Das Geheimnis des Ex-Sanatoriums von Medoscio
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Geister, Junkies, Satanisten:Nächtliche Schreie aus dem Ex-Sanatorium von Medoscio

Ex-Lungenklinik in Medoscio TI zieht Sprayer, Vandalen und Satanisten an
Das alte Sanatorium ist selber ein Pflegefall

Seit bald 30 Jahren steht das ehemalige Sanatorium am Lago Maggiore leer. Wo einst Kinder mit Schwindsucht behandelt wurden, gleicht heute der Bau aus den 30er-Jahren einem Sperrgebiet, in dem es in den vergangenen Jahren zu mysteriösen Erscheinungen kam.
Publiziert: 28.03.2022 um 09:20 Uhr
Myrte Müller

Die Mutprobe beginnt in einer Linkshaarnadelkurve. Ein schmaler zugewucherter Weg führt zum Zaun des «Sperrgebiets» von Medoscio TI. Ein Schritt durch das aufgeschnittene Loch im Maschendraht, und man betritt eine mystische Welt. Fern scheinen nun die Eigenheime am Hang und das geschäftige Gewerbegebiet auf der Magadino-Ebene. Selbst der Lago Maggiore wirkt entrückt.

Mit einem Dschungel hat die Natur Besitz ergriffen von der Auffahrt, dem Park- und Wendeplatz der ehemaligen Kinderlungenklinik. Am Eingang zur verwaisten Rezeption empfangen kryptische Botschaften auf Papier oder mit Spraydosen an die Fassade gebannt den ungebeten Gast. Eine kopflose, unbekleidete Barbiepuppe mit verbogenen Beinen auf dem Boden dient als Wegweiser.

Graffiti haften an den Wänden. Alte wurden übermalt, brechen mit dem dünnen Putz. Neue ziehen sich wie ein aufblühender Ausschlag über alle Wände der zwei Bauten. Wütende Schmierereien, aber auch echte Kunst. Immer wieder tauchen die Initialen «D.F.T.R.» auf – Don't Forget to Remember (Vergiss nicht, dich zu erinnern).

Das Ex-Sanatorium steht seit bald 30 Jahren leer.
Foto: Remy Steinegger
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Seit 1994 steht das Ex-Sanatorium leer

Anfang der 30er-Jahre wurde das Sanatorium oberhalb der Gemeinde Cugnasco-Gerra TI gebaut. Ein massiver Bau. Funktional und mit Bauhausästhetik. Vier Stockwerke. Die 80 Betten standen schwindsüchtigen Kindern zur Verfügung. Alle Krankenzimmer mit Südlage und Seeblick führten auf die sonnigen Terrassen. Im Souterrain waren die technischen Räume, die Küche, das Bügelzimmer, standen die Dampfsterilisatoren für die medizinischen Instrumente, und von dort starteten zwei Lastenaufzüge. Alles ist heute zugemüllt, verwüstet, längst ausser Betrieb.

In den späten 1960er-Jahren kam ein zweites Gebäude hinzu. Nach Abklingen der Tuberkulose blieb der Komplex in Medoscio ein Pflegeheim für Kranke aller Art. 1991 wurde es ein Altersheim bis es 1994 aus finanziellen Gründen endgültig die Tore schloss. Seitdem wechselte das Ex-Sanatorium mehrmals den Besitzer. Ob Wellnesscenter, Luxushotel oder Entzugsklinik – sämtliche Pläne platzten bislang.

Satanische Riten, Drogendeals und Partys

Mit dem Zerfall zogen die Vandalen ein. Nachbarn hörten Rufe in der Nacht, Glas splittern. Zwei Schülerinnen berichteten von einer Erscheinung. Sie hätten eine Frau über die Flure rennen sehen. Dann sei der Geist plötzlich verschwunden. Andere Kids wurden auf ihrer Gruseltour von einem fernen spitzen Kinderschrei aufgeschreckt. In Bild und Ton festgehalten mit Handys und auf Youtube gestellt.

Es kursieren noch heute Gerüchte. Satanisten hätten ihr Unwesen getrieben, Junkies und Dealer dort Drogen verteilt. «Es stimmt, dass junge Leute hin und wieder den Platz für ihre Partys nutzen», sagt Gianni Nicoli (47), «doch seitdem regelmässig eine Polizeistreife das Grundstück kontrolliert, sind die nächtlichen Treffen auch seltener geworden.»

Der Gemeindepräsident von Cugnasco-Gerra schaut über den Müll, die Graffiti, die aus der Fassung gerissenen Kabel und das zertrümmerte Mobiliar hinweg. «Die Substanz der Gebäude ist noch gut», sagt Nicoli. Der Tessiner hat den Traum nicht aufgegeben. «Nach dem Zonenplan wäre nun ein touristisches Projekt möglich. Man könnte ein Hotel mit 140 Betten und rund 50 neue Arbeitsplätze schaffen», schwärmt der Gemeindepräsident weiter. Es fehlten nur die Investoren.

Sanatorium, Altersheim, Wellnesstempel

Die Idee vom Lungensanatorium für schwindsüchtige Kinder hatte der damalige Bischof Monsignor Aurelio Bacciarini (1873–1935) bereits 1929. Die Architekten Silverio Rianda und Giampiero Respini wurden mit dem Bauprojekt in Medoscio TI beauftragt. 1932 wurde es eröffnet und von den franziskanischen Schwestern von Menzingen ZG geführt. 1991 pachtete eine kleine Glaubensgemeinschaft den Komplex und machte daraus ein Altersheim. Dieses wurde schon drei Jahre später wieder aufgegeben. Ein iranischer Geschäftsmann kaufte 1998 das 70'000 Quadratmeter grosse Gelände. Doch zum geplanten Wellnesstempel mit Luxushotel kam es nie. Grund waren bürokratische Hürden. Das ehemalige Sanatorium wurde 2002 an einen Japaner weiterverkauft.

Remy Steinegger

Die Idee vom Lungensanatorium für schwindsüchtige Kinder hatte der damalige Bischof Monsignor Aurelio Bacciarini (1873–1935) bereits 1929. Die Architekten Silverio Rianda und Giampiero Respini wurden mit dem Bauprojekt in Medoscio TI beauftragt. 1932 wurde es eröffnet und von den franziskanischen Schwestern von Menzingen ZG geführt. 1991 pachtete eine kleine Glaubensgemeinschaft den Komplex und machte daraus ein Altersheim. Dieses wurde schon drei Jahre später wieder aufgegeben. Ein iranischer Geschäftsmann kaufte 1998 das 70'000 Quadratmeter grosse Gelände. Doch zum geplanten Wellnesstempel mit Luxushotel kam es nie. Grund waren bürokratische Hürden. Das ehemalige Sanatorium wurde 2002 an einen Japaner weiterverkauft.

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