Fels donnert am Chüebodenhorn an Wandergruppe vorbei
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Auf über 2000 Metern:Fels donnert am Chüebodenhorn an Wandergruppe vorbei

Bergführer warnt nach Schock-Video aus dem Bedrettotal
«Bei einem Felssturz nützt auch der beste Helm nichts»

Immer wieder kommt es diesen Sommer zu schweren Felsstürzen in den Bergen. Ein erfahrener Experte erklärt, was dahintersteckt – und wie man sich schützen kann.
Publiziert: 11.09.2023 um 21:33 Uhr
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Sven ZieglerRedaktor News

Das Video von der Piansecco-Hütte im Bedrettotal sorgt für Aufsehen: Auf der Facebook-Seite der Berghütte ist auf einer Aufnahme zu sehen, wie ein grosser Stein eine Wandergruppe nur knapp verfehlt.

Die Aufnahmen wurden am Freitag in einer Höhe von 2000 Metern aufgenommen und zeigen die sogenannte Chüebodenrinne zwischen dem Tessin und dem Wallis. Plötzlich löst sich ein Felsbrocken vom Berg und rollt in rasendem Tempo die Rinne hinab. Die Steine landen auch auf dem Weg, der zum Gerenpass führt – und verfehlen die Menschengruppe nur knapp.

Es ist nicht der erste gefährliche Steinschlag in diesem Sommer. Ende August wird ein Bergsteiger am Matterhorn von einem Steinschlag getroffen. Mit viel Glück wurde er nur am Knie verletzt und konnte geborgen werden. Ende Juli wurden zwei Seilschaften auf der Walliser Aiguille du Tour von Gesteinsmassen getroffen, zwei Bergsteiger kamen ums Leben. 

Bergführer Christian Andermatt, Leiter Ausbildung Winter beim Schweizer Alpen-Club (SAC).
Foto: Zvg
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Sommer-Temperaturen sorgen für Felsstürze

Dass sich die Steinabbrüche jetzt häufen, ist kein Zufall, sagt Bergführer Christian Andermatt, Leiter Ausbildung Winter beim Schweizer Alpen-Club (SAC). Steinschläge würden von hohen Temperaturen beeinflusst. «Diesen Sommer war Sommer wieder zu lesen, dass die Null-Grad-Grenze praktisch auf Rekordniveau liegt. Das hat zur Folge, dass auch in höher gelegenen Gefilden der Permafrost auftaut. Das begünstigt Naturphänomene wie Felsstürze oder Steinschläge», so der Experte im Gespräch mit Blick. 

Dass mitunter auch Berggänger von den herabstürzenden Gesteinsmassen getroffen werden, lasse sich nicht vollständig verhindern. So gebe es etwa keine Geräte, die vor möglichen Steinschlägen warnen oder eine hundertprozentige Sicherheit bieten. Helfen könne allerdings eine gute Vorbereitung, sagt Andermatt. «Eine gute Tourenplanung, beispielsweise mit dem SAC-Tourenplaner im Internet, ist essenziell. So können das Gelände, die Länge der Tour und die möglichen Begebenheiten am Berg abgeschätzt werden.» Beim Tourenplaner des SAC würden grössere Ereignisse wie beispielsweise Felsstürze auch auf den interaktiven Karten eingetragen – als Warnung für andere Alpinisten. 

Auch ein Anruf bei lokalen Bergführer-Büros oder einem Hüttenwart könne helfen, die Situation vorab besser einschätzen zu können. «Die Bergführer vor Ort wissen ziemlich gut Bescheid über die Begebenheiten in der Region. Schlussendlich liegt aber die Entscheidung über eine Durchführung der Tour ganz klar beim jeweiligen Berggänger.» 

Die Zeichen der Natur erkennen

Unterwegs gelte es dann, die Augen offen zu halten und die Natur zu lesen. Ein Beispiel: Wer auf dem Weg frische Gesteinsbrocken entdeckt, sollte vorsichtig sein. Auch frische Gesteinsmassen auf Gletschern können Zeichen für einen kürzlichen Rutsch sein. «Da sollte man dann gut aufpassen, sich nicht allzu lange in diesem Gebiet aufhalten und nicht etwa noch an dieser Stelle Pause machen», weiss Andermatt.

Im Zweifelsfall solle man lieber umdrehen, rät der erfahrene Alpinist. «Keinesfalls sollte man irgendwo hinsteigen, nur um etwas zu beweisen. Die Natur und die frische Luft sind wichtiger, als einen Gipfel zu besteigen», sagt Andermatt. Denn: «Wenn man in einen Felssturz mit tonnenschweren Felsbrocken gerät, nützt auch der beste Helm nichts mehr.» 

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