Zürich intervenierte wegen Kurzarbeitsentschädigung
Jetzt muss der Bund über 2 Milliarden Franken nachzahlen

Der Bund knauserte zu Unrecht bei der Kurzarbeitsentschädigung – und zahlt dafür nun die Zeche. Die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh ärgert sich über das Vorgehen des Bundes.
Publiziert: 11.03.2022 um 14:26 Uhr
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Aktualisiert: 11.03.2022 um 18:03 Uhr
Ruedi Studer

15 Milliarden Franken! So viel Geld hat der Bund in den letzten zwei Jahren für die Corona-Kurzarbeitsentschädigung bezahlt. Eine wichtige Hilfe für Angestellte, die während der Pandemie wegen geschlossener Beizen, Fitnesszentren oder Kinos vorübergehend nicht mehr arbeiten konnten. Auch die betroffenen Unternehmen wurden entlastet, ohne gleich ihr Personal auf die Strasse stellen zu müssen.

Allerdings: Den Firmen gegenüber knauserte der Bund. Die Kurzarbeitsentschädigung beträgt 80 Prozent des Lohns. Statt diesen Betrag voll zu übernehmen, pochte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf einen Abzug für die Feiertage – zumindest für Angestellte im Monatslohn. Der Kanton Zürich mit sechs Feiertagen im Jahr 2020 sollte den Betrieben nur 77,6 Prozent der Löhne überweisen. In anderen Kantonen mit mehr offiziellen Feiertagen sogar noch weniger.

Zürich zog vor Gericht

Eine zusätzliche Belastung für die arg gebeutelten Betriebe also. Das rief die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (64, FDP) auf den Plan. Sie intervenierte im Mai 2020 bei Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62, SVP) – allerdings ohne Erfolg. Das Seco beharrte auf seinem Standpunkt und auferlegte Zürich gar eine Trägerhaftung für die aus Bundessicht zu viel ausbezahlte Kurzarbeitsentschädigung. Denn Zürich hatte sich nicht an die Seco-Weisung gehalten.

Das Seco stellte zum Ärger der Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh auf stur. «Hätte der Bund damals auf den Kanton Zürich gehört, hätte man heute nicht eine derart unschöne Situation», so die FDP-Regierungsrätin.
Foto: keystone-sda.ch
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Der Kanton Zürich brachte den Fall vors Bundesverwaltungsgericht. Bevor die Richter in St. Gallen entscheiden konnten, hat das Bundesgericht in Lausanne in einem anderen Fall ein Leiturteil gefällt: In der Kurzarbeitsentschädigung muss nicht nur ein Feiertags-, sondern auch ein Ferienanteil einberechnet werden. In der Regel geht es dabei um gut 14 Prozent der Lohnsumme.

Jetzt werden Nachzahlungen fällig

Per Anfang 2022 setzte das Seco das Urteil um. Doch für die zwei vorangegangenen Jahre werden nun Nachzahlungen fällig! Das hat der Bundesrat am Freitag entschieden. Die betroffenen Firmen müssen die Nachzahlungen selber beantragen.

Insgesamt geht es um eine happige Summe. Es sind über 2 Milliarden Franken, welche die Firmen schweizweit nun rückwirkend beim Bund geltend machen können. Das bestätigt Seco-Sprecher Fabian Maienfisch gegenüber Blick: «Wenn alle Unternehmen eine Nachzahlung geltend machen würden, könnte das zu Nachzahlungen von bis zu 2,1 Milliarden Franken führen.» Gemäss Arbeitslosenversicherungsgesetz übernehme der Bund die effektiv von der ALV geleisteten Kurzarbeitszeitentschädigung für die Jahre 2020 bis 2022. «Der Bundesrat wird daher diesen Betrag in einen Nachtragskredit zum Voranschlag 2022 aufnehmen», so Maienfisch.

Allerdings dauert es noch mit den Auszahlungen, denn das Seco muss zuerst noch eine «technische Lösung erarbeiten, um die Betriebe und die Arbeitslosenkassen bei der Abwicklung zu unterstützen», wie es in einer Medienmitteilung heisst. Voraussichtlich Ende Mai will das Seco die betroffenen Betriebe direkt informieren, wie und ab wann die Anträge einzureichen sind.

Zudem werden die Nachzahlungen mit allenfalls erhaltenen Härtefallgeldern oder anderen Unterstützungsleistungen verrechnet.

Es geht um Zehntausende Firmen, für welche eine Nachzahlung in Frage kommt. Den Kantonen wie auch den Firmen steht nun ein riesiger bürokratischer Aufwand bevor. «Die rückwirkende Korrektur der Kurzarbeitsentschädigung ist sehr komplex, da sämtliche Ansprüche einzeln beurteilt werden müssen», sagt die Zürcher Regierungsrätin Walker Späh zu Blick. Ein Aufwand, der hätte vermieden werden können. «Hätte der Bund damals auf den Kanton Zürich gehört, hätte man heute nicht eine derart unschöne Situation.»

Walker Späh ärgert sich heute noch

Sie ärgert sich heute noch über das damalige Vorgehen des Seco. «Statt mit uns in einen echten Dialog zu steigen, hat es Befehle erteilt und am Kanton Zürich ein Exempel statuiert.» Immerhin hat das Seco die Trägerhaftung mittlerweile widerrufen.

Die Volkswirtschaftsdirektorin zeigt sich erfreut, dass die betroffenen Firmen die ihnen zustehenden Gelder nun doch noch erhalten sollen. Alleine im Kanton Zürich waren auf dem Höhepunkt der Corona-Krise über 30'000 Unternehmen mit rund 380'000 Arbeitnehmenden für Kurzarbeit angemeldet – also jeder dritte Arbeitnehmende.

«Wir rechnen mit mehreren Hundert Millionen Franken», so Walker Späh. «Das viele Geld ist den Unternehmen entgangen, die während der Krise mit viel Müh und Not Arbeitsplätze erhalten haben. Dass sie dieses Geld nun doch noch erhalten, ist nur richtig.»

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