Maskenverweigerer extrem
Ideologischer Kampf auf Kosten des Kindes

Das Schulkind verpasste über 400 Lektionen, weil die Eltern sich nicht mit der Maskenpflicht abfinden konnten. Der Richter zeigte kein Verständnis für die Maskenverweigerer. «Das ist Opposition auf dem Buckel des Kindes.»
Publiziert: 14.07.2022 um 01:12 Uhr
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Aktualisiert: 14.07.2022 um 11:23 Uhr
Beat Michel

«Ich bin mir keiner Schuld bewusst», sagt die Frau, als sie am Regionalgericht Emmental-Oberaargau in Burgdorf BE vom Richter befragt wird. Und dann sagt sie auch gleich den Satz, den sie und ihr Mann während dem Prozess ein gutes Dutzend Mal wiederholen: «Es geht uns nur um das Wohl unseres Kindes.»

Nicole und Thomas W.* sind überzeugte Gegner der Maskenpflicht an Schulen. Vor Gericht wehren sie sich gegen die Busse von 1000 Franken, weil sie ihr Kind während 487 Lektionen nicht in die Schule geschickt haben. Der Richter hat für ihren ideologischen Kampf kein Verständnis.

Der Streit zwischen der Schule und dem Ehepaar beginnt, als ihr Sohn am 9. Februar 2021 ohne Schutzmaske in den Unterricht geht. Der Regierungsrat des Kantons Bern hat zwei Tage zuvor beschlossen, dass die Maskenpflicht auf die 5. und 6. Klasse ausgedehnt wird. Weil der Schüler kein Attest mitbringt, schickt ihn der Lehrer in Absprache mit der Schulleitung gleich wieder nach Hause. «Das war für unser Kind total traumatisch», sagt Nicole W. vor Gericht.

Das Elternpaar vor dem Regionalgericht Emmental-Oberaargau in Burgdorf BE geht mit seinen Anwälten in die Mittagspause. Um 13 Uhr wurde dann das Urteil eröffnet.
Foto: Blick
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Absenz ohne Entschuldigung

Weil es keine rechtsgültige Entschuldigung gibt, bleibt das Kind bis Anfang März zu Hause. «Wir mussten uns von dem Schock erholen», erklärt die Mutter die lange Absenz. Sie könne auch nicht verstehen, warum das plötzlich ein Problem war, dass das Kind während der Pandemie zu Hause blieb. «Im Jahr zuvor hat das Homeschooling während dem Lockdown ja super funktioniert», gab sie zu bedenken.

Anfang März hat die Familie dann ein Attest von einem Arzt. Dieses bescheinigt, dass der Bub keine Maske verträgt. «Er kann einfach nicht gut atmen damit», erklärt die Mutter. Einen echten medizinischen oder psychologischen Grund habe ihr Sohn aber zum Glück nicht.

Auch mit Attest klappt es nicht

Aber auch mit Attest klappt der Schulbesuch nicht wie gewünscht. «Er durfte in der Pause nicht mit den anderen Kindern nach draussen, er musste allein an einem Pult sitzen, er durfte nicht ins Turnen. Als er nach Hause kam, schrie er nur noch, dass er nie mehr in diese Schule will», erzählt die Mutter. Wieder behalten die Eltern das Kind zu Hause, dieses Mal bis zu den Sommerferien.

Der Vater des Bubs sieht die Schuld für den Streit ausschliesslich bei der Schule. «Ich wollte mit ihnen diskutieren. Sie gingen nicht auf uns ein», sagt der selbständige Unternehmer. Sogar als er am Sonntag vor der Einführung der Maskenpflicht den Schulleiter und den Klassenlehrer zu Hause besucht habe, seien sie nicht auf seine Argumente eingegangen. «Der Schule geht es nicht ums Kind, sondern um Machtspiele», sagt Thomas W. mit ernstem Gesicht.

Richter erhöht Busse

Der Richter sieht das anders. Er bestätigt den Strafbefehl vollumfänglich, die Busse erhöht er auf 1300 Franken pro Elternteil. «Die Schule hat nur die Vorgaben der Gesetzgeber umgesetzt, die Maskenpflicht konnte sie gar nicht diskutieren», begründet der Richter. Dann redet der Richter dem Elternpaar ins Gewissen: «Statt sich mit der Schule zu arrangieren, haben Sie auf dem Buckel Ihres Sohnes opponiert. Sie hatten ideologische Gründe. Es gab keinen Notstand. Sie hatten keinen Grund, das Kind von der Schule fernzuhalten.»

Nicole und Thomas W. haben zehn Tage Zeit, eine Begründung des Urteils zu verlangen, und können dann entscheiden, ob sie den Fall vor eine höhere Instanz weiterziehen.

* Namen geändert

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