Nach Sex-Skandal in St. Johannsen
Verbrecher flüchteten reihenweise aus dem Berner Knast

Die Justizvollzugsanstalt St. Johannsen gilt schon länger als «Skandal-Knast». Innert weniger Jahren entwichen ein halbes Dutzend der inhaftierten Straftäter.
Publiziert: 01.09.2020 um 18:18 Uhr
|
Aktualisiert: 03.09.2020 um 16:32 Uhr
Luisa Ita

Jahrelang war es in der Berner Justizvollzugsanstalt St. Johannsen in Le Landeron ein Kommen und Gehen wie in einem Hotel. Kaum zu fassen: Zwischen 2008 und 2013 entwichen insgesamt sechs Häftlinge aus dem Skandal-Knast. Dies aber nicht auf spektakuläre Art und Weise. Einer zottelte sogar einfach von dannen. Und eigentlich unfassbar: Manche Ausbrecher sind bis heute auf freiem Fuss!

Im Februar 2008 brach René I.* aus der Strafanstalt aus. Vier Frauen hatte der gefährliche Brutalo-Serientäter vergewaltigt. Als er chemisch kastriert werden sollte, ergriff er die Flucht. Anstatt zum Stühleflechten zu erscheinen, spazierte der Vergewaltiger einfach in die Freiheit. Zwei Wochen nach seiner Flucht schrieb René I. einem Knastkumpel einen Brief aus Ungarn. Nach Jahren auf der Flucht soll er jedoch mittlerweile laut dem Berner Amt für Justizvollzug gefasst worden sein.

Zwei weitere Kinderschänder hauen ab

Kurz darauf – im Herbst 2008 – machte sich dann ein verurteilter Kinderschänder aus dem Staub. Der pädophile Igor F.* entwischte bei einem Freigang unter Aufsicht einfach aus einem WC-Fenster. Er war verurteilt worden, weil er mit dem Spitznamen «Adriano» im Internet auf Mädchenfang ging. Sein jüngstes Opfer war 8 Jahre alt. Drei Minderjährige (13 bis 15 Jahre) nötigte er zum Geschlechtsverkehr. Kaum war Igor F. frei, suchte er schon im Internet nach neuen jungen Opfern. Über seine Flucht schwieg das Gefängnis, bis BLICK den Fall publik machte. Erst Monate nach seiner Flucht konnte Igor F. gefasst werden.

Diese Ausbrecher gabs in den letzten Jahren: So berichtete BLICK im Jahr 2013 über das Kommen und Gehen im offenen Vollzug von St. Johannsen.
Foto: Blick
1/7

2009 der nächste Skandal: Kinderschänder Yan H.* ging angeblich fischen und schwamm einfach durch den Zihlkanal davon. Dann spazierte der Pfarrerssohn fünf Kilometer zum Strandbad Saint Joux in La Neuveville BE. Dort verging sich der mehrfach Vorbestrafte brutal an einem Mädchen. Am Abend kehrte er seelenruhig in seine Zelle zurück. Erst Tage später kam durch Zufall aus, dass Yan H. weg war. Die Sicherheitskräfte hatten nämlich davon nichts mitgekriegt.

Flucht-Welle im St. Johannsen geht weiter

Nach all diesen Vorfällen wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Doch auch das nützte anscheinend nichts. 2011 suchte wieder ein Vergewaltiger das Weite. Acht Jahre lang sass er damals bereits in der offenen Vollzugsanstalt. Tagsüber ging er auswärts einem Job nach. Eines Abends kehrte er kurzerhand nicht mehr in seine Zelle zurück. Doch Handy-Ortung sei dank: Die Polizei fasste den Mann in der Wohnung seiner Lebenspartnerin und brachte ihn wieder hinter Gitter.

Doch damit nicht genug. Die Ausreisser-Welle ging weiter. Auch Räuber Halil Y.* (29) gelang im Juni 2012 die Flucht. Nach der Berufsschule in Bern tauchte er unter. Laut dem Berner Amt für Justizvollzug wurde auch er später wieder gefasst.

Baby-Killer spaziert einfach davon

Den dreistesten Abgang dürfte aber Baby-Killer René G.* (53) im Jahr 2013 hingelegt haben. Mit Ausflügen wurde der Mann, der seinen eigenen Sohn (†4 Monate) auf grausame Art getötet hatte, auf die Freiheit vorbereitet. Bei einem Bummel in Bern eröffnete der Mörder seinem Aufpasser: «Ich gehe jetzt.»

Der Betreuer von St. Johannsen war nicht bewaffnet und konnte René G. nicht aufhalten. Vier Tage lang genoss der Baby-Killer die Freiheit, bis er von der Polizei wieder gefasst wurde.

* Namen bekannt


Fehler gefunden? Jetzt melden
Kommentare