Wegen Corona 6 Wochen im Koma
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Über sechs Wochen im Koma:Musa Özpolat (52) hat Corona nur knapp überlebt!

Sechs Wochen Koma, 55 Kilo weg – Musa Özpolat (52) aus Grenchen SO hat Covid-19 nur knapp überlebt
«Schaut mich an, niemand sollte so enden wie ich!»

Wochenlang kämpfte Musa Özpolat (52) aus Grenchen SO auf verschiedenen Intensivstationen um sein Leben. Der Pizzakurier hatte keine Vorerkrankungen und war sehr sportlich, doch Corona hatte kein Erbarmen mit ihm. Bis er wieder fit ist, wird es wohl noch Monate dauern.
Publiziert: 30.09.2021 um 09:29 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2021 um 17:34 Uhr
Luisa Ita

Musa Özpolat (52) sitzt auf dem Sofa und atmet schwer. Corona hat dem Pizzakurier aus Grenchen SO stark zugesetzt. Vom einstigen Muskelpaket ist nichts mehr übrig: Nach über sechs Wochen im künstlichen Koma ist er mittlerweile nur noch Haut und Knochen — 55 Kilo habe er abgenommen.

Zur Begrüssung will der Familienvater aufstehen, doch er ächzt vor Anstrengung, und seine Frau Filiz (49) eilt ihm zu Hilfe. «Ich bin schwach geworden», nuschelt er kaum verständlich. Die 49-Jährige stützt ihn und erklärt: «Auch das Sprechen muss er erst wieder lernen.»

Es ging bergauf – doch dann kam der Rückschlag

Die Tragödie begann Mitte Juli. Nach einem positiven Corona-Test seien die Symptome bei dem stattlichen Mann von Tag zu Tag schlimmer geworden: Er habe unter Atemnot gelitten und Blut gehustet. Ab dem 24. Juli sei er auf der Intensivstation gelegen.

Filiz Özpolat (49) ist glücklich, dass ihr Mann Musa (52) die schwere Corona-Erkrankung überlebt hat und endlich wieder daheim ist.
Foto: Luisa Ita
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Nach mehreren Wochen im künstlichen Koma schien es jedoch, als wäre der leidenschaftliche Hobby-Sportler ohne Vorerkrankungen über den Berg. Er sei vom Berner Inselspital nach Olten SO verlegt worden und endlich wieder wach gewesen. «Er konnte mit der Hilfe von Krankenschwestern sogar wieder essen und trinken», so Filiz Özpolat. Doch das Schicksal meinte es mit dem ungeimpften Familienvater offenbar nicht gut.

«Wir sind einfach nur froh, dass er überlebt hat!»

«Plötzlich hat er wieder zu husten begonnen und Schmerzen gekriegt», erinnert sich die selbständige Kosmetikerin. Während sie an die bangen Momente zurückdenkt, werden ihre Augen ganz feucht. Sie drückt die Hand ihres Mannes und erzählt weiter: «Die Ärzte haben dann bemerkt, dass er Eiter in der Lunge hat.»

Ein herber Rückschlag für den 52-Jährigen: Er musste zurück ins Inselspital, wo er laut seiner Gattin operiert wurde. «Zum Glück ging alles gut. Nach sechs Tagen in Bern konnte er wieder nach Olten», so die fürsorgliche Ehefrau. «Letzten Donnerstag wurde er endlich entlassen. Eigentlich sollte er danach für mehrere Wochen in eine Reha-Klinik, aber er hat uns so sehr vermisst, und darum ist er jetzt daheim.» Sie lächelt traurig: «Wir sind einfach nur froh, dass er überlebt hat!»

Grosse Erinnerungslücken

Während der Schilderungen seiner Frau hat Musa Özpolat aufmerksam zugehört, auch er kämpft mit den Tränen. An vieles kann er sich selbst gar nicht mehr erinnern, was ihm sehr zu schaffen macht. «Als ich aufgewacht bin, habe ich zuerst gefragt, wer ich bin, und habe meine Frau nicht wiedererkannt», so der dreifache Familienvater. Erst nach mehreren Tagen habe er realisiert, was passiert sei.

Was ihm aber in Erinnerung geblieben ist, sind die lebendigen Träume während der über sechs Wochen im künstlichen Koma. «Ich war in einer anderen Welt», so der dreifache Vater. «Einmal war es schönes Wetter, und später hat es geschneit. Dann ist ein Pfarrer bei mir gesessen, und ich dachte, er hilft mir. Auch von meinen Eltern habe ich geträumt.» Seine Frau fügt an: «Er hat manchmal im Koma geweint.»

Die Familie kämpft weiter

Zum Weinen ist ihm immer noch zumute. Aus lauter Angst, doch noch zu sterben oder wieder wochenlang nicht aufzuwachen, wolle er nie schlafen gehen und habe Panikattacken. Er öffnet den Mund und wackelt an seinen Zähnen, sie sind ganz lose. «Das ist vom Beatmungsgerät», erklärt er. In der Kopfhaut habe er zudem kein Gefühl mehr, auch die Oberschenkel seien taub. «Es ist sehr schlimm für mich, dass ich so unselbständig bin. Ich kann mir nicht einmal mehr selbst einen Chai Tee machen, weil der Wasserkocher für mich zu schwer ist.»

Ans Pizzabacken und -ausliefern kann der frühere Muskelprotz daher noch lange nicht denken: «Die Ärzte haben mir gesagt, es gehe mindestens ein Jahr, bis alles so wird wie vorher.» Dies belaste die Familie derzeit auch finanziell, meint seine Frau: «Ich bin ebenfalls selbständig erwerbend, muss mich aber zusätzlich um den Haushalt, die Kinder und jetzt noch um meinen Mann kümmern. Wir hoffen einfach, dass wir bald Unterstützung kriegen.»

Pizzakurier ruft zum Impfen auf

Ihr Mann nickt zustimmend und meint: «Ich habe den Medien nie geglaubt und gedacht, Corona sei nur eine Grippe. Aber nun bin ich deswegen fast gestorben und rate allen, sich impfen zu lassen. Schaut mich an, niemand sollte so enden müssen wie ich!» Auch das Ehepaar werde sich nun so bald wie möglich impfen lassen.

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