Wegen Kampfjet-Kritik
Offiziersgesellschaft schiesst gegen Ex-Armeechef

Kurz vor dem Bundesrats-Entscheid mischt sich Ex-Armeechef André Blattmann in die Kampfjet-Beschaffung ein. Er stellt infrage, ob die Schweiz überhaupt neue Flieger braucht. Die Offiziersgesellschaft tobt.
Publiziert: 24.06.2021 um 09:20 Uhr
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Aktualisiert: 24.06.2021 um 09:30 Uhr
Daniel Ballmer

Stefan Holenstein (59) ist entsetzt. «Das ist schlicht unsäglich, absolut inakzeptabel und höchst illoyal», entfährt es dem Präsidenten der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG). Grund für den Ärger ist ein am Montag bekannt gewordenes Analysepapier von Ex-Armeechef André Blattmann (65).

Der ehemalige Korpskommandant übt darin grundsätzliche Kritik an der Kampfjet-Beschaffung – kurz bevor der Bundesrat um Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) entscheidet, welchen der vier zur Auswahl stehenden Kampfjet-Typen die Schweiz kauft. Das Verteidigungsdepartement VBS soll dabei den umstrittenen US-Tarnkappenjet F-35 favorisieren.

Das Papier ist brisant: Blattmann kommt zum Schluss, dass die Schweiz eigentlich gar keine neuen Jets braucht. Diese seien auf einen Gegner ausgerichtet, «den es auch in der Krise und im Konflikt in unserem Umfeld kaum mehr gibt».

Damals war das Verhältnis noch besser (Foto von 2015): Nun kritisiert die Offiziersgesellschaft die Blattmann-Aussagen zu Kampfjets.
Foto: Keystone
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Blattmann findet, dass ein breites Spektrum an bodengestützter Luftverteidigung (Bodluv), also an Boden-Luft-Raketen, zur Verteidigung reichen würde. Statt 30 bis 40 Jets reichten auch 20. Das aktuelle Sechs-Milliarden-Projekt könne wegen der Betriebskosten andere Armee-Investitionen für Jahre blockieren.

«Er untergräbt damit die Sicherheit der Schweiz»

Die Kritik ist Wasser auf die Mühlen der Kampfjet-Gegner, die bereits mit einer Initiative gegen einen US-Flieger drohen. Und sie lässt die Befürworter das Schlimmste befürchten. «Der Schaden, den Blattmann anrichtet, ist immens. Die Wiedereröffnung der Diskussion im allerdümmsten Moment untergräbt die Sicherheit der Schweiz», ärgert sich SOG-Präsident Holenstein.

Mit dem Papier desavouiere der Ex-Armeechef nicht nur Bundesrätin Amherd, sondern auch die Armeespitze, alle bürgerlichen Parteien und sämtliche Milizorganisationen, doppelt Holenstein nach. «In der Offiziersgesellschaft ist etwa von mangelndem Demokratieverständnis oder ‹unehrenhaftem Verhalten› die Rede – anderes erwähne ich besser nicht.»

Hier gehe es um einen fundamentalen Entscheid für die Schweizer Armee, der vom Ex-Armeechef torpediert werde. Dabei seien Blattmanns Analysen «erschreckend dünn und teilweise grundfalsch». Er setze sich damit über sämtliche Experten und einen langen, demokratischen Prozess hinweg, findet Holenstein. «Das ist unfassbar!»

Ex-Armeechef bedauert den verursachten Wirbel

Blattmann selber ist der ganze Wirbel schon lange unangenehm. «Es war nicht vorgesehen, dass das Papier öffentlich wird», hatte der Ex-Armeechef Blick schon am Montag versichert. Das Analysepapier sei nur für einen kleinen Kreis gedacht gewesen. Und: «Ich bin nämlich auch der Meinung, dass Ehemalige nicht mehr dreinreden sollten, und halte mich daran.»

Dass sein Papier nun gegen den Kampfjet-Kauf ausgelegt wird, bedauere er sehr. «Ich war immer komplett der Schweiz und ihrer Armee verpflichtet», betont er. An seinen Vorbehalten aber hält er fest: «Ich befürchte, dass andere Investitionen aufgrund der hohen Flugzeugkosten nicht so getätigt werden können, wie es nötig wäre.» Damit spreche er sich aber nicht grundsätzlich gegen neue Flieger aus.

«Es wirkt wie eine Retourkutsche»

«Zumindest war es naiv», findet der SOG-Präsident. Blattmann habe bewusst sein müssen, dass das Papier an die Öffentlichkeit gelangen könnte. «Und bis jetzt beharrt er weiter auf seinen Aussagen.»

Vielmehr glauben die Offiziere an persönliche Befindlichkeiten. «Es wirkt wie eine Retourkutsche an das VBS, weil unter Bundesrat Guy Parmelin Blattmanns eigenes Bodluv-Projekt sistiert worden ist», sagt Holenstein. Auch wäre Blattmann wohl gerne noch ein bis zwei Jahre länger im Amt geblieben.

Für Holenstein ist klar: «Blattmanns Reputation ist arg angeknackt.», sagt er. «Für viele ist er zur Persona non grata geworden.» Der ehemalige Armeechef habe sich, aus unerfindlichen Gründen, weit aus dem Fenster gelehnt, jetzt müsse er mit den Folgen leben.

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