Deshalb lassen sich immer mehr Jugendliche zu Landwirten ausbilden
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Über 3700 pro Jahr:Deshalb machen immer mehr Junge die Landwirt-Lehre

Drei Jungbauern erklären, warum sie ihren Beruf trotzdem lieben
«Kürzlich hat mich ein Spaziergänger blöd angemacht»

Die Arbeit von Bauern wird oft kritisiert. Warum das nicht fair ist und was den Beruf des Landwirts attraktiv macht, erzählen uns Benjamin Ramseier, Ursina Keller und Livio Rupp.
Publiziert: 30.10.2021 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 31.10.2021 um 16:29 Uhr

Landwirtschaftslehrling Livio Rupp (16) aus Wädenswil ZH

«Um fünf Uhr morgens geht bei mir der Wecker. Eine Viertelstunde später stehe ich im Stall. Meistens arbeiten wir bis 18.30 Uhr. Auch am Wochenende bleibe ich nicht einfach im Bett liegen – die Kühe müssen jeden Tag gemolken werden. Manchmal bin ich schon etwas neidisch auf meine Freunde, die weniger arbeiten, einen besseren Lohn haben und jedes Wochenende in den Ausgang gehen. Aber ein anderer Beruf käme für mich nicht infrage. Das Bauern ist meine Leidenschaft. Schon als Kind mussten meine Eltern mit mir bei jedem Hof stoppen – Maschinen und Tiere machten mir schon immer Freude. Man muss das aber schon wollen. Meine Motivation ist, dass ich etwas erreichen möchte im Leben. Ich will dafür sorgen, dass die Menschen in der Schweiz gut versorgt sind und wir nicht alles importieren müssen.

Später möchte ich mal in der Pouletmast oder mit Legehennen arbeiten. Ich mache mir nicht so viele Gedanken darüber, ob ich mal einen Hof zum Übernehmen finde. Wenn ich wirklich will, werde ich etwas finden.

Manche Leute haben das Gefühl, dass wir Bauern alles falsch machen – auch wenn sie selbst noch nie auf einem Betrieb gearbeitet haben. Erst kürzlich hat mich ein Spaziergänger blöd angemacht, während ich am Chrampfen war. Da hat es mir den Deckel schon fast glüpft.

Manchmal fehlt mir die Wertschätzung. Viel schlimmer sind aber die zu tiefen Preise, die wir für unsere Produkte bekommen. Es ist nicht korrekt, dass die grossen Verarbeiter sich eine goldene Nase verdienen, während die Bauern so hart arbeiten.»

Ursina Keller (37), Bio-Landwirtin aus Frasnacht TG

«Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, habe danach aber Floristin gelernt. Später habe ich mit Behinderten gearbeitet und eine Ausbildung zur Arbeitsagogin gemacht.

Dass ich den Hof meiner Eltern übernehmen würde, war ursprünglich nicht geplant; aber als sich vor vier Jahren kein Pächter fand, habe ich umdisponiert. Jetzt schauen mein Mann und ich, dass der Betrieb so läuft, wie wir’s gerne hätten.

Wir haben ein paar Sachen geändert, zum Beispiel haben wir die muttergestützte Kälberhaltung eingeführt. Die Kälbchen dürfen also zwei Mal am Tag bei ihrer Mutter oder einer Amme Milch trinken und werden nicht wie sonst in Iglus gehalten.

Mir ist zudem wichtig, die Menschen für die Landwirtschaft zu sensibilisieren. Mein Eindruck ist, dass viel Grundwissen und Anstand verloren gegangen sind.

Viele schauen unsere Wiesen als öffentliche Fläche an und lassen Hundekot oder Aludosen liegen. Das hat zum Teil schlimme Folgen; einmal mussten wir eine Kuh deswegen notschlachten. Auch wenn sich, wie im vergangenen Sommer, eine Familie mit ihren Kindern ins hohe Gras zum Spielen setzt, verschmutzt dies das Futter unserer Kühe. Als mein Mann die Mutter freundlich darauf hingewiesen hat, reagierte sie eingeschnappt.

Dass es ein solches Verhalten gibt, finde ich schade. Trotzdem ist das Bauern für mich etwas vom Schönsten: Man hat die Freiheit, sich selber zu organisieren, arbeitet mit der Natur und kann immer wieder etwas Neues ausprobieren.»

Landwirt Benjamin Ramseier (29) aus Süderen BE

«Die Skepsis gegenüber der Landwirtschaft, die während der Kampagne zur Trinkwasser-Initiative zum Ausdruck kam, hat viele Bauern getroffen.

Die Konsumenten können nicht nur am Abstimmungssonntag entscheiden, welche Landwirtschaft sie wollen, sondern jeden Tag beim Einkauf. Darum stört es mich etwas, wenn die Leute hohe Standards beim Tierwohl verlangen, im Laden aber ein Billig-Poulet kaufen. Ähnlich ist es beim Pflanzenschutz. Da sehen die Leute eine grosse Maschine und denken, jetzt spritzt der schon wieder! Dabei setzen wir die Mittel sehr dosiert ein. Kommt hinzu, dass wir den Salat gar nicht verkaufen können, wenn er zum Beispiel Läuse hat.

Manche sind sich wohl gar nicht bewusst, wie viel sich in der Landwirtschaft in den letzten Jahren getan hat. Zum Beispiel haben wir den Einsatz von Antibiotika um 50 Prozent reduziert, dafür setzt man vermehrt auf Homöopathie. Oder beim Palmöl: Dessen Einsatz wurde in der Landwirtschaft verboten, während es in Nutella weiterhin erlaubt ist. Da misst man mit zweierlei Ellen.

Dennoch habe ich den Eindruck, dass die Schweizer Bevölkerung die Bauern grundsätzlich unterstützt. Wie gross die Dankbarkeit gegenüber den Landwirten ist, zeigte sich auch während der Corona-Pandemie.

Ich finde, die Stimmung unter den Bauern ist gut; es ist auch ein toller Beruf: Wir können mit der Natur und den Tieren arbeiten. Wenn ein Kalb zur Welt kommt, ist das etwas vom Schönsten. Mein Vater und ich feiern das jeweils mit einem Schnaps.»

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