Weitere Enthüllung im Fall von Bersets Ex-Sprecher
Zürcher Kapo wollte in Bern Laueners Mails knacken

Eine Abteilung für Schwerverbrecher klopfte beim Informatikdienst des Bundes an. Sie wollte Mails von Alain Bersets rechter Hand, Peter Lauener, entschlüsselt haben. Doch die Bundesangestellten wehrten sich.
Publiziert: 27.07.2023 um 11:06 Uhr
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Aktualisiert: 28.07.2023 um 17:19 Uhr

Die Ungereimtheiten um die Ermittlungen gegen den früheren Medienchef in Alain Bersets (51) Innendepartement, Peter Lauener (52), sind um ein Kapitel reicher: Wie der «Tages-Anzeiger» berichtete, wollte die Zürcher Kantonspolizei, die Laueners Mails auswertete, auch die verschlüsselten Nachrichten darunter knacken. Doch Mitarbeiter des Informatikdienstes wehrten sich. Es brauche eine richterliche Genehmigung dazu, vermuteten sie – doch diese fehlt bis heute.

Von vorn: Im Auftrag des früheren Sonderermittlers Peter Marti untersuchten die Polizisten anfänglich nach Lecks in der Bundesverwaltung im Rahmen der sogenannten Crypto-Affäre. Dazu besorgte sich Marti den Mailverkehr Laueners.

Eine Verschwörung?

Hier stiess er auf eine weitere vermeintliche Amtsgeheimnisverletzung, ja allenfalls noch auf ein viel weitreichenderes Vergehen – glaubte er zumindest. Während der Corona-Pandemie waren nämlich immer wieder Vorabinformationen bei verschiedenen Medien – darunter beim Blick – über Corona-Massnahmen gelandet.

Die verschlüsselten Mails des Ex-Medienchefs von Alain Berset, Peter Lauener (links), sollten geknackt werden.
Foto: Keystone
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Marti fielen die häufige Mailkontakte auf zwischen Lauener und Marc Walder (57), dem Chef des Ringier-Verlags, der den Blick herausgibt. Deshalb hegte der Sonderermittler den Verdacht, dass Lauener und Walder gar verschwörerische Klüngeleien begangen haben könnten – allenfalls im Wissen von Bundesrat Alain Berset.

Dürfen Mails verwendet werden?

Da Marti den gesamten Mailbox-Inhalt über fast zehn Jahre – statt nur für die angeforderten sechs Wochen – vom Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) geliefert bekommen hatte, stellen sich viele Fragen zur Rechtmässigkeit im Verfahren.

Obwohl Marti sich nämlich bewusst war, dass er unrechtmässig viel zu viele Mails erhalten hatte, wie ein Schreiben zeigt, liess er Laueners gesamte Mails auswerten.

Inzwischen sind die Mails versiegelt. Ob diese entsiegelt und damit genutzt werden dürfen im Verfahren, darüber entscheidet das Berner Zwangsmassnahmengericht.

Schwerverbrecher-Abteilung?

Peter Marti hat sich inzwischen als Sonderermittler zurückgezogen. Das Verfahren gegen Lauener wird von der Bundesanwaltschaft (BA) weitergeführt. Das dürfte für die BA herausfordernd sein: Marti hatte Lauener gar einige Tage in Vorbereitungshaft nehmen lassen, musste ihn dann aber laufen lassen. Würden die Gerichte letztinstanzlich zeigen, dass die Mails alle nicht verwendet werden dürfen, hätte das Verfahren gegen Lauener einen schweren Stand.

Wie die Recherchen des «Tages-Anzeigers» zeigen, hatte Sonderermittler Marti die verschlüsselten Nachrichten in Laueners Mailbox im Dezember 2021 knacken lassen wollen. Polizisten der Kapo Zürich klopften deshalb beim BIT an – sie waren von der Ermittlungsabteilung für Strukturkriminalität. Diese Einheit ist eigentlich für Schwerverbrecher da.

Doch laut dem Artikel wehrten sich zwei BIT-Leute gegen die Entschlüsselung: Ein Jurist betonte, für den Eingriff in das geschützte System und in die Privatsphäre Laueners brauche es wohl eine richterliche Entsiegelungsgenehmigung. Diese liegt bis heute nicht vor.

Laut «Tages-Anzeiger» gab ein leitender Zürcher Kantonspolizist zurück: Sonderermittler Marti bestimme, wie vorgegangen werde. Seine berufliche Erfahrung zeige, dass es auch andere Vorgehensweisen gebe, die nicht minder schwer wiegen würden. Es ist offen, was genau der Polizist damit ausdrücken wollte.

Vertrauen erschüttert?

Der zweite BIT-Mitarbeiter vor Ort war Informatiker. Er meinte, dass jeweils nur der jeweilige Accountinhaber Zugang zu seinen verschlüsselten Mails habe. Auf den Schutz ihrer Daten müssten sich Hunderttausende Mitarbeitende der öffentlichen Hand verlassen. Das Knacken der Verschlüsselung wäre möglich, aber ein massiver Vertrauensbruch. Das BIT habe das in einer solchen Konstellation noch nie gemacht. Würde das bekannt, wäre das Vertrauen in den Informatikdienst des Bundes erschüttert.

Es ist unklar, ob die verschlüsselten Nachrichten in Laueners Mailbox geknackt wurden oder nicht – das BIT gibt keine Auskunft dazu.

Der Beschuldigte Peter Lauener bestreitet, sich widerrechtlich verhalten zu haben. Es gilt die Unschuldsvermutung. (pt)

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