Irrer Fall im Thurgau
Der gesamte Gemeinderat von Braunau muss vor Gericht

Der gesamte Braunauer Gemeinderat muss vor Gericht. Er bewilligte den Abbruch eines geschützten Gebäudes. Doch das hätte gar nicht passieren dürfen. Jetzt müssen sich die Politiker vor dem Bezirksgericht in Münchwilen TG erklären.
Publiziert: 11.08.2022 um 15:07 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2022 um 17:13 Uhr

Die alte denkmalgeschützte Käserei steht nicht mehr, dafür befinden sich nun auf dem 2500 Quadratmeter grossen Grundstück zwei Mehrfamilienhäuser, wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet.

Der fünfköpfige Gemeinderat von Braunau TG ignorierte damals seinen eigenen Schutzplan und bewilligte einem Liegenschaftsbesitzer in Wil SG den Abbruch des Käserei-Gebäudes. Jetzt kommt es zum Prozess.

Die fünf ehemaligen Gemeindevorsitzenden müssen sich am 31. August und 1. September 2022 vor dem Bezirksgericht Münchwilen verantworten. Vier der fünf Angeklagten sind heute noch im Amt, obwohl ihnen die Thurgauer Staatsanwaltschaft «ungetreue Amtsführung» vorwirft.

Ende August kommt es zu einem ungewöhnlichen Prozess vor dem Bezirksgericht Münchwilen. Der gesamte Gemeinderat von Braunau muss antraben.
Foto: Keystone
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Besonders im Fokus: SVP-Kantonsrat David Zimmermann (50) – damals wie heute im Amt. Um so ein Gebäude überhaupt abreissen zu dürfen, muss es zunächst aus dem Schutzplan der Gemeinde gestrichen werden. Zimmermann habe als Referent des Hauses das klar gewusst, schreibt die Staatsanwaltschaft im Strafbefehl.

15'000 Franken bedingte Geldstrafe

Die Staatsanwaltschaft fordert für alle Beschuldigten eine Verurteilung wegen «ungetreuer Amtsführung». Gemeindepräsident Zimmermann soll eine bedingte Geldstrafe von 15'000 Franken erhalten und muss bisherige Verfahrenskosten und eine Busse in der Höhe von 4000 Franken zahlen. Die restlichen vier hingegen sollen bedingte Geldstrafen zwischen 2400 und 6300 Franken sowie Bussen und Verfahrenskosten um die 2300 Franken kassieren.

Laut Staatsanwaltschaft habe der Braunauer Gemeinderat wissentlich die geltenden Regelungen verletzt. Damit habe die Behörde das öffentliche Interesse stark missachtet und die Bürger enttäuscht. Zudem wurde der Heimatschutz nicht informiert – eine eigentlich obligatorische Vorschrift.

«Behördenmitglieder sollen strafrechtlich belangt werden»

Weil der Gemeinderat versäumt hatte, den Heimatschutz zu informieren, konnte dieser keine direkten Rechtswege einleiten. Der Verband musste deswegen 2016 eine Aufsichtsbeschwerde und eine Strafanzeige gegen unbekannt einreichen. Umso empörter zeigt sich Gianni Christen, Geschäftsführer des Thurgauer Heimatschutzes. Eine solche Dreistigkeit von einem Gemeinderat habe er noch nie erlebt, erklärt er gegenüber dem «St. Galler Tagblatt».

Parallel zu dem Gerichtsfall wurde in einem anderen Verfahren darüber diskutiert, ob die Käserei wieder aufgebaut werden soll. Diese Forderung wies das Thurgauer Verwaltungsgericht ab – der Umstand zog das ursprüngliche Verfahren allerdings sechs Jahre in die Länge.

«Einer dem Rechtsstaat verpflichteten Behörde nicht würdig»

Nun erhofft sich Christen ein klares Nein zu dem Verhalten des Gemeinderats. «Behördenmitglieder sollen strafrechtlich belangt werden, wenn sie eigenwillig und gesetzeswidrig handeln, wie hier mit der widerrechtlichen Abbruchbewilligungen für das geschützte Objekt», sagt er weiter zum «St. Galler Tagblatt».

Äussern wollen sich die Angeklagten auf Anfrage vom Blick nicht zu dem bevorstehenden Gerichtsprozess. Dafür nimmt das kantonale Departement Stellung zu dem Vorfall. In seinem Entscheid zur Aufsichtsbeschwerde 2020 urteilte es über die Vorgehensweise: Der Gemeinderat habe «klar rechtswidrig» gehandelt und «unter wissentlicher und willentlicher Missachtung der kommunalen und kantonalen Rechtsgrundlagen» agiert.

Der Braunauer Gemeinderat sei «einer demokratisch gewählten, dem Rechtsstaat verpflichteten Behörde nicht würdig.» (hei)

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