«Hier sind mehrere unglückliche Zustände zusammengekommen»
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Gemeindepräsident zur Tragödie:«Hier sind mehrere unglückliche Zustände zusammengekommen»

Mädchen (†6 Monate) von Ast in Flums SG erschlagen
«Die Familie war zur falschen Zeit am falschen Ort»

Am Montagnachmittag wurde ein Baby in Flums SG von herabfallenden Ästen getroffen und schwer verletzt. In der Nacht auf Dienstag ist das sechs Monate alte Kind seinen Verletzungen erlegen. Die Mutter (30) kämpft weiter um ihr Leben.
Publiziert: 27.07.2021 um 10:19 Uhr
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Aktualisiert: 27.07.2021 um 16:30 Uhr
Anastasia Mamonova und Michael Sahli

Die Unwetter in diesem Sommer in der Schweiz fordern ein erstes Todesopfer. Ein sechs Monate altes Mädchen wurde am Montagnachmittag in seinem Kinderwagen in Flums SG von herabfallenden Ästen getroffen. Mit schweren Kopfverletzungen wurde das Kind ins Spital geflogen. In der Nacht auf Dienstag ist das Baby verstorben.

Zum tragischen Unglück kam es um zirka 16.30 Uhr auf dem Fussweg entlang der Schils. Die 30-jährige Mutter war zusammen mit ihrer Tochter sowie ihren Eltern unterwegs.

«Aufgrund einer starken Windböhe brachen plötzlich mehrere Äste eines Baumes ab und stürzten auf die Mutter und den Kinderwagen», schreibt die Kantonspolizei St. Gallen in einer Mitteilung am Montag.

Während eines Sturmes wurden vier Personen in Flums SG am Montag von herabfallenden Ästen verletzt. Das Baby (†6 Monate) ist später im Spital verstorben.
Foto: keystone-sda.ch
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«Wegen starken Windböen sind die Äste auf sie gefallen»
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Sprecher der Kapo St. Gallen:«Wegen starken Windböen sind die Äste auf sie gefallen»

«Es gab keine Absperrungen»

Am Vormittag hatte der Bund unter anderem für die Ostschweiz die Gefahrenstufe 3 von 4 ausgerufen. Am Nachmittag musste verbreitet mit Hagel, Sturmböen, Starkregen und jeder Menge Blitze gerechnet werden.

Hatte sich das Unwetter also bereits angekündigt oder wurde die Familie von der ersten Windböe überrascht? Zu diesen Fragen seien die genauen Abklärungen noch im Gang.

Der Weg neben dem Fluss führt entlang eines Dickichts mit Bäumen. Auf der anderen Seite ist das Wasser. Der Unfall passierte ungefähr in der Mitte des Weges. «Rechts und links gibt es an dieser Stelle keine Abbiegemöglichkeiten», erklärt Pascal Häderli von der St. Galler Kantonspolizei gegenüber Blick.

Warnungen, den Spazierweg zu meiden, habe es im Vorfeld keine gegeben, sagt der Polizeisprecher weiter. «Darum gab es auch keine Absperrungen.» Nach aktuellem Kenntnisstand handle es sich ausserdem um einen gesunden Baum, dessen Äste durch die Böe abgebrochen wurden.

Mutter und Grossvater weiter im Spital

Die Äste krachen dennoch mit voller Wucht auf die Familie. Die Mutter und das Baby werden schwer verletzt. Der 71-jährige Grossvater und die 74-jährige Grossmutter erleiden leichte Verletzungen. Alle vier werden ins Krankenhaus gebracht.

Der Fussweg wurde nun aus Sicherheitsgründen vorsorglich gesperrt. «Es handelt sich um einen tragischen Vorfall», sagt Pascal Häderli.

Die Mutter kämpft währenddessen weiter um ihr Leben. Auch der Grossvater liegt noch im Spital. Die Grossmutter konnte das Krankenhaus mittlerweile verlassen.

«Die Böen dauerten nur fünf Minuten»

Christoph Gull, Gemeindepräsident von Flums, ist zutiefst betroffen. «Es tut mir wahnsinnig leid für die Familie. Alle im Dorf sind von diesem Schicksal betroffen», sagt er zu Blick.

Dass es überhaupt so schlimm endete, sei ein «unmöglicher Zufall und ein Zusammenfallen von mehreren unglücklichen Zuständen.» Denn der Sturm sei eine «ganz kurze Sache» gewesen. «Die Windböen waren heftig, aber kurz. Sie dauerten fünf Minuten. Es war kein richtiges Unwetter, wie man sich das vorstellt», sagt Gull.

Der Feuerwehrkommandant habe ihm auch bestätigt, dass lediglich «ein grosser Ast» runtergefallen und die Familie leider getroffen habe. «Man kann leider sagen, die Familie war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen», sagt der Gemeindepräsident. «Wir alle wünschen der Familie von Herzen viel Kraft bei der Bewältigung von diesem Schicksalsschlag und den Personen, die noch verletzt sind, eine gute Genesung.»

«Äste brechen immer wieder ab»

Helen Eberle, die selber vier Enkelkinder hat, spazierte am Dienstagnachmittag in der Nähe der Unglücksstelle vorbei. «Es tut mir sehr leid für die Familie. Es ist tragisch, wenn sowas passiert», sagt sie zu Blick. Sie stellt auch fest: «Es gibt dort immer wieder Äste, die abbrechen. Oder noch oben sind, aber bereit, zum runterstürzen.»

Diesen Eindruck hat auch Christine Kleiber aus Walenstadt SG. Sie kommt gemeinsam mit ihrem Mann Jean-Pierre regelmässig nach Flums für einen Spaziergang. Die Frau zeigt auf die Unfallstelle und sagt: «Es war Pech, aber da hat es auch grosse, alte Bäume und sowas kann dann passieren.» Ihr Mann pflichtet ihr bei: «Viele Leute realisieren nicht, wie schnell sich das Wetter ändern kann. Sie denken, sie seien unter den Bäumen geschützt, aber genau das ist gefährlich.»

«Wir haben uns schon gedacht, dass das nicht gut kommt»

Auch am Montagmittag war das Ehepaar noch an der Schils. Wieder zu Hause macht die Frau von ihrer Terrasse aus Bilder vom aufziehenden Unwetter. «Man hat gesehen, wie es vom See her wahnsinnig gewindet hat. Wir haben uns da schon gedacht, dass das nicht gut kommt. Es war wahrscheinlich genau dann, als hier in Flums die Böe kam und die Äste vom Baum fielen.»

Jean-Pierre Kleiber bestätigt: «Es war eine richtige Gewitterfront, die aufkam. Mit einer ungeheuren Geschwindigkeit. Es hat auch extrem geregnet.»

Das Paar hofft, dass sich die Familie von der Tragödie erholt. Sie selber schauen bei ihren Spaziergängen am Dienstag nun mehr nach oben.

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