Wegen Zoff um Präsidentin
Schweizer Tierschutz droht handlungsunfähig zu werden

Die Schweizer Tierschutz-Präsidentin Nicole Ruch steht wegen fragwürdiger Geschäfte und Spesen in der Kritik. An der ausserordentlichen Delegiertenversammlung Ende Januar droht ihr die Absetzung. Gefordert wird ein kompletter Neuanfang.
Publiziert: 04.01.2024 um 20:34 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2024 um 07:34 Uhr
Klammert sich an ihr Amt: Tierschutz-Präsidentin Nicole Ruch.
Foto: Rolf Neeser
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Ein freiwilliger Rücktritt kam für Nicole Ruch (55) nie infrage. Die Präsidentin des Schweizer Tierschutzes (STS) steht massiv in der Kritik – es geht unter anderem um fragwürdige Immobilien-Deals, überrissene Spesen und den Vorwurf zweckentfremdeter Spenden. Die Zertifizierungsstelle Zewo rät darum von Spenden an den STS ab.

Nun könnte Ruch zum Abgang gezwungen werden. Am 27. Januar kommt es in Olten SO an der ausserordentlichen Delegiertenversammlung zum Showdown. Mehrere Sektionen fordern die Absetzung der Präsidentin.

Blick liegt ein Antrag des Tierschutzes beider Basel (TBB) vor. Dieser fordert nicht nur den Rücktritt Ruchs, sondern eine Kompletterneuerung des Vorstands.

«Vertrauen ist zerstört»

Im Antrag spricht der Basler Tierschutz von einem «desaströsen Zustand», in dem sich der STS befinde. «Das Vertrauen in den Tierschutz ist zerstört. Innert einer Woche sind sechs Personen aus dem TBB ausgetreten, die Spenden sind um 15 bis 20 Prozent eingebrochen», sagt Beatrice Kirn (65), Geschäftsführerin des Tierschutzes beider Basel. «Der Schaden ist riesig.» Der einzige Weg, das Vertrauen wiederherzustellen, sei ein kompletter Neuanfang gemäss den von ihnen genannten Bedingungen.

Konkret soll eine Findungskommission eingesetzt werden, die bis im Sommer ein neues Präsidium und einen neuen Vorstand zusammenstellen soll. Über deren Wahl soll an einer weiteren ausserordentlichen Delegiertenversammlung Ende August entschieden werden. Für die Leitung der Findungskommission bringt die Basler Sektion Lukas Berger (61) ins Spiel, der bis vor kurzem noch den Rechtsdienst des Tierschutzes leitete und sich intern gegen Ruchs Praktiken gewehrt hatte.

«Team Neuanfang» in den Startlöchern

Als Übergangspräsidenten schlägt die Basler Sektion den aktuellen STS-Vizepräsidenten Piero Mazzoleni (72) vor. Auch das bisherige Vorstandsmitglied Lolita Morena (63), vielen als ehemalige Miss Schweiz bekannt, und die beiden suspendierten Vorstandsmitglieder Agraringenieur Michel Roux (67) und SP-Nationalrätin Martina Munz (68) sind für das «Team Neuanfang» vorgesehen. Letztere beiden hatten vergangenes Jahr eine Strafanzeige gegen Ruch und weitere Personen aus dem Vorstand eingereicht.

Die Stiftung steht unter Handlungsdruck. Der ehemalige Tierschutz-Hausjurist Berger weist in einem Schreiben an die Delegierten darauf hin, dass die Stiftung derzeit juristisch gar nicht beschlussfähig sei. Denn seit dem 1. Januar sei die Amtsdauer von sechs der zehn verbliebenen Vorstandsmitglieder abgelaufen. Gemäss den Statuten braucht der Vorstand aber mindestens sieben Mitglieder.

Dem Tierschutz drohen rechtliche Konsequenzen. Sektionen, aber auch das Handelsregisteramt könnten bei einem Gericht den Antrag stellen, dass ein Sachwalter eingesetzt wird, der die Stiftung vorübergehend führt.

Präsidentin Ruch stellt sich auf die Hinterbeine

Der STS unter Präsidentin Ruch wehrt sich derweil gegen jegliche Kritik. Sie liess am Donnerstagabend auf Blick-Anfrage über einen Sprecher mitteilen: «Martina Munz, Michel Roux und Lukas Berger haben den STS in den letzten Monaten mit ihrer negativen Stimmungsmache in den Medien geschädigt.» Der Zentralvorstand habe demgegenüber in den letzten Monaten grosse Schritte bezüglich Professionalität und Transparenz gemacht und die Geschäftsleitung neu organisiert. So soll ab 2024 eine «modernere und detailliertere Jahresrechnung» eingeführt werden, die den allgemeinen Standards für Nonprofit-Organisationen «noch besser» entspreche. Zudem werde die Bewirtschaftung des Immobilienportfolios des STS an ein neues Unternehmen ausgelagert, heisst es.

Ob die angekündigten Änderungen den Delegierten reichen? Dem Basler Tierschutz jedenfalls nicht.

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