«Angriff auf fremdes Hoheitszeichen»
Verurteilt, weil er die Mullah-Flagge herunterholte

Die Bundesanwaltschaft bestraft zwei Iraner aus dem Wallis, weil sie während einer Demo in Bern die Fahne der iranischen Botschaft einholten. Der Bund gab grünes Licht für ein Strafverfahren.
Publiziert: 25.06.2023 um 00:46 Uhr
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Aktualisiert: 25.06.2023 um 13:42 Uhr
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Sie wollten bloss ein Zeichen setzen, sagen sie – gegen das islamistische Regime im Iran, gegen die Unterdrückung der Frauen, die brutale Repression: Jetzt werden sie bestraft. Die Bundesanwaltschaft (BA) hat zwei Iraner verurteilt, weil sie die Mullah-Flagge im Vorgarten der iranischen Botschaft in Bern vom Mast geholt haben.

Die Männer – 19 und 47 Jahre alt – leben im Kanton Wallis. Am 1. Oktober reisten sie nach Bern und nahmen an einer Solidaritätsdemo für die Freiheitsbewegung im Iran teil. Dabei kletterten sie über den Zaun der Botschaft und holten die iranische Flagge herunter.

«Beleidigende Handlung» für den Iran

Per Strafbefehl wurden die Aktivisten nun zu einer bedingten Geldstrafe verdonnert, schuldig gesprochen wegen Landfriedensbruch und tätlichen Angriffs auf fremde Hoheitszeichen. Laut Artikel 298 des Strafgesetzbuchs wird bestraft, wer «Hoheitszeichen eines fremden Staates, die von einer anerkannten Vertretung dieses Staates öffentlich angebracht sind, (...) böswillig wegnimmt, beschädigt oder beleidigende Handlungen daran verübt».

Ein Aktivist holt die Flagge im Vorgarten der iranischen Botschaft in Bern herunter.
Foto: Keystone
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Gemäss Strafbefehl fasste der iranische Staat die Aktion der beiden Walliser als «beleidigende Handlung» auf. Die Bundesanwaltschaft ersuchte die Regierung in Bern um eine in solchen Fällen nötige Ermächtigung für ein Strafverfahren – und bekam grünes Licht.

Joel Weibel, Sprecher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), bestätigt dies und sagt: «Die Ermächtigung wird nur in sehr seltenen Ausnahmefällen verweigert.» Zum Beispiel dann, wenn das politische Interesse der Schweiz geschützt werden muss. Im Fall der Flaggenaktion hatte das EJPD laut Weibel keinen Handlungsspielraum.

«Schweizer Regierung ein gutes Verhältnis zum Iran»

SonntagsBlick konnte mit dem älteren der beiden Verurteilten reden. Er will anonym bleiben, sagt nur: «Leider hat die Schweizer Regierung ein gutes Verhältnis zum Iran und möchte dieses nicht gefährden.» Er sei zum Zeitpunkt der Aktion verzweifelt gewesen, wollte ein Zeichen setzen. Denn: «Die Polizei im Iran hat meinen kleinen Bruder erschossen.»

Seit September wurden bei Demonstrationen gegen das Mullah-Regime Hunderte Menschen getötet. Ausgelöst durch den Tod von Mahsa Amini (†22), die in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen und misshandelt worden war, lehnen sich junge Menschen im ganzen Land auf.

Recherche-Hinweise

Haben Sie Hinweise zu brisanten Geschichten? Schreiben Sie uns: recherche@ringier.ch

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Zwar ist es stiller geworden um den Aufstand, die Proteste gehen aber weiter – im Iran wie auch in der Schweiz. Saghi Gholipour, Aktivistin des Netzwerks Free Iran Switzerland, sagt: «Es ist wichtig, dass wir weiterhin aufmerksam sind und die Geschehnisse im Iran verfolgen.» Die Freiheitsbewegung sei noch immer sehr aktiv. Nur die Formen des Protests hätten sich gewandelt.

Demonstration in Basel zum Todestag von Masha Amini

Zu Beginn dominierten Massendemonstrationen. Nun gehen Frauen ohne Kopftuch in die Öffentlichkeit. Jede Nacht rufen die Menschen Parolen aus ihren Fenstern. Und wenn es hell wird, prangen an den Wänden der Städte Graffitis gegen das Regime.

In der Schweiz bereitet sich das Netzwerk Free Iran Switzerland auf den Todestag von Mahsa Amini vor, den 16. September. «Wir planen eine grosse Demonstration in Basel», kündigt Gholipour an.

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