Darum wird sie trotzdem freigesprochen
Aargauerin fälscht Bankauszüge für mehr Sozialhilfe

Kurioser Gerichtsfall im Kanton Aargau. Eine Frau (63) gab zu, ihre Bankauszüge zu fälschen. Um damit mehr Geld vom Sozialamt zu kassieren. Trotzdem wurde sie freigesprochen.
Publiziert: 31.01.2022 um 18:35 Uhr
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Aktualisiert: 01.02.2022 um 11:27 Uhr

Der Fall schien klar: Eine Frau (63) gab zu, über Monate ihre Bankauszüge gefälscht zu haben, um vom Sozialamt weiterhin denselben Betrag zu erhalten, obwohl sie unterdessen einen Nebenverdienst hatte.

Sie hatte sich lediglich gegen den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm AG gewehrt, weil ihr die darin geforderte Geldstrafe zu hoch erschien, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet. Die Staatsanwaltschaft verzichtete sogar darauf, eine Vertretung ans Gericht zu schicken – so sicher war man sich des Sieges. Doch das Bezirksgericht Kulm überraschte alle.

Die Angeklagte ist gelernte Serviceangestellte. Seit Januar 2019 bezog sie Sozialhilfe. Sie habe zwar immer wieder Arbeit gefunden, jedoch nur im Stundenlohn und jeweils nur für kurze Zeit, heisst es im Bericht. «Ich konnte nicht alles bezahlen, es hat mir einfach nicht gereicht», sagte die Beschuldigte vor Gericht. Aufgrund ihrer schwankenden Einkommensverhältnisse hielt sie das Sozialamt jeweils per E-Mail über ihre Finanzen auf dem Laufenden.

Das Bezirksgericht Kulm überrascht mit einem Urteil zu Sozialversicherungsbetrug.
Foto: ag.ch

«Ich habe das PDF verändert»

Und genau das nutzte die heutige Rentnerin aus. Von Dezember 2018 bis Mai 2020 löschte sie regelmässig die aus ihren Jobs resultierenden Lohnauszahlungen aus den Kontoauszügen. 8048 Franken soll sie so zu Unrecht an Sozialhilfe bezogen haben. «Ich habe das PDF in ein Word-Dokument umgewandelt, es abgeändert und dann wieder ein PDF daraus gemacht», schilderte sie ihr Vorgehen in der Zeitung.

Das sei «stümperhaft» gewesen, sagte der Gerichtspräsident dazu. «Man sieht auf den ersten Blick, dass das keine originalen Bankauszüge sein können», wird er zitiert.

Unter anderem hätten Kontonummern gefehlt und Saldi nicht mit den aufgeführten Beträgen übereingestimmt. Zudem löschte die Beschuldigte nicht nur Zahlungseingänge, sondern auch -ausgänge.

«Bei dieser Sachlage etwas stossend»

Diese Stümperhaftigkeit rettete die 63-Jährige jetzt vor einer Strafe. Weil das Sozialamt die dermassen schlecht gemachte Manipulation der Bankbelege über Monate hinweg nicht erkannt habe, könne der Beschuldigten keine arglistige Täuschung vorgeworfen werden, urteilte der Gerichtspräsident.

«Die minimale Sorgfaltspflicht wurde nicht erfüllt», hielt der Gerichtspräsident laut «Aargauer Zeitung» fest. Daher käme auch keine Verurteilung wegen unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe infrage. «Bei dieser Sachlage ist es etwas stossend, aber aufgrund der rechtlichen Konstellation ist die Beschuldigte freizusprechen.»

Vierfach vorbestraft

Damit folgte er der Argumentation der Verteidigung. Diese sagte, Raffinesse oder Durchtriebenheit seien Voraussetzung, um den Tatbestand des Betrugs zu erfüllen. Und das sei in diesem Fall offensichtlich nicht so.

Die Angeklagte war laut Bericht viermal vorbestraft. Unter anderem wegen Urkundenfälschung und einer groben Verletzung der Verkehrsregeln. Für beide bedingt ausgesprochenen Geldstrafen sei noch die angesetzte Probezeit von zwei Jahren, gelaufen. Staatsanwaltschaft forderte daher, den Widerruf und die drei Straftaten mit einer Gesamtstrafe von 10'800 Franken zu sanktionieren.

Am Ende wurde die Dame aber freigesprochen. Aus dem Schneider ist die Seniorin damit noch nicht ganz. Denn der Fall kann ans Aargauer Obergericht weitergezogen werden. (vof)

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