. Das Gewebe stirbt ab, «nekrotisierende Fasziitis» nennt sich das in der Fachsprache. «Alex hat Bakterien, die quasi sein Bein auffressen, dazu eine Blutvergiftung. Er liegt im Sterben», sagt Smith' Ehefrau Elizabeth dem Sender ESPN in einem Interview, das später in einer Dokumentation erscheinen wird. Erschütternde Bilder zeigen sein Bein, das nur noch aus Knochen und Blut zu bestehen scheint.
Es geht längst nicht mehr darum, ob Smith je wieder Football spielen kann, sondern darum, ob er überlebt. Insgesamt 17 Mal wird er operiert, knapp nur entgeht der 36-Jährige einer Unterschenkelamputation.
Aber er hat Glück, kann sein Bein behalten. Monatelang trägt er eine Metallschiene am rechten Bein. Smith kann wieder gehen. Aber er will noch mehr: Er will zurück aufs Spielfeld. Wie ein Besessener schuftet er an seinem Comeback.
Am Sonntag schafft er das schier Unmögliche: Als er kurz vor der Pause vor den Augen von Ehefrau Elizabeth und seiner drei Kinder ins Spiel kommt, bleibt kaum ein Auge trocken. Zwar kann er sein Team gegen Los Angeles nicht zum Sieg führen. Aber das interessiert an diesem Abend in Washington kaum jemanden. (eg)
