Berset fliegt in militärische Sperrzone in Frankreich
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Er wollte Hobby geheim halten:Berset fliegt in militärische Sperrzone in Frankreich

Warum schweigt Berset?
«Da stimmt was nicht»

Alain Berset schweigt zum Flug-Zwischenfall in Frankreich. Für Experten für Krisenkommunikation ist das ein Fehler. Der Bundesrat hätte reinen Tisch machen sollen – und hätte dabei gewinnen können.
Publiziert: 14.07.2022 um 23:47 Uhr
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Aktualisiert: 15.07.2022 um 11:45 Uhr
Sermîn Faki

Alain Berset (50) fliegt – und schweigt. Seitdem bekannt wurde, dass er am vergangenen Dienstag von einem Rafale-Jet der französischen Luftwaffe vom Himmel geholt wurde, hüllt sich der SP-Innenminister in Schweigen. Abgesehen von einer dünnen Stellungnahme seines Departments gibt es keine Erklärungen, was zu der besonderen Situation im französischen Luftraum führte, ob Berset ungenügend vorbereitet war oder ob er technische Probleme hatte.

Ausgerechnet der «grosse Kommunikator», reagiert so. Der seine rhetorischen Fähigkeiten nicht zuletzt in der Corona-Krise unter Beweis gestellt hat. Der dauernd präsent war und dabei ebenso eindringlich warnen wie jovial entwarnen konnte und sogar, wenn auch reichlich spät, Fehler eingestand.

Experte rät zu «voller Transparenz»

Jetzt: anhaltende Stille aus den Büros des Innendepartements an der Berner Inselgasse. Ein Fehler, wie Stephan Oehen (54), Experte für Krisenkommunikation, sagt. «Das einzig Richtige wäre eine Vorwärtsstrategie gewesen: volle Transparenz.» Berset hätte nach Bekanntwerden des Zwischenfalls einfach hinstehen und sagen müssen, was passiert ist.

Während der Corona-Pandemie glänzte Bundesrat Alain Berset als Kommunikator.
Foto: Keystone
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So sieht das auch Markus Baumgartner, Präsident des Verbands für Krisenkommunikation. «Der Reflex ist immer, den Kopf in den Sand zu stecken und zu warten, bis der Sturm vorbei ist», sagt er. Doch das sei falsch: Die einzig richtige Kommunikation in einer Krise sei: hinstehen. «Sonst wird die Krise immer schlimmer.»

Es gibt noch offene Fragen

Den Vorfall zur Privatsache zu erklären, wie Berset das gemacht habe, gehe nicht, ergänzt Oehen. Auch wenn es verständlich sei, dass so exponierte Persönlichkeiten nicht ihr ganzes Leben im Scheinwerferlicht verbringen wollen: «Die Öffentlichkeit hat bei einem Bundesrat das Recht auf Information, wenn die Luftwaffe eines anderen Staats eingreifen muss.»

Dies, zumal es noch offene Fragen gebe, die im Interesse der Schweiz geklärt werden müssen, sekundiert Baumgartner. «Wäre ihm etwas zugestossen oder hätte er einen Schaden verursacht, wäre das Landesinteresse tangiert gewesen.»

Ist da noch mehr?

Doch warum macht der SP-Magistrat nicht reinen Tisch? Laut Oehen gibt es zwei mögliche Gründe. Entweder sei er falsch beraten worden. «Oder da ist noch mehr, das auffliegen könnte, wenn er redet», so der Fachmann.

Und Letzteres öffnet natürlich Spekulationen Tür und Tor. Spekulationen, die Berset nicht brauchen kann. War er lange noch der unumstrittene Kapitän, der das Land einigermassen souverän durch die Corona-Pandemie navigierte, erinnert man sich nun wieder an Schlagzeilen, die eine frühere Geschichte machte: Eine ehemalige Geliebte hatte Berset bestechen wollen.

Vor allem aber war der Bundesrat bis zu seinem Flug-Zwischenfall in den Schlagzeilen, weil sein Sprecher Peter Lauener Knall auf Fall seinen Job aufgab und die «Weltwoche» später publik machte, dass Lauener im Zusammenhang mit der Crypto-Affäre der Amtsgeheimnisverletzung verdächtigt werde. Und der SonntagsBlick enthüllte, dass der Ex-Sprecher in Untersuchungshaft gesessen habe.

«Da stimmt was nicht»

Und nun wird kritisiert, dass Berset jetzt in Frankreich wohl eine Sonderbehandlung erfahren habe. Oehen ist darum überzeugt, dass die einzige Möglichkeit, das Thema vor der Saure-Gurken-Zeit zu beerdigen, die Flucht nach vorn gewesen wäre. Doch nun sei es zu spät. «Der Eindruck, der bleibt, ist: Da stimmt etwas nicht.»

Für Baumgartner sind alle drei Affären Nebenschauplätze. «Aber das höchste Gut eines Bundesrats ist seine Glaubwürdigkeit. Und diese Nebenschauplätze kratzen daran.» Das sei fatal – etwa, wenn man bedenke, dass Berset im September zwei Abstimmungsvorlagen verantwortet.

Prominente müssen vorbildlich sein

Problematischer als der Zwischenfall selbst ist für ihn Bersets Verhalten. Erstens hatte dieser gesagt, dass er Ferien in der Schweiz mache. «Was hat er dann am Himmel über Frankreich zu suchen?», fragt er. «Und dann passt es natürlich überhaupt nicht, dass er fliegt. Seine Partei steht für den Kampf gegen den Klimawandel. Von einem SP-Aushängeschild erwarte ich, dass er mit dem ÖV in die Ferien geht.» Prominente müssten vorbildlicher sein als der Durchschnittsbürger: «Gerade als Bundesrat trägt man mehr Verantwortung – und die muss sich auch im Verhalten zeigen.»

Die Rücktrittsforderungen, die nun hier und da erhoben werden, finden beide Kommunikationsprofis anmassend und überzogen. Umso unverständlicher sei Bersets Schweigen: Denn er hätte aus der Klärung der Geschehnisse sogar Kapital schlagen können. «Ein Magistrat wie Berset, der so viel Goodwill geniesst, wirkt stark und sympathisch, wenn er gesagt: ‹Dumm gelaufen, das war ein Fehler, und ich ziehe daraus meine Lehre›», so Oehen. Und die Schweizer würden fast jeden Fehler verzeihen, wenn man diesen eingestehe.

Zwei, die es besser machten

Ein Fall, der das typisch zeigt, ist jener von Christophe Darbellay (51). 2016 wurde publik, dass der damalige Nationalrat eine Affäre hatte, aus der ein Kind entstand. Die Aufregung war besonders gross, da Darbellay Präsident der christlichen CVP war, die stets die eheliche Treue und den Wert der Familie betonte. Doch Darbellay stand zu diesem «schweren Fehler» – und ist heute Regierungsrat in seiner Heimat Wallis.

Und der CVP-Regierungsrat Beat Villiger (65) beendete 2018 gar am Wahltag die Diskussionen um eine frühere Affäre, die sein Auto fuhr, obwohl sie keinen Führerschein besass, indem er in einem SonntagsBlick-Interview einräumte, er habe mit dieser Frau eine uneheliche Tochter.

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