Erneut verdrehte Fakten bei «Weltwoche»-Story über Senioren und Asylbewerber
Ups, Christoph Mörgeli hat es wieder getan!

«Weltwoche»-Mitarbeiter und Ex-Nationalrat Christoph Mörgeli schreibt zum zweiten Mal über ein Pflegeheim am Zürichsee, das angeblich für Asylbewerber geräumt werde. Und wieder bringt er die Fakten durcheinander.
Publiziert: 28.05.2016 um 12:41 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:51 Uhr
Thomas Ley

Christoph Mörgeli hat ein neues Steckenpferd. Der abgewählte SVP-Nationalrat und neue «Weltwoche»-Autor ist offenbar entschlossen, jedes alte Altersheim am Zürichsee-Ufer zu finden, in das Asylbewerber einquartiert werden. Im aktuellen Heft liefert er unter dem Titel «Asyl mit Seeanstoss» einen weiteren Artikel dieser Serie – einer Serie voller Fehler (BLICK berichtete).

Im Mittelpunkt steht diesmal das «Rudolfheim» in Stäfa ZH, das als Altersheim aufgehoben wird. Zu Mörgelis Zorn, denn die betreffende Liegenschaft wurde der Gemeinde 1902 von einem Weinhändler Rudolf Strickler zum Zweck vermacht, darauf ein «Altersasyl zu eröffnen und fortzubetreiben». Dass nun auch die letzten Senioren den Bau verlassen und stattdessen Asylbewerber in den alten Räumen wohnen, empfindet Redaktor Mörgeli als «krudes Verbiegen des Stifterwillens». Hat er recht?

So berichtete die «Zürichsee-Zeitung» über das «Rudolfheim».

Pflegheim fast ohne Pflegefälle

Aus der «Zürichsee-Zeitung», die auch Mörgeli zu Rate gezogen hat, erfährt man, dass das über 100jährige Stäfner «Rudolfheim» hoffnungslos veraltet ist. Dass Senioren im Rollstuhl sich in den Gängen umkleiden müssen – und die Angestellten im Heizkeller. Dass die Gemeinde für das defizitäre Heim jährlich 300'000 Franken draufzahlt. Und dass es gerade deshalb defizitär ist, weil nur noch vier Zimmer von Bewohnern gebucht sind. Seeanstoss hin oder her, ins traditionsreiche «Ruediheim» wollen Pflegebedürftige heute nicht mehr.

Christoph Mörgeli, hier in seinem Büro, schreibt für die «Weltwoche». Seine Recherchen sind dabei lückenhaft.
Foto: Sabine Wunderlin

Das alles aber teilt der schreibende Ex-Politiker seinen Lesern nicht mit. Wenn er das Heim beschreibt, dann bloss als «prachtvoll», mit «schönen Zimmern». Vor allem aber verschweigt er, warum sich Stäfa den Betrieb des «Rudolfheim», geschweige denn eine aufwendige Renovation, nicht mehr leisten kann: Die Gemeinde muss sparen, seit die Gemeindeversammlung es abgelehnt hat, den Steuerfuss zu erhöhen. Hinter der Ablehnung stand jene Partei, die im Gemeinderat nicht vertreten ist, die SVP.

Der Entscheid verunsicherte namentlich die Belegschaft im «Rudolfheim», wie Walter Linsi, Unternehmer und Gründer einer karitativen Stiftung, vor einem Jahr in einem Inserat in der «Zürichsee-Zeitung» beklagte. Für den «Sparwahn» machte der Unternehmer das «von der SVP Schweiz und ihrem Strategen in Stäfa vergiftete politische Klima» verantwortlich.

Der «Stratege», den Linsi da meinte, wohnt seit Jahren in Stäfa. Und er arbeitet heute bei der «Weltwoche». Er heisst Christoph Mörgeli.

Nur zitiert, was ihm passte

Reporter Mörgelis Geschichte klingt auffallend ähnlich wie die «unglaubliche Enthüllung» (Eigenwerbung), mit der er vor vier Wochen in der «Weltwoche» aufwartete. Damals ging es um das Alters- und Pflegeheim «Am See» in Zollikon ZH (BLICK berichtete): Ebenfalls eine Liegenschaft am Zürichsee, die vor einem Jahrhundert der Gemeinde überlassen wurde als Platz für ein Heim für Ältere oder Arme. Und auch dort ziehen jetzt Flüchtlinge ein, und zwar gut 80 Kinder und Jugendliche.

Mörgeli unterstellte, die Senioren müssten überhaupt erst weg wegen der Flüchtlinge. In Wahrheit aber ziehen die Jugendlichen ein, weil das Zolliker Heim heutigen Standards nicht mehr genügt und verkauft wird. Und genau jene linken Dorfpolitiker, die Mörgeli für den Flüchtlingseinzug verantwortlich machte, wehren sich dagegen, dass das «Am See» seinen Stiftungszweck aufgibt. Die Einquartierung von Asylbewerbern als Zwischenmieter dagegen war eine Idee des bürgerlichen Gemeinderats.

Wieder zitierte Mörgeli aus der gut dokumentierten «Zürichsee-Zeitung», aber auch diesmal nur das, was ihm in die Erzählung «Asylbewerber vertreiben Schweizer» passte. Direkte Auskunft, etwa bei der freisinnigen Zolliker Gemeindepräsidentin, holte er sich nicht ein.

Partygesellschaften statt Asylbewerber

Immerhin, der Lokalmatador fügt der neuen Story aus Stäfa noch etwas Lokalkolorit dazu: Denn besonders leid tun ihm «sieben Helfer des Turnvereins Stäfa», die letzten Sommer das Seegärtli in der Nachbarschaft des «Rudolfheim» renovierten und schwere Steine aus dem See räumten, damit Senioren wieder ins Wasser steigen können. «Dem Vernehmen nach sind etliche Turner mässig erbaut über die Tatsache, dass ihre Freiwilligenarbeit jetzt einem Badeplatz für angeblich Verfolgte gilt», schreibt Mörgeli.

Von diesem «Vernehmen» weiss Patrick Pletscher, Präsident des Turnvereins, nichts, wie er gegenüber BLICK sagt. Er ist immerhin einer der sieben Helfer. Die Anwesenheit von Asylbewerbern im Seegärtli sei bei ihnen noch gar nie zur Sprache gekommen.

Pletscher verweist BLICK an Cornelia Wagner von der IG «Pro Seegärtli für ältere Menschen in Stäfa», und die sorgt sich tatsächlich auch um das schöne Plätzchen am See: «Der Gemeinderat hat uns alle Schlüssel weggenommen und möchte aus dem Seegärtli einen «reservierbaren Partyplatz für jedermann» machen.» Gegen Bezahlung, versteht sich. Die 25'000 Franken Renovation – die restlichen 25'000 Franken übernähme die IG – wollte der klamme Gemeinderat offenbar bisher nicht aufbringen. Stäfa spart, siehe oben.

Und so endet Mörgelis neueste Geschichte über Asylbewerber am Zürichsee. Würde er in seiner Wohngemeinde genauer hinhören, müsste der Rächer der Senioren gegen die Partygesellschaft anschreiben.

Aber dieses Thema steht am 5. Juni ja nicht zur Abstimmung.

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