Altersheim-Räumung für Flüchtlinge?
Wie Redaktor Mörgeli Asyl-Skandale bastelt

Der ehemalige SVP-Nationalrat wartet in der Weltwoche mit einer angeblichen Enthüllung auf. Aber die Story über ein Altersheim, das für Asylbewerber geräumt werde, ist uralt und völlig verdreht.
Publiziert: 30.04.2016 um 11:14 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:31 Uhr
Thomas Ley

Als Christoph Mörgeli, einst Titularprofessor mit verstaubtem Knochenlager, letzten Herbst von der eigenen SVP- Basis in die Wüste geschickt wurde, erbarmte sich Weltwoche-Herausgeber Roger Köppel und gab ihm einen Job als Redaktor. Die Artikel des Neulings zeigen seither, dass grosse Rechercheure nicht vom Himmel fallen. 

Dabei, so kündigte sein Chef Köppel an, kann Mörgeli in der aktuellen Weltwoche offenbar mit einer «unglaublichen Enthüllung» aufwarten: In Zollikon am Zürichsee werden alte und pflegebedürftige Menschen aus einem Heim geworfen – damit kurzerhand 120 Asylbewerber einquartiert werden können.

Nicht mit den Beteiligten gesprochen

Klingt skandalös. Bloss: Ein Blick in die Lokalpresse und einige Telefonate zeigen, dass an Mörgelis Geschichte nur wenig stimmt. Immerhin handelt es tatsächlich um Zollikon, um ein altes Pflegeheim, um ausländische Neubewohner. Aber die Grundthese des Artikels mit dem Titel «Asylhotel au Lac» ist eine Lüge.

Mörgeli, als er noch an der Uni arbeitete. Nach seiner Abwahl aus dem Nationalrat sorgt er vor allem als Kolumnen-Schreiber der Weltwoche für Aufsehen.
Foto: Sabine Wunderlin/SonntagsBlick
In die Jahre gekommen: Pflegeheim «Am See» in Zollikon.
Foto: Ausriss «Zürichsee-Zeitung»

Zuerst die Wahrheit: Das Pflegeheim Am See an der Seestrasse 109  – «an prachtvollster Lage», wie Mörgeli betont – ist in die Jahre gekommen. Gemeindepräsidentin Katharina Kull-Benz (FDP) sagt gegenüber BLICK: «Darum gab es schon 2006, als ich mein Amt antrat, Pläne für ein neues Heim.» Christoph Mörgeli hat übrigens mit ihr nie gesprochen.

Warum ein Ersatz für das Heim Am See? «Der Bau aus dem Jahr 1971 entspricht nicht mehr heutigen Standards», sagt Katharina Kull-Benz. «Wohnungen und Nasszellen sind zu klein.» So enstand das neue Wohn- und Pflegeheim Blumenrain, in das die Senioren jetzt umziehen können. Alles unter Einbezug der Betroffenen, betont die Gemeindepräsidentin: «Wir treffen uns regelmässig mit den Bewohnern und ihren Familien und hielten sie immer auf dem Laufenden. Es gab nie Proteste oder Unmut.» Mörgeli weiss das offenbar besser: «Die Begeisterung der Heimbewohner» halte sich «in Grenzen». Einen Zeugen dafür bringt er nicht.

Mörgeli verschweigt Absicht der SP

Die Gemeindeversammlung entschied sich im September 2015, das nicht mehr benötigte Seeheim zu verkaufen. Der Entscheid fiel knapp mit 101 zu 100 Stimmen, und nicht alle waren damit einverstanden. Zwei SP-Mitglieder rekurrierten. Aber warum? Mörgeli spricht bloss von einem «Rechtsgutachten», das er nicht näher umschreibt.

Der Neubau: So soll das neue Pflegezentrum Blumenrain aussehen.
Foto: vbk-arch.ch

Er verschweigt, dass die Sozialdemokraten genau das monieren, was er selber auch anprangert: Dass nämlich die Bedingungen eines Heinrich Ernst verletzt würden, der das Seegrundstück der Gemeinde 1920 überliess, auf dass man dort ein Heim für Ältere und Kranke errichte. «Diese Auflage ist mit einem freihändigen Verkauf nicht mehr erfüllt», sagt Vera Rottenberg (SP) gegenüber BLICK. Sie war früher Bundesrichterin und vertritt den Rekurs. In Mörgelis Stück spielt sie die Ideengeberin, die den Gemeinderat erst darauf gebracht habe, man könne ja Asylbewerber unterbringen. Auch mit ihr hat Redaktor Mörgeli nicht gesprochen.

«Es ist alles genau umgekehrt», ärgert sie sich nun, da sie vom Weltwoche-Artikel erfährt. «Der Gemeinderat wollte verkaufen, wir wollten das nicht. Wir wollten, das der Bau weiter im Sinne von Heinrich Ernst genutzt wird. Das könnte man machen, indem man begleitetes Wohnen ermöglicht. Oder Studentenwohnungen. Oder einfach Wohnungen für Bedürftige.» Von Flüchtlingen habe sie erst gesprochen, als man ihr nach der Gemeindeversammlung vorgeworfen habe, sie habe keinen Vorschlag für eine Zwischennutzung.

Es kommen lauter Kinder

Denn eine solche muss her, bis der Bezirksrat über den Rekurs entscheidet. Und tatsächlich beschloss der Gemeinderat, dem Kanton die Einquartierung von Flüchtlingen vorzuschlagen. Opposition dagegen gibt es im Ort keine. Auch Mörgeli kann keine Widerständler präsentieren und zitieren. Zollikon lebt seit Jahren bereits mit dem Durchgangszentrum Buechholz, was allenfalls dazu führt, dass die Zolliker ab und zu Spielsachen vorbeibringen.

Seinen Beschluss fällte der Gemeinderat übrigens im November. Die «Enthüllung» von Köppel und Mörgeli ist also ein halbes Jahr alt. Trotzdem knallt der Lead des Artikels wie eine Eilmeldung: «Betagte Schweizer müssen raus, Asylbewerber kommen rein. Das Alters- und Pflegeheim Am See in Zollikon wird für 120 Migranten geräumt.» Eine absurd verdrehte Eilmeldung. 

Letztes Detail: In das Heim, das einst für 45 Pflegefälle gebaut wurde, kommen nicht 120, sondern eher 80. Und nicht «gesunde Asylbewerber», wie Mörgeli das ausdrückt, sondern Kinder: unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, so der Jargon. Viele von ihnen traumatisiert, nicht gesund. Und nach zwei Jahren müssen sie wieder gehen. Die Zwischennutzung ist begrenzt. Mörgeli deutet das an, nennt aber die zwei Jahre nicht. Warum auch. Es sei doch naiv, zu glauben, dass die «Migranten» wieder gingen, findet er: «angesichts der anhaltenden ungebremsten Migration».

Er hat recht: Man soll nicht alles glauben. Er muss damit rechnen, dass man das auch auf seine Arbeit bezieht.

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