Ruhestörung aus der Luft – der Flughafen Zürich erklärt
Immer mehr Flüge trotz Nachtflugsperre – wie kann das sein?

Obwohl es noch immer weniger Starts und Landungen gibt als vor der Pandemie, lag die Zahl der Flugbewegungen während der Nachtflugsperre bereits Ende Oktober 2023 höher als 2019. Der Flughafen Zürich erklärt.
Publiziert: 10.12.2023 um 02:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.12.2023 um 10:23 Uhr
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Erika UnternährerRedaktorin

Bis Ende Oktober starteten und landeten 2023 am Flughafen Zürich 248 Grossflugzeuge zwischen 23.30 und 6 Uhr. Allein im Juli gab es 88 Flugbewegungen während dieser Zeit. Rekordtag war der 15. Juli: Wegen schlechter Wetterverhältnisse wurden zwischen 23.31 und 23.57 Uhr auf den Pisten 32 und 34 nicht weniger als 15 Flüge abgewickelt. 

Laut Nachtflugordnung gilt in Zürich eine Sperre von 23 bis 6 Uhr; bis 23.30 Uhr dürfen Flüge zwecks Verspätungsabbau aber ohne besondere Bewilligung starten oder landen.

Mehr Ausnahmebewilligungen als 2019

Vor zehn Jahren wurden in Kloten – hochgerechnet auf 10'000 Bewegungen – rund sieben Flüge mit einer Ausnahmebewilligung zwischen 23.30 und 6 Uhr abgewickelt. Im Corona-Jahr 2020 sank dieser Wert auf etwa vier Ausnahmebewilligungen pro 10'000 Flugbewegungen. Allerdings starteten oder landeten in Zürich 2013 rund zweieinhalb Mal so viele Maschinen wie 2020. 

Am Flughafen Zürich gilt zwischen 23 und 6 Uhr eine Nachtflugsperre.
Foto: Keystone
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Obwohl sich der Flugverkehr noch nicht komplett von der Pandemie erholt hat – es fliegen noch immer weniger Maschinen als 2019 –, macht ein Blick auf die Statistik klar: Bereits im vergangenen Jahr wurden verhältnismässig mehr Ausnahmebewilligungen erteilt als 2019. So starteten oder landeten 2022 rechnerisch neun von 10'000 Grossflugzeugen zwischen 23.30 und 6 Uhr, 2019 waren es acht von 10'000. 

In diesem Jahr zeigt sich ein ähnlicher Trend: Stand Ende Oktober erhielten rund zwölf von 10'000 Flugzeugen eine entsprechende Ausnahmebewilligung.

Bürger stossen sich an den Ausnahmen

Zugenommen hat auch die Zahl der Bewegungen von Grossflugzeugen zwischen 23 und 23.30 Uhr. Vor zehn Jahren verspäteten sich von 10'000 Flügen rund 77, im Jahr 2019 waren es etwa 99, ebenso viele wie 2022. 

Bürgerorganisationen nehmen an diesem Zustand schon seit längerem Anstoss. Mit einer Volksinitiative fordern sie die Durchsetzung einer strikteren Nachtruhe am Flughafen Zürich. Die Unterschriftensammlung hat im Oktober begonnen; im April 2024 soll sie abgeschlossen sein. 

Regulierung des Flugverkehrs sorgt für Stau

Die Flughafen Zürich AG räumt ein, dass sich die Zahl der nächtlichen Flüge in den Sommermonaten nicht im gewollten Rahmen bewegt hat. Jasmin Bodmer-Breu, Flughafensprecherin, erklärt die Zunahme von Verspätungen und bewilligungspflichtigen Flügen unter anderem mit fehlendem Personal: «Sowohl in der Schweiz als auch in den restlichen Ländern Europas wurden während der Corona-Pandemie viele Stellen abgebaut. Als die Passagiere nach Corona wieder fliegen wollten, konnten viele Luftfahrtfirmen wegen Arbeitskräftemangel ihr Personal nicht so schnell wieder aufstocken.»

Ein weiterer Grund sei der Krieg in der Ukraine: «Westliche Fluggesellschaften dürfen nicht mehr über Russland fliegen, weshalb sich um Russland dichtere Flugströme bilden», sagt Bodmer-Breu. 

Die Folge: Durch Regulierung des Flugverkehrs werden Maschinen vor dem Start zurückgehalten und damit zu Verspätungen gezwungen. 

Nicht zu vernachlässigen sei auch das Wetter: «Vor allem im Sommer gab es viele Gewitter, die den planmässigen Ablauf verhinderten», sagt die Flughafensprecherin.

Lösungen sind in Planung

Der vom Fluglärm geplagten Bevölkerung dürften diese Gründe aber wenig helfen – zumal die Dauer des Kriegs nicht beeinflussbar ist – ebenso wenig wie sich beispielsweise das Klima von heute auf morgen verändern lässt. 

Was also gedenkt der Flughafen Zürich kurz- bis mittelfristig gegen Verspätungen und Nachtflüge zu unternehmen? Wie Bodmer-Breu erklärt, sei dazu neben zusätzlichem Personal auch eine Optimierung der Abläufe notwendig. Der Flughafen Zürich prüfe dafür diverse Massnahmen, unter anderem den Einsatz von Kameras rund um die Standplätze der Flugzeuge: «So hat jede Organisation, die bei der Flugzeugabfertigung mithilft, in der Zentrale die Übersicht über den Prozess.» 

Längerfristig hofft die Flughafen Zürich AG auf eine Verlängerung der Pisten 28 und 32. Bodmer-Breu: «Wenn die beiden kürzeren Pisten verlängert werden können, müssen weniger grosse Flugzeuge auf andere Pisten umgeleitet werden. Der Betrieb wird dadurch stabiler und pünktlicher. Zudem wird die Sicherheitsmarge erhöht.» 

Mit 87 zu 83 Stimmen befürwortete im August eine knappe Mehrheit aus Kantonsratsmitgliedern der SVP, FDP, EDU, Mitte und EVP eine Pistenverlängerung. SP, Grüne, AL und GLP hingegen befürchteten in ihren Voten, dass ein Ausbau der Pisten zu mehr Flügen führt. 

Die Linke ergriff das Referendum, im März kommt das Geschäft an die Urne. 

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