Euro-Turbos unter Druck
Sie sehnen sich nach Blocher

Die Freunde des Rahmenabkommens scheinen plötzlich isoliert. Das liegt am Schweigen des Bundesrats – und an neuen, gefährlicheren Gegnern.
Publiziert: 07.02.2021 um 13:03 Uhr
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Aktualisiert: 28.08.2021 um 11:48 Uhr
Reza Rafi

Als der Gewerkschafter und SP-Nationalrat Corrado Pardini (55) im November 2018 Schulter an Schulter mit Christoph Blocher (80) in der SRF-Sendung «Arena» auftrat und gegen den Rahmenvertrag weibelte, war bei den Sozialdemokraten die Hölle los. Es hagelte Proteste und Parteiaustritte.

Für die Befürworter des institutionellen Abkommens mit der EU war Blocher ein dankbarer Gegner. Der SVP-Patron hatte mit seinem Wirken längst jegliche Bündnisfähigkeit verspielt.

Tempi passati. Die Debatte hat heute nichts mehr mit rechts gegen links oder mit SVP gegen den Rest zu tun. Und um das Alphatier aus Herrliberg ist es ruhig geworden; er scheint zuweilen so entrückt wie ein Anker-Gemälde. Die von ihm geschaffene Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) und das Komitee EU-No spielen eine Nebenrolle.

SVP-Patron Blocher hatte sich jegliche Bündnisfähigkeit verspielt.
Foto: keystone-sda.ch
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Bestechende Aufgabenteilung

Plötzlich geben andere den Ton an: die drei Gründer des Vermögensverwalters Partners Group um Alfred Gantner (52) mit ihrer Vereinigung Kompass/Europa und die Gruppierung Autonomiesuisse um den Aargauer Logistikunternehmer und Handelskammer-Vizepräsidenten Hans-Jörg Bertschi (63).

Gantner ist für die Verfechter des Abkommens ein Albtraum: Der Milliardär setzt nicht auf Polarisierung, sondern kritisiert via «NZZ» tiefe Steuersätze, gibt sich sozialkritisch und tauscht sich mit linken «Insta»-Gegnern aus. Er wollte SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (59) an Bord holen und traf Gewerkschaftsführer Pierre-Yves Maillard (52).

Die Aufgabenteilung ist bestechend: Für die Kritik in Sachen Lohnschutz, staatliche Beihilfen und Unionsbürgerrichtlinie sind Parlamentarier von links bis rechts zuständig. Gantners Truppe hingegen – die seit Gründung ihre Mitgliederzahl verdreifacht hat – holt die Souveränitätsfrage hervor.

Hoffnungsträger der Operation Libero sind gerade mit der Burka beschäftigt

Allerdings hat das Thema «Fremde Richter» bislang nie gezogen. So verwarf die Bevölkerung die SVP-Selbstbestimmungsinitiative 2018 mit zwei Dritteln haushoch.

Für Europa-Freunde kommt die Entwicklung zum ungünstigsten Zeitpunkt: Sie sind zur Unsichtbarkeit verdammt, weil sich der Bundesrat hinter Livia Leu Agosti (60) versteckt, um die Ergebnisse ihrer Verhandlungen in Brüssel abzuwarten. Und die einstigen Hoffnungsträger der Operation Libero sind gerade mit der Burka beschäftigt.

Kennzeichnend für diesen Stillstand ist, dass zwar in der Verwaltung ein Argumentarium kursiert, in dem Interviewaussagen Gantners widerlegt werden. Doch weder Aussenminister Ignazio Cassis (59) noch ein anderes Bundesratsmitglied stehen hin und geben Gegensteuer. Cassis sei «halt kein Couchepin», beklagt ein Parteikollege.

Karin Keller-Sutter, die eminente Kritikerin des Vertrags

Im Ja-Lager geht gar die Angst um, dass das Abkommen bereits im Bundesrat scheitern könnte. Im Fokus steht besonders Justizministerin Karin Keller-Sutter (57). Sie gilt als eminente Kritikerin des Vertrags.

Für ihre Partei, die FDP, ist die Sache bitter: Gantner und Bertschi fischen bis tief ins freisinnige Wirtschaftsmilieu nach Unterstützern, betreut wird Gantner ausgerechnet von der FDP-Hausagentur Farner. Überdies sorgt für rote Köpfe, dass etliche Vertreter von Kompass/Europa und Autonomiesuisse mit ihren Firmen schon längst im EU-Raum präsent sind und selber nicht mehr von Markterleichterungen durch das «Insta» abhängen.

Vor allem aber wecken die neuen Herren auf der Bühne keine Berührungsängste mehr wie einst Blocher. Zu viel Nähe zu ihm konnte zum politischen Todeskuss werden; Pardini wurde ein Jahr nach seinem «Arena»-Auftritt abgewählt.

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