Ein Denkmal für die «Zürcher Konkreten»
Kunst, Stein und Macht

Mit klaren Kanten und Farben eroberte eine Schweizer Künstlerströmung die Welt – und die Schweizer Chefetagen. Jetzt wird den «Zürcher Konkreten» mit einem Buch ein Denkmal gesetzt.
Publiziert: 05.05.2024 um 15:25 Uhr
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Aktualisiert: 14.05.2024 um 09:02 Uhr
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Moderne Kunst ist der einzige Ort, wo der Mensch keine Kompromisse machen muss. Aus dieser Freiheit heraus bildete sich im 20. Jahrhundert eine Strömung kreativer Köpfe, die später die Zürcher Schule der Konkreten genannt wurde und die Welt nach Farben und Formen neu ordnen wollte – was weltweit für Aufsehen sorgte.

Zu den Wegbereitern zählen Johannes Itten (1888–1967) und Sophie Taeuber-Arp (1889–1943), herausragende Protagonisten sind Max Bill (1908–1994), Camille Graeser (1892–1980) und Richard Paul Lohse (1902–1988). Jetzt setzt das von Thomas Haemmerli (60) und Brigitte Ulmer (61) herausgegebene Buch «Kreis! Quadrat! Progress!» dieser Bewegung ein Denkmal. Im Band wird ein höchst interessantes Kapitel beleuchtet: Kunst und Macht. In der blühenden Ära der Nachkriegszeit mauserte sich die Kunstgattung zum Statussymbol der Elite.

Ein Foto zeigt den ehemaligen UBS-Chef Oswald Grübel (80) posierend vor einem Max-Bill-Gemälde, die damalige Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (78) vor einem Johannes-Itten-Stück und den Ex-Gesundheitsminister Alain Berset (52) vor einem Bild von Shirana Shahbazi (49); die Schweiz-Iranerin steht mit ihren konzeptionellen Werken in der Tradition der Konkreten.

Max Bills «Pavillon-Skulptur» an der Zürcher Bahnhofstrasse.
Foto: Keystone
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Pavillon-Skulptur an der Bahnhofstrasse

Autor Wolfgang Ullrich (57) erklärt die Vorliebe der Wirtschafts- und Politikkapitäne für die Künstler historisch: «Kaum anders als ehedem in der höfischen Gesellschaft übernahmen Gemälde und Skulpturen die Rolle als Insignien der elitär-exklusiven Stellung von Reichen und Mächtigen.» Die klaren Linien und Formen, die definierten Farben scheinen in den Teppichetagen besonderen Zauber zu vollbringen; das steinerne Symbol dieser Liaison ist wohl Max Bills begehbare «Pavillon-Skulptur» an der Zürcher Bahnhofstrasse. Die Granitplastik sorgt inmitten des volatil-pulsierenden Schweizer Finanzzentrums für eine geistige Verschnaufpause – und lässt manche Geschäftsleute vielleicht davon träumen, keine Kompromisse machen zu müssen.

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