Angehörige von Opfer des Ju-52-Absturzes im Interview
«Zu wissen, ob es ein Pilotenfehler war, bringt mir nichts»

Christina B. verlor ihre grosse Schwester und ihren Schwager beim Absturz der Ju-52 im Sommer 2018. Im Interview spricht sie über die schwere Zeit nach dem Unglück, Wut auf die Piloten und den ersten Besuch an der Unfallstelle.
Publiziert: 16.09.2020 um 19:53 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2021 um 07:45 Uhr
Die Piloten der Unglücksmaschine: Rudolf J.* (†62, links) und Peter M.* (†63). Sie galten beide als sehr erfahrene Flieger.
Foto: Markus Dobrozemsky/Austrian Wings
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Niemand überlebte, als am 4. August 2018 eine Ju-52 auf die Westflanke des Piz Segnas bei Flims GR stürzte. Unter den 20 Todesopfern waren viele ältere Ehepaare, die Flugbegleiterin (†66). Und die beiden Piloten (†62 und †63), gegen die später in den Unfallberichten schwere Vorwürfe erhoben wurde. Über zwei Jahre danach gab nun ein Familienmitglied zweier der Todesopfer dem christlichen Radiosender «Life Channel» ein 50-minütiges Interview.

Christina B. will anonym bleiben, verlor beim schlimmsten Schweizer Flugunglück der letzten 20 Jahre die Schwester und deren Ehemann. Trotz vieler offener Fragen scheint die Frau mit sich im Reinen: «Einen schöneren Platz zum Sterben hätten sie sich nicht aussuchen können», sagt sie gegen Ende des Gesprächs zu Moderator Ruedi Josuran.

«Ich habe ein fünfstündiges Blackout»

Ihr Schwager habe das Ticket für den Flug zum 60. Geburtstag geschenkt bekommen: «Er wollte das schon immer mal machen und schwärmte schon lange vor der Ju.» Ganz anders habe ihre Schwester auf den geplanten Flug reagiert. «Ihre erste Reaktion war: ‹Schatz, das kannst du vergessen›.» Trotzdem stieg sie schliesslich in die Todesmaschine ein. «Ich hatte nach dem Unfall eine Wut auf meinen Schwager. Er wusste genau, dass sie an solchen Dingen keine Freude hat», sagt die Hinterbliebene ehrlich. «Sie war immer sehr vorsichtig.»

Ihre grosse Schwester beschreibt sie als «sehr toleranten Menschen», die immer das Gute gesehen habe. Sie sei zum zweiten Mal verheiratet gewesen, baute zusammen mit ihrem Ehemann ein Geschäft auf.

In dem Moment, als ihr die Nachricht vom fatalen Absturz überbracht wurde, sei sie zusammengeklappt, sagt Christina B. «Ich hatte mein Natel in der Hand und rief immer wieder meine Schwester an. Ich sagte allen, sie ruft gleich zurück.» Der Rückruf kam nie. An vieles, was unmittelbar nach der Todesnachricht passierte, erinnert sie sich nicht mehr. «Ich habe ein fünfstündiges Blackout.»

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«Die Wut ging und kam nicht mehr zurück»

Es habe ein Jahr gedauert, bis sie die Kraft aufbrachte, an die Unfallstelle zu gehen. «Wir sahen die Kerzen an der Unfallstelle und haben nur noch geweint. Hier passierte etwas mit mir», erklärt Christina B. «Die Wut ging und kam nicht mehr zurück.»

Im Gespräch kommt sie dann auch auf die beiden Piloten zu sprechen. Schon früh sickerten Details aus den Berichten der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle Sust an die Öffentlichkeit. Demnach haben die Piloten mit leichtsinnigen Regelbrüchen den Unfall verschuldet. Christina B. sagt dazu nur: «Was bringt es mir, zu wissen, ob es ein Pilotenfehler war oder nicht? Es bringt mir nichts.»

Der Abschlussbericht soll bis Anfang November dieses Jahres veröffentlicht werden. (sac)


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