«Viele werden länger bleiben»
Bund erwartet bis im Herbst bis zu 120'000 Ukraine-Flüchtlinge

Der Bund erwartet etwas weniger Flüchtlinge aus der Ukraine als bisher. Gingen die Behörden bisher von bis zu 150'000 Geflüchteten aus, rechnen sie nun bis im Herbst mit 80'000 bis 120'000 Geflüchteten. Diese sollen fair auf die Kantone verteilt werden.
Publiziert: 12.05.2022 um 15:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.05.2022 um 15:29 Uhr

Die Zahl der neu aus der Ukraine in die Schweiz kommenden Flüchtlinge geht zurück. Mittlerweile werden pro Tag noch 300 bis 500 Ankünfte gezählt. Bis im Herbst könnten 80'000 bis 120'000 Geflüchtete aus der Ukraine in die Schweiz kommen.

Das berichtete David Keller, Leiter Krisenstab Asyl im Staatssekretariat für Migration (SEM), am Donnerstag vor den Medien in Bern. Gemäss Berichten befinde sich der Konflikt in der Ukraine in einer Phase des «gegenseitig Stellung halten». Es bewege sich nicht viel. Neue Offensiven könnten das Bild aber rasch ändern.

Das SEM schätzt laut Keller, dass bis in den Herbst hinein 10'000 bis 20'000 Menschen pro Monat in die Schweiz kommen. Etwa 51'000 seien bisher registriert worden; bis im Herbst könnten es 80'000 bis 120'000 werden.

Der Flüchtlingsstrom indie Schweiz nimmt ab.
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Rund 50'000 Personen sind den Kantonen zugeteilt und etwa 46'000 haben den S-Status erhalten. Dank des rückläufigen Zustroms sei es gelungen, die Zeiten für die Behandlung neuer Gesuche deutlich zu reduzieren, sagte Keller.

Inzwischen könne man sich von einem Tag auf den nächsten anmelden. Stark beansprucht würden die Zentren in Bern und Zürich. Von den 9000 Betten des Bundes sei seit zwei Wochen rund die Hälfte frei.

Faire Verteilung auf Kantone zum Ziel

Dank des Verteilmodus gemäss Einwohnerzahl auf die Kantone hätten die Differenzen unter den Kantonen weiter ausgeglichen werden können. «Wir kommen langsam in den Bereich der Proportionalität.» Keller empfahl den Ukrainerinnerinnen und Ukrainern, sich rasch für den Status S anzumelden, damit sie für sie gedachte Leistungen nutzen können.

Bei der Zuteilung der Geflüchteten auf die Kantone wird Rücksicht auf Härtefälle genommen. Etwa Personen, die sich bereits in einer stabilen Wohnsituation – etwa bei Verwandten – befinden würden. Oder etwa bei Kindern, die bereits eingeschult sind.

Allerdings besteht kein Anspruch. Bei den entsprechenden Einzelfallprüfungen braucht es immer auch die Zustimmung des betroffenen Kantons. Dann können Menschen auch einem Kanton zugewiesen werden, der schon überproportional viele Geflüchtete aufgenommen hat.

«Es ist eine Herkules-Aufgabe»

Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren, betonte, dass die Flüchtlingssituation die Kantone und Gemeinden weiterhin vor grosse Herausforderungen stelle. «Es ist eine Herkulesaufgabe», sagte sie. Diese könne man aber meistern, wenn alle Kantone solidarisch mithelfen würden. Deshalb sei auch der proportionale Verteilschlüssel weiterhin wichtig.

«Wir haben inzwischen auch gemerkt, dass wir eine gewisse Flexibilität brauchen», räumte sie aber ein. Deshalb wolle man Härtefälle vermeiden – immer unter der Voraussetzung, dass der betroffene Kanton zustimme. Den Geflüchteten empfiehlt sie, sich rasch nach Ankunft registrieren zu lassen. «Damit kann man auch Frustrationen vermeiden.»

Es gebe immer wieder Fälle, bei welchen nicht alles optimal ablaufe, ist sich die SODK-Generalsekretärin bewusst. Auch Blick berichtete über entsprechende Fälle. Kritik sei teils auch durchaus berechtig, so Szöllösy. «Insgesamt haben wir die Situation recht gut gemeistert.»

Hilfe auch für Gastfamilien

Ein weitere Fokus gilt den Gastfamilien. Immerhin sind bisher rund 25'000 Geflüchtete bei Privaten platziert. «Gastframilien müssen auch bereut werden und brauchen eine Anlaufstelle», so Szöllösy.

Dies auch deshalb, weil man sich darauf einstellen müsse, dass die geflüchteten «länger bleiben werden». Es brauche zeit für den Wiederaufbau in der Ukraine, bevor die geflüchteten zurückkehren könnten. (SDA/rus)

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