Mordfall Boppelsen ZH vor dem Obergericht
Nur der Haupttäter beantwortet die Fragen der Richter

Wegen eines zweifachen Mordes mit Klebeband müssen sich heute Dienstag ein Paar aus Utzigen (BE) und ein Garagist aus Recherswil SO vor dem Zürcher Obergericht verantworten. Ehefrau und Komplize schweigen zu den Vorwürfen.
Publiziert: 08.06.2021 um 13:24 Uhr
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Aktualisiert: 08.06.2021 um 20:29 Uhr
Das Killerpaar vom Mordfall Boppelsen ZH muss sich vor Gericht verantworten.
Foto: zVg
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Beat Michel und Anastasia Mamonova

Der Mordfall Boppelsen ZH geht in die nächste Runde. Sowohl Verteidigung als auch Staatsanwältin haben die Urteile weitergezogen. Der Prozess am Zürcher Obergericht beginnt mit Verzögerungen, weil der Haupttäter Reto D.* (31) aus Utzigen BE vor ein paar Tagen ins Spital eingeliefert werden musste. Er kann erst mit zwei Stunden Verspätung zum Obergericht transportiert werden.

Pünktlich in Zürich sind die beiden Komplizen, seine Noch-Ehefrau Sonja D.* (31) und der Garagist Loris O.* (38) aus dem Kanton Solothurn.

Opfer erstickten qualvoll

Die beiden Morde liegen bereits fünf Jahre zurück. Im Frühjahr 2016 hat das brutale Trio zwei Menschen auf eine qualvolle Weise umgebracht. Den gefesselten Opfern wurde Mund und Nase mit Klebeband zugeklebt. Sie erstickten.

Beim ersten Mal wollten sie 40'000 Franken eintreiben. Das Opfer – der Serbe Dragan A. – soll Reto D. Geld und Drogen geschuldet haben. Beim zweiten Mal klauten sie einen zum Verkauf ausgeschriebenen Lastwagen während der Probefahrt. Sie zwangen den Besitzer, Simon G.* aus dem Kanton Zürich, zu unterschreiben, dann töteten sie ihn.

Sonja D. will nach der Strafe neues Leben beginnen

Als Erstes wird Sonja D., die in der Strafanstalt Handelsbank sitzt, befragt. «Ich habe mich gut eingelebt», sagt sie. Ihre Kinder, die 2012 und 2013 zur Welt kamen, können sie regelmässig besuchen. Sie arbeite 100 Prozent in der Wäscherei.

Sie habe eine glückliche Kindheit gehabt, bis sich ihre Eltern scheiden liessen, als sie elf Jahre alt war. Mit ihrem Mann seien sie ein Herz und eine Seele gewesen.

Wegen massiver Geldprobleme hatten sie aber immer intensiveren Streit. Aus diesem Grund habe sie sich scheiden lassen wollen. Das Scheidungsverfahren ist noch immer gängig.

«Ich wünsche mir, dass das Verfahren endlich zu einem Abschluss kommt und ich das Leben planen kann. Ich will die Strafe absitzen, dann mit dem neuen Lebenspartner oder meinem Mami eine Wohnung suchen», sagt sie vor Gericht.

Reto D. fühlt sich im Gefängnis wohl

Dann trifft der Haupttäter Reto D. ein. Der vorsitzende Oberrichter beginnt gleich mit seiner Befragung. Reto D. sagt: «Ich habe immer wieder plötzliche Ohnmachtsanfälle.» Er sei im Moment in der Strafanstalt Lenzburg untergebracht. Auch er fühle sich im Gefängnis zu Hause: «Es ist eine sehr gute Haftanstalt. Die Angestellten haben viel Mitgefühl.»

Dann erzählt auch er von früher. «Ich hatte eine gute Kindheit. War in einer Kleinklasse. Ich hatte Probleme in der Schule.» Er habe zwei Lehren als Lastwagenchauffeur begonnen und dann wieder abgebrochen. 2012 gründete er dann seine eigene Transportfirma mit bis zu 30 Angestellten.

Die Belastung im Geschäft sei jedoch schnell gross geworden, und auch der Verdienst sei schlecht gewesen. Deswegen habe er mit Drogentransporten – vor allem Marihuana – begonnen. Sein künftiges Opfer organisierte den Handel. Dennoch machte er hohe Schulden. Von 2014 bis 2016 wuchs sich die Summe auf mehrere 100'000 Franken an.

Die Beziehung zu seiner Frau lief auch nicht optimal. Sonja D. ging fremd. Er habe jedoch Verständnis für den Seitensprung. Er habe nämlich nie Zeit gehabt. Nach der Scheidung möchte er aber weiter Kontakt zu seinen Kindern haben. Diese habe er nun seit Oktober nicht mehr gesehen.

Die Verwahrung halte der Transportunternehmer aber nicht für angemessen. «Ich stehe zu meinen Taten. Ich hoffe, ich erhalte die Chance, mich therapieren zu lassen. Ich nehme die Hilfe an.»

Er sei im Spital gelandet, weil er wegen der Vorwürfe Stress hatte. «Die Vorwürfe, dass ich mir Drohbriefe schicken lasse, haben mich so aufgeregt, dass ich krank wurde.»

Am Schluss muss der Komplize Loris O. aussagen. Er befinde sich derzeit in der Strafanstalt in Solothurn. Weil er an Krebs leide, sei er gesundheitlich angeschlagen.

Bei der Befragung zu der Tat machen sowohl die Ehefrau des Haupttäters, wie auch der Komplize von dem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Sie beantworten keine Fragen zu den Morden. Das, obwohl sie vom Haupttäter vor dem Obergericht stärker belastet werden als noch in früheren Befragungen. Es droht eine strengere Bestrafung.

Reto D. verstrickt sich bei der Befragung zu den Taten in zahlreiche Widersprüche zu seinen früheren Aussagen. Der Oberrichter muss immer wieder feststellen, dass ihn die heutigen Aussagen verwirren. Vor allem die wilden Darstellungen einer Serben-Mafia, die ihm die Morde angeordnet haben soll.

Offensichtlich glaubt das Gericht nicht an die Existenz der Serben-Mafia. Der Vorsitzende fragt denn auch, warum seine Frau die Männer nicht gesehen hatte, obwohl sie an dem Tag nur kurz weggewesen war. Und die Polizei trotz intensiven Ermittlungen keine Spur der Verbrecher gefunden hatte.

Leiche im Garten vergraben

Das Trio soll beide Opfer auf genau dieselbe Art ermordet haben. Der Serbe wurde gemäss Anklage unter einem Vorwand ins Haus des Ehepaars gelockt und dort die ganze Nacht gefesselt, geschlagen und schliesslich mit Klebeband erstickt. Dann grub der Haupttäter mit einem Bagger ein Loch im Garten und vergrub die Leiche.

Das zweite Opfer soll auf der Probefahrt gefesselt, auf einen Anhänger gebunden und schliesslich ebenfalls mit Klebeband erstickt worden. Seine Leiche entsorgte das Trio anschliessend in einem Wald bei Boppelsen.

Das Trio flog auf, weil es den Lastwagen nach dem Mord weiterverkaufen wollte und ein Interessent erfuhr, dass er gestohlen worden war. Der Interessent informierte daraufhin die Polizei, welche schliesslich die Leichen in Boppelsen und Utzigen fand.

Das Bezirksgericht Bülach verurteilte den Haupttäter im Dezember 2019 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe, ohne Verwahrung. Seine Ehefrau erhielt eine Freiheitsstrafe von 11 und der Solothurner Garagist eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren.

Die Staatsanwältin fordert für alle drei Beschuldigten aber lebenslängliche Freiheitsstrafen, für den Haupttäter ausserdem eine Verwahrung. Die Anwälte der drei Beschuldigten wiederum verlangen deutlich mildere Strafen. Der Berufungsprozess in Zürich dürfte zwei Tage dauern. Das Urteil wird voraussichtlich am 22. Juni eröffnet.

(mcb/SDA)

*Namen geändert


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