«Das Interesse des Patienten muss im Vordergrund stehen»
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CEO von Héli-Alpes in Sion VS:«Das Interesse des Patienten muss im Vordergrund stehen»

Air Zermatt wird trotz Bundesgerichts-Urteil bevorzugt
Walliser Filz will keine Rega

Es geht um Menschenleben – aber eben auch um Geld. Im Wallis läuft derzeit eine hitzige Debatte, wer das Mandat für die Heli-Luftrettung an sich reissen kann. Nun eskaliert der Streit zunehmend: Der zuständigen Walliser Aufsichtsbehörde wird Befangenheit vorgeworfen.
Publiziert: 26.10.2022 um 23:58 Uhr
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Aktualisiert: 27.10.2022 um 06:24 Uhr
Luisa Ita

Der Luftraum im Wallis ist seit Monaten heiss umkämpft. Jetzt eskaliert der Streit. Vorwürfe der Befangenheit stehen im Raum, es geht um Geld – und um das Wohl der Patienten. Die Kernfrage: Wer rettet künftig im Winter die verunfallten Skifahrer im Wallis und wer darf sie ins Spital fliegen? Bislang war der Fall klar: Der Wintersport-Kanton war jahrzehntelang das Revier der Air Zermatt und der Air-Glaciers, die unterdessen fusionierten.

Auch Francis Sermier (65) wollte mit seiner Firma Héli-Alpes im Jahr 2015 ein Stück vom Kuchen der lukrativen Luftrettung abhaben. Darum habe er sich bei Air Zermatt und Air-Glaciers gemeldet. «Zuerst hiess es, dass ich zwei Piloten zur Verfügung gestellt bekomme und mit meinem Helikopter auch Luftrettungseinsätze fliegen darf.» Seine Motivation: mehr Flugminuten für seinen Helikopter und die Ausweitung seines Tätigkeitsfeldes. Kurze Zeit später sei man ohne eine gute Begründung zurückgekrebst, so Sermier. «Man hat mir aus dem Nichts eine Absage erteilt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber bereits 50'000 Franken investiert.»

Rega in Sion stationiert, aber fliegt im Wallis keine Einsätze

Das liess der Walliser nicht auf sich sitzen: «Ich bin vor Gericht gegangen. Vor den ersten beiden Instanzen im Kanton Wallis habe ich verloren, das Bundesgericht gab mir recht.» Mit dem Urteil hat Heli-Pilot Sermier erwirkt, dass der Kanton Wallis die Vergabe des Mandates für die Luftrettung öffentlich ausschreiben muss – und die Air Zermatt in Zusammenarbeit mit Air-Glaciers nicht mehr automatisch den Zuschlag erhält.

Seit 2015 kämpft Francis Sermier dafür, dass er mit seinem Unternehmen Héli-Alpes auch in die Luftrettung einsteigen darf.
Foto: Luisa Ita
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«Ich habe nach dem Bundesgerichtsurteil ein Konzept erarbeitet und bin damit auf die Rega zugegangen», erklärt der Héli-Alpes-CEO weiter. «Dort bin ich auf offene Ohren gestossen und die Rega hat sich bereit erklärt, mit mir gemeinsame Sache zu machen.» Um schon mal einen Fuss in der Tür zu haben, habe die Schweizerische Rettungsflugwacht bereits im Dezember 2021 einen Rettungs-Heli mitsamt Belegschaft im Héli-Alpes-Hangar in Sion VS stationiert. «Aktuell werden von hier aus aber nur das Berner Oberland, die Kantone Waadt und Fribourg angeflogen. Im Wallis fliegt die Rega keine Einsätze.»

Dank dem durch Sermier erwirkten Bundesgerichtsurteil vom 21. August 2020 wurde das Mandat für die Luftrettung im Wallis dann tatsächlich öffentlich ausgeschrieben. «Die Air Zermatt mit Air-Glaciers, die Rega und die Rega in Zusammenarbeit mit Héli-Alpes haben sich im Mai 2022 dafür beworben», führt der Walliser aus. Er zeigt Blick den Evaluationsbericht der zuständigen Aufsichtsbehörde, der Kantonalen Walliser Rettungsorganisationen (KWRO). Wenig überraschend: Auf der letzten Seite des Berichts von Anfang September 2022 kommt die Behörde zum Schluss, dass die aktuelle Lösung die beste sei und die Air Zermatt ihr Mandat behalten solle.

Ist die Aufsichtsbehörde befangen?

Für Sermier ist klar: Die Aufsichtsbehörde ist befangen. Philipp Perren, der im Verwaltungsrat der KWRO sitzt, ist beispielsweise gleichzeitig auch Verwaltungsratspräsident von Air Zermatt und Air-Glaciers. Auch Patrick Fauchère von Air-Glaciers sitzt im Verwaltungsrat der KWRO. Sermier meint: «Das ist typischer Walliser Filz!»

Francis Sermier blättert durch den provisorischen Bericht, immer wieder schüttelt er den Kopf: «Die Rega ist im Gegensatz zu Air Zermatt und Air-Glaciers auf Rettungsflüge spezialisiert. Sie verfügt beispielsweise über die notwendigen Mittel, um auch Instrumentenflüge durchzuführen, während die Walliser Rettungsorganisationen nur auf Sicht fliegen können.»

Ausserdem sei die Rega schneller einsatzbereit: «Die Rega ist innert fünf Minuten in der Luft, im Gegensatz zu Air Zermatt und Air-Glaciers. Meines Wissens übernachten bei denen die Pikettpiloten sogar daheim und nicht im Hangar. Im Notfall müssen sie also zuerst noch aufgeboten werden und anreisen.»

Tatsächlich liegt Blick auch ein Schreiben der Rega an den Walliser Staatsrat Mathias Reynard (35) vor. Betreff: «Nichtwahrnehmung der Aufsichtsaufgabe infolge Befangenheit der KWRO, fehlende Unabhängigkeit». Darin legt die Schweizerische Rettungsflugwacht dar, was aus ihrer Sicht schiefläuft – ein wahrer Rundumschlag.

Die Behörde sieht kein Problem

So heisst es beispielsweise: «Air Zermatt und Air-Glaciers streben in Verhandlungen mit den Tarifpartnern möglichst hohe Preise an und machen keine Abgrenzung zwischen Rettungs- und kommerziellem Betrieb. Das führt im Endeffekt zu überhöhten Tarifen, was dem Gebot der Wirtschaftlichkeit widerspricht.» Die Rede ist zudem von fehlender Transparenz und dem «besonderen Näheverhältnis» der KWRO zu den Walliser Luftrettungsunternehmen – also das, was Sermier den «Walliser Filz» nennt. Die Rega verlangt vom Staatsrat nun Massnahmen, damit die «Missstände behoben werden».

Auch Francis Sermier will weiter für Gerechtigkeit kämpfen. Er wolle Air Zermatt und Air-Glaciers nicht komplett aus dem Luftrettungssegment verdrängen: «Aber wir sollten das Wohl des Patienten in den Vordergrund stellen und nicht das Geld oder die Freundschaften von Behörden mit Unternehmen.»

Air Zermatt und Air-Glaciers wurden von Blick mit sämtlichen Vorwürfen konfrontiert: Sie verweisen auf das laufende Verfahren und nehmen nicht Stellung.

Die KWRO hingegen äussert sich auf Anfrage von Blick schriftlich. Sie weist die Filz-Vorwürfe zurück. Der Verwaltungsrat der Aufsichtsbehörde entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Und: «Bei der Ausübung ihrer gesetzlichen Befugnisse (...) ergreift die KWRO alle notwendigen und angemessenen Massnahmen, um Interessenkonflikte zu vermeiden (...).» Heisst: Die Behörde sei neutral und ergreife Massnahmen, um die Neutralität zu wahren. Welche Massnahmen das sind, wird nicht weiter ausgeführt.

Die KWRO betont, dass das letzte Wort bei der Vergabe des Luftrettungsmandats noch nicht gesprochen sei: Der Evaluationsbericht sei provisorisch. Die definitive Entscheidung fällt am 29. November.

Diese Luftrettungsdienste gibt es

In der Schweiz gibt es mehrere Luftrettungsunternehmen. Das grösste und bekannteste ist die Schweizerische Rettungsflugwacht (Rega). Bei der Rega handelt es sich um eine gemeinnützige private Stiftung. Nebst Rettungshelikoptern verfügt die Rega auch über eine Flotte von drei Ambulanzflugzeugen, mit welcher beispielsweise Rückführungen von Patienten aus dem Ausland vorgenommen werden können.

Im Kanton Aargau betreibt die Alpine Air Ambulance (AAA), gegründet von Touring Club Schweiz (TCS) und Lions Air Group AG, seit November 2011 einen Luftrettungsdienst auf dem Flugplatz Birrfeld. Auch vom Heliport Balzers in Liechtenstein fliegt AAA im Auftrag der AP3-Luftrettung Einsätze. Im Wallis retten Air Zermatt und Air-Glaciers per Heli.

Ein Rega-Helikopter bei einer Rettungsaktion.
Rega

In der Schweiz gibt es mehrere Luftrettungsunternehmen. Das grösste und bekannteste ist die Schweizerische Rettungsflugwacht (Rega). Bei der Rega handelt es sich um eine gemeinnützige private Stiftung. Nebst Rettungshelikoptern verfügt die Rega auch über eine Flotte von drei Ambulanzflugzeugen, mit welcher beispielsweise Rückführungen von Patienten aus dem Ausland vorgenommen werden können.

Im Kanton Aargau betreibt die Alpine Air Ambulance (AAA), gegründet von Touring Club Schweiz (TCS) und Lions Air Group AG, seit November 2011 einen Luftrettungsdienst auf dem Flugplatz Birrfeld. Auch vom Heliport Balzers in Liechtenstein fliegt AAA im Auftrag der AP3-Luftrettung Einsätze. Im Wallis retten Air Zermatt und Air-Glaciers per Heli.

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