«Sie belästigen mich mit Winken und Pfeifen»
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Bauernkrieg im Entlebuch:«Sie belästigen mich mit Winken und Pfeifen»

Bäuerin Marie Koch (74) fühlt sich um ihren Hof geprellt
«Ich bin hier geboren, ich will hier sterben»

Die rüstige Bäuerin Marie Koch aus Rengg LU hat 2017 ihren Hof samt Land und Wald an einen damaligen Gehilfen für 213'000 Franken verkauft. Kurz darauf wollte sie den Kaufrechtsvertrag rückgängig machen. Seither herrscht Krieg auf der Alm.
Publiziert: 13.11.2021 um 13:48 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2021 um 13:16 Uhr
Beat. Michel

Der Bauernhof von Marie Koch (74) in der Nähe von Rengg bei Entlebuch LU liegt schön eingebettet in hügeligen Weiden und malerischen Wäldchen. Das Land rund um den Hof gehört zum Anwesen. Satte 12 Hektare saftige Wiesen, das sind 120'000 Quadratmeter. Doch die Idylle trügt.

Noch ist das Dorforiginal als Besitzerin im Grundbuch eingetragen. Aber schon bald gehen Hof, Haus und Maschinen an den Jungbauern Janik B. (28) über. Gegen den Willen der hier aufgewachsenen Noch-Besitzerin. Seit drei Jahren kämpft sie mit allen Mitteln gegen die Handänderung. Doch sie hat bereits vor Bundesgericht verloren. Jetzt ist noch ein letzter Versuch am Bezirksgericht Willisau LU hängig. «Ich gebe den Hof nicht her. Niemals!», sagt Marie Koch kämpferisch. «Ich bin hier geboren, ich will hier sterben.»

Das Ganze hat begonnen, nachdem die betagte Bäuerin 2016 krank wurde. Die Grossmutter von Janik B. habe ihr in der Zeit Essen gebracht und auch beim Äpfelsammeln geholfen. «Da hat sie gesagt, dass ihr Enkel gerne in den Schulferien auf dem Hof helfen möchte», erinnert sich Marie Koch. Und weiter: «Das war kurz vor Weihnachten 2016. Er durfte Holz bündeln für mich.»

Bäuerin Marie Koch kämpft um ihren Hof im Entlebuch.
Foto: Beat Michel
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Grossmutter fädelte Verkauf ein

Weil es ihr damals immer schlechter ging, habe sie Janik B. vermehrt auf dem Hof helfen lassen. «Schliesslich fragte mich die Grossmutter von Janik, ob ich nicht ihrem Enkel den Hof verkaufen möchte. Dann haben sie mich am 11. Februar 2017 in das Ferienhaus ihres Anwalts gekarrt und zu dem Vertrag überschnurrt», sagt Marie Koch erzürnt. Sie hat Tränen in den Augen: «Sie versprachen mir, dass ich weiterbauern kann und Janik nur macht, was ich sage. Zudem würde ich gepflegt und versorgt werden. Alles falsche Versprechen.»

Das sieht Käufer Janik B. ganz anders. Es sei alles mit rechten Dingen abgelaufen. Am Anfang habe ja auch alles wie angedacht gut geklappt. Doch dann kam alles anders. Er sagt zu Blick: «Es passierte von einem Tag auf den anderen. Sie kam plötzlich nicht mehr auf den Hof, um zu helfen. Das war wenige Monate, nachdem wir den Kaufrechtsvertrag unterschrieben hatten.» Von da an sei die Frau wie ein umgekehrter Handschuh gewesen. «Es war ihr nichts mehr recht. Sie zeigte mich, meine Freundin und meinen Vater etwa zehn Mal wegen verschiedener Sachen an. Die Gerichte gaben ihr nie recht.»

Kampf bis vor Bundesgericht

Auch die Klage, den Vertrag rückgängig zu machen, verlor Marie Koch bis vor Bundesgericht. Etwas mehr als einen Monat nach der Unterzeichnung reichte sie damals die Klage am Bezirksgericht Willisau ein. Am 22. Juli 2020 schmetterte nach dem Kantonsgericht auch die oberste Instanz der Schweiz schliesslich die Klage ab. Das Bundesgericht sah weder eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit noch eine Übervorteilung gegeben, und auch eine Notlage habe nicht vorgelegen. Der Vertrag ist gültig.

Vor dem Bezirksgericht Willisau ist nun noch eine neue Klage hängig. «Es geht nur noch um die Übertragung des Eigentums in das Grundbuch, denn bezahlt ist die Liegenschaft schon seit 2017», sagt Janik B. überzeugt. Er ist zuversichtlich, dass er bald offiziell der Besitzer der Liegenschaft ist.

Dass der Preis von 213'000 Franken weit unter dem wahren Wert des Hofs liegt, ist dem Käufer bewusst. Er sagt dazu: «Sie wollte es so. Ich war bereit, mehr zu zahlen, ich habe es ihr angeboten. Sie wollte es nicht. Ausserdem hat sie zusätzlich ein kostenloses Wohnrecht auf Lebzeiten für ihre Wohnung.»

Einsatz der Spezialeinheit «Luchs»

Die Situation auf dem Hof ist angespannt. Janik B. bewohnt den ersten Stock des Wohnhauses, Marie Koch das Parterre. Sie können gar nicht anders, als sich jeden Tag auf die Nerven zu gehen. Sie beobachten und fotografieren sich gegenseitig. Machen sich Vorwürfe. Beschimpfen sich. Weil sich Janik B. bedroht gefühlt hatte, wurde sogar die Spezialeinheit «Luchs» der Kapo Luzern eingesetzt. Sie konfiszierte die alte Schrotflinte von Marie Koch.

Wie sich die Situation verbessern könnte, wissen beide Seiten nicht. Der Jungbauer sagt: «Es ist festgefahren. Sie will auch keine Mediation. Sie versucht, uns auf alle Art loszuwerden. Vielleicht beruhigt sie sich, wenn der Hof definitiv mir gehört.»

Vermutlich steht bis Ende Jahr auch der Name von Janik B. im Grundbuch. Auf die Klage von Marie Koch wird nur eingetreten, wenn sie einen Kostenvorschuss von über 30'000 Franken leisten kann – ihr Konto ist leer.

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