«Künstliche Intelligenz erkennt Verhalten automatisch»
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Forschung für die Tierhaltung:«Künstliche Intelligenz erkennt Verhalten automatisch»

Künstliche Intelligenz zum Wohl der Tiere
Zoo Zürich und ETH revolutionieren Verhaltensforschung

Zoo Zürich und ETH spannen zusammen, um mithilfe neuer Technologien mehr über das Verhalten von Tieren zu lernen.
Publiziert: 01.05.2022 um 17:34 Uhr
Dominik Mate

Zweite Woche der Frühlingsferien im Kanton: Bei sonnigem Wetter drängen Scharen von Familien in den Zoo Zürich. Eine der Hauptattraktionen ist der Elefantenpark, der aktuell acht asiatischen Dickhäutern eine Heimat bietet.

Doch die Tiere werden nicht nur von den Besuchern bestaunt, sondern auch durchgehend von Webcams gefilmt.

Der Zoo und die ETH Zürich sind eine einzigartige Kooperation eingegangen, bei der mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) das Verhalten von Tieren verschiedener Arten untersucht wird. Zoodirektor Severin Dressen (33), verantwortlich für Hunderte von Mitarbeitenden und rund 5000 Tiere: «Wir wollen neue Technologien nutzen, um die Tierhaltung weiter zu verbessern, zur Forschung beizutragen und die Tiere immer besser zu verstehen. Durch KI wird es möglich, das Verhalten vieler Tiere über einen langen Zeitraum zu analysieren.»

Severin Dressen, Direktor des Zoo Zürich, will neue Technologien nutzen, um die Tierhaltung zu verbessern, zur Forschung beizutragen und die Tiere besser zu verstehen.
Foto: Siggi Bucher
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In der klassischen Verhaltensbiologie muss jedes Individuum und jede Handlung einzeln beobachtet werden, was sehr zeitaufwendig ist.

Die Algorithmen der künstlichen Intelligenz hingegen, entwickelt von Mehmet Fatih Yanik (44) und Markus Marks (32) vom Institut für Neurotechnologie der ETH, können die Tiere in den Aufnahmen unterscheiden und deren Verhalten automatisch einstufen.

Drei Jahre Entwicklung

Professor Yanik, der die Zusammenarbeit mit dem Zoo initiiert hat, versucht den komplexen Prozess einfach zu erklären: «Geht es einem Tier schlecht, dann isst es weniger und nimmt Abstand zu seinen Artgenossen. Die künstliche Intelligenz lernt diese Verhaltensweisen und erkennt sie in den Videoaufnahmen wieder.»

Mastermind hinter der künstlichen Intelligenz ist Markus Marks, der vor seiner Zeit an der ETH an der Seite von Mehmet Fatih Yanik am amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (MIT) geforscht hat. Die Entwicklung der Algorithmen hat fast drei Jahre gedauert. Seit die Forschungsarbeit des Neurotechnologen in Fachmagazinen veröffentlicht wurde, melden immer mehr Forschende und Zoos Interesse an dem Verfahren an. So auch in Uganda, wo das Verhalten von wild lebenden Schimpansen damit untersucht wird.

Im Zoo Zürich ist man glücklich über die Zusammenarbeit und steht in regem Austausch mit den Neuroinformatikern. Die Mitarbeitenden des Zoos geben ihr Wissen an die Forscher weiter, da die digitalisierte Verhaltensforschung bei Tieren noch ein Novum ist.

Sogar das Verhalten von Menschen zu untersuchen, kann einfacher sein, meinen Yanik und Marks. «Im Gegensatz zu Tieren rennen Menschen nicht herum, tarnen sich im Gebüsch oder springen von Bäumen. Die eigentliche Herausforderung für den Algorithmus ist es, in einer Umgebung zu funktionieren, in der sich Tiere sehr schnell bewegen.» Weil Tiere sich anders verhalten, wenn sie sich beobachtet fühlen, ist die Videoüberwachung auch hier von Vorteil.

Ausweitung geplant

In der Natur darf ein Tier keine Schwäche zeigen, deshalb liefert die individuelle Beobachtung durch Forschende nicht immer die richtigen Resultate. Bei Videoaufnahmen fühlen sich die Tiere unbeobachtet und verhalten sich natürlich. Das hilft, sie besser zu verstehen und Probleme rechtzeitig zu erkennen.

Für Dressen ist die Nutzung der künstlichen Intelligenz in vielen Bereichen des Zoos denkbar: «Gerade in den immer komplexeren Ökosystemanlagen, in den Lebensräumen, die wir nachbilden, kann künstliche Intelligenz viel zu Tiermanagement und Tierforschung beitragen.»

In einer geplanten riesigen Voliere mit 150 Papageien werden die Forschenden künftig auch Fragen zum Schwarmverhalten stellen können. Das wäre in der freien Natur aus praktischen Gründen nahezu unmöglich. Nicht zuletzt deshalb ist die Forschung mithilfe künstlicher Intelligenz so wichtig und laut Dressen «einer der Gründe, warum wir die Nutzung so vorantreiben».

Profitieren sollen davon aber nicht nur die Zoobewohner. «Je besser wir die Tiere und ihre Biologie verstehen, umso besser können wir sie auch in ihren natürlichen Lebensräumen in der Natur schützen», so der Zoodirektor.

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