Christof Kramer
«Ich kann nichts mit der Kirche anfangen»

Den Religionsunterricht findet er langweilig. Christof Kramer rebelliert, die Konfirmation zieht er dennoch durch. Vor zwei Jahren ist der heute 21-Jährige aus der reformierten Kirche ausgetreten. Denn: Warum soll er für etwas zahlen, das er nicht nutzt?
Publiziert: 27.02.2024 um 00:12 Uhr
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Alexandra FitzCo-Ressortleiterin Gesellschaft

Er fuhr mit dem Velo durch die Kirche. Heute lacht Christof Kramer*, wenn er diese Geschichte erzählt. Damals ist es seine Art, zu rebellieren. Er ist Schüler der 7. oder 8. Klasse und findet den Religionsunterricht für die Konfirmation langweilig, also radelt er einmal durch das heilige Bauwerk und will damit zum Ausdruck bringen, dass er keinen Bock hat auf das Ganze. Jemand filmt seine Fahrt mit dem Handy. «Das gab ein riesiges Drama», sagt der 21-Jährige. Kramer weiss da bereits, dass er aus der Kirche austreten wird.

Der Jugendliche kann mit der Kirche nichts anfangen, hat andere Interessen. Einmal, so erinnert sich der Freiburger, bringt der Vater ihn und seinen Bruder in die Sonntagsschule. «Es war ein Nachmittag im Frühling, und wir beide waren die Einzigen.» Die Lehrerin erzählt den Kindern die Geschichte von David und Goliath. Doch die Brüder wären lieber draussen am Spielen gewesen. 

«Ich ging nie gerne zur Schule. Daher mochte ich auch den Religionsunterricht nicht.» Für die Konfirmation soll er fünfmal im Schuljahr in einen Gottesdienst. Als Beweis muss er die Unterschrift des Pfarrers holen. Da stellt er sich quer. Die Geschichte mit dem Velo folgt. Sowie ein Gespräch mit der Religionslehrerin und mit seinem Vater. Sein Vater bittet ihn, die Konfirmation durchzuziehen. Das tut er auch.

Christof Kramer geht gerne auf Velotouren. Als Jugendlicher fuhr er mit seinem Velo durch die Kirche – das war seine Art zu sagen, dass er keinen Bock auf den Konfirmationsunterricht hat.
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Warum soll er Kirchensteuer zahlen?

Ziemlich genau vor zwei Jahren googelt er «Kirchenaustritt Formular». Er schickt seiner Kirchgemeinde ein Mail, und ein paar Tage später bekommt er «einen dicken Brief» heimgeschickt. Kramer füllt das Formular aus und schickt es zurück. Erledigt! Der Entschluss auszutreten, ist ein ganz nüchterner. Er fängt mit seiner Lehre an und zahlt das erste Mal Steuern. Die Kirchensteuer stört ihn. «Ich vergleiche das mit einem Abo. Warum soll ich für eine Dienstleistung bezahlen, die ich nicht in Anspruch nehme?» Der 21-Jährige hat ausgerechnet, was er im Jahr 2023 für die Kirche hätte zahlen sollen. 408 Franken. Das wären bei 40 Jahren Erwerbstätigkeit über 16'000 Franken. 

Sein Umfeld reagiert gelassen. Er hat es ja lange angekündigt. Der Vater sagt: «Das ist deine Entscheidung.» Die Mutter, katholisch, ist aufgrund der Missbrauchsfälle vor kurzem auch aus der Kirche ausgetreten. «Mein Freundeskreis ist sehr divers», sagt Kramer. Da seien Katholiken, Reformierte, ein guter Freund sei in einer Freikirche, eine Freundin muslimisch, einer Hindu. Woran seine Freundin glaubt oder ob sie einer Religion angehört, kann er nicht einmal sagen. Das letzte Mal in der Kirche war er vor vier Jahren. Seine Grossmutter wurde beerdigt.

Auch Kramer stellt sich die Frage nach dem Sinn des Lebens oder nach dem Ursprung unseres Daseins. Aber dafür braucht er keine Religion, sondern einen Austausch mit seinen Freunden und seiner Familie. 

* Vorname geändert

Christof Kramer kommt aus Freiburg und arbeitet in Bern als Eventtechniker.

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