Untersuchung der Corona-Leaks
Keller-Sutter verärgert die GPK

Dass Finanzministerin Karin Keller-Sutter eigene Untersuchungen zu den Corona-Leaks in Auftrag gegeben hat, kommt bei den Geschäftsprüfungskommissionen nicht gut an. Man fürchtet, die Arbeit der eingesetzten Untersuchungsgruppe werde behindert.
Publiziert: 01.02.2023 um 19:37 Uhr
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Aktualisiert: 02.02.2023 um 08:42 Uhr

Die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) von National- und Ständerat wollen die Indiskretionen um die Bundesratsentscheide während der Corona-Pandemie untersuchen. Sie wollen wissen, ob und wie viel Bundespräsident Alain Berset (50) davon wusste, dass sein Ex-Sprecher Peter Lauener (52) vertrauliche Informationen an Marc Walder (57) weitergegeben hat – so lautet zumindest der Vorwurf. Walder ist Chef des Ringier-Konzerns, der auch den Blick herausgibt.

Arbeit werde behindert

Die GPK haben dazu eine sechsköpfige Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Neuenburger FDP-Ständerats Philippe Bauer (60) eingesetzt. Doch deren Arbeit werde jetzt behindert, fürchten einige Kommissionsmitglieder.

Und zwar von Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59). Denn diese hat eine Untersuchung angeordnet, um herauszufinden, warum ihr Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) alle Mails von Lauener an Sonderermittler Peter Marti (72) herausgegeben hatte. Denn Marti hatte nur die Mails von sechs Wochen verlangt.

Die Präsidenten der GPK, Ständerat Matthias Michel und Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo, informieren, dass eine Arbeitsgruppe die Corona-Leaks untersuchen soll.
Foto: keystone-sda.ch
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«Keine Untersuchung für die Galerie»

Dass Keller-Sutter da jetzt «reinpfuscht», kommt nicht überall gut an. Es sei zu befürchten, dass das BIT und andere Bundesstellen der Arbeitsgruppe jetzt weniger Informationen liefern würden. «Ein bisschen was sollte die Arbeitsgruppe schon herausbekommen – das ist ja keine Untersuchung für die Galerie», schimpft ein Parlamentarier.

So kam es zu den Corona-Leaks

Februar 2020: Es wird bekannt, dass die Zuger Crypto AG jahrzehntelang manipulierte Chiffriermaschinen produzierte. Der US-amerikanische und der deutsche Geheimdienst konnten damit die halbe Welt ausspionieren. Auch der Schweizer Nachrichtendienst konnte mithören. Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) startet eine Untersuchung.

Oktober 2020: Tage bevor die Ergebnisse der Untersuchung hätten publiziert werden sollen, berichten «NZZ» und «Tages-Anzeiger» über die geheime Untersuchung der GPDel. Diese erstattet wenig später Anzeige bei der Bundesanwaltschaft (BA) – wegen Amtsgeheimnisverletzung.

September 2021: Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) setzt zur Klärung des Falls den pensionierten Oberrichter und ehemaligen Zürcher SVP-Kantonsrat Peter Marti (72) als Sonderermittler ein. Während der Ermittlungen stösst Marti auf die E-Mail-Korrespondenz zwischen Bersets damaligem Kommunikationschef Peter Lauener (52) und Ringier-CEO Marc Walder (57). Er bittet die AB-BA um Erlaubnis, die Crypto-Untersuchung auszuweiten. Die AB-BA gibt grünes Licht.

Mai 2022: Sonderermittler Marti nimmt Lauener vier Tage in Haft und befragt ihn. Auch Bundesrat Alain Berset (50) und Walder werden als Auskunftspersonen befragt.

Juni 2022: Peter Lauener tritt unvermittelt von seinem Amt zurück.

Juli 2022: Es kommt aus, dass Peter Marti gegen Lauener ein Strafverfahren führt – ebenso wie gegen zwei Mitarbeiter von Bundesrat Ignazio Cassis: Generalsekretär Markus Seiler (54) und Medienchef Michael Steiner. Seiler leitete bis Ende November 2017 den Nachrichtendienst.

September 2022: Lauener zeigt Marti an, er wirft ihm unter anderem Amtsmissbrauch vor. Zudem beantragt Lauener die Siegelung seiner E-Mails. Grund: Marti habe seine Ermittlungen unrechtmässig ausgeweitet. Zur Aufhebung der Siegelung läuft beim Berner Zwangsmassnahmengericht derzeit ein Verfahren.

Dezember 2022: Sonderermittler Peter Marti bekommt es wegen der Anzeige selber mit einem Sonderanwalt zu tun. Stephan Zimmerli muss nachforschen, ob Marti in seinen Untersuchungen zu weit gegangen ist.

14. Januar 2023: Die Zeitung «Schweiz am Wochenende» macht die Einvernahmeprotokolle Martis publik. Der Vorwurf: Peter Lauener soll Ringier-CEO Marc Walder laufend mit Informationen zu Corona-Massnahmen versorgt haben.

16. Januar 2023: Die Bundesanwaltschaft stellt bei der AB-BA den Antrag, wegen des Lecks einen dritten Sonderermittler einzusetzen. Er soll herausfinden, wer die Einvernahmeprotokolle und E-Mails aus Martis Verfahren der «Schweiz am Wochenende» zugespielt hat.

24. Januar 2023: Die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments eröffnen eine Untersuchung. Eine Arbeitsgruppe soll den Indiskretionen auf den Grund gehen – nicht nur im Innen-, sondern in allen Departementen. Tobias Ochsenbein und Lea Hartmann

Februar 2020: Es wird bekannt, dass die Zuger Crypto AG jahrzehntelang manipulierte Chiffriermaschinen produzierte. Der US-amerikanische und der deutsche Geheimdienst konnten damit die halbe Welt ausspionieren. Auch der Schweizer Nachrichtendienst konnte mithören. Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) startet eine Untersuchung.

Oktober 2020: Tage bevor die Ergebnisse der Untersuchung hätten publiziert werden sollen, berichten «NZZ» und «Tages-Anzeiger» über die geheime Untersuchung der GPDel. Diese erstattet wenig später Anzeige bei der Bundesanwaltschaft (BA) – wegen Amtsgeheimnisverletzung.

September 2021: Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) setzt zur Klärung des Falls den pensionierten Oberrichter und ehemaligen Zürcher SVP-Kantonsrat Peter Marti (72) als Sonderermittler ein. Während der Ermittlungen stösst Marti auf die E-Mail-Korrespondenz zwischen Bersets damaligem Kommunikationschef Peter Lauener (52) und Ringier-CEO Marc Walder (57). Er bittet die AB-BA um Erlaubnis, die Crypto-Untersuchung auszuweiten. Die AB-BA gibt grünes Licht.

Mai 2022: Sonderermittler Marti nimmt Lauener vier Tage in Haft und befragt ihn. Auch Bundesrat Alain Berset (50) und Walder werden als Auskunftspersonen befragt.

Juni 2022: Peter Lauener tritt unvermittelt von seinem Amt zurück.

Juli 2022: Es kommt aus, dass Peter Marti gegen Lauener ein Strafverfahren führt – ebenso wie gegen zwei Mitarbeiter von Bundesrat Ignazio Cassis: Generalsekretär Markus Seiler (54) und Medienchef Michael Steiner. Seiler leitete bis Ende November 2017 den Nachrichtendienst.

September 2022: Lauener zeigt Marti an, er wirft ihm unter anderem Amtsmissbrauch vor. Zudem beantragt Lauener die Siegelung seiner E-Mails. Grund: Marti habe seine Ermittlungen unrechtmässig ausgeweitet. Zur Aufhebung der Siegelung läuft beim Berner Zwangsmassnahmengericht derzeit ein Verfahren.

Dezember 2022: Sonderermittler Peter Marti bekommt es wegen der Anzeige selber mit einem Sonderanwalt zu tun. Stephan Zimmerli muss nachforschen, ob Marti in seinen Untersuchungen zu weit gegangen ist.

14. Januar 2023: Die Zeitung «Schweiz am Wochenende» macht die Einvernahmeprotokolle Martis publik. Der Vorwurf: Peter Lauener soll Ringier-CEO Marc Walder laufend mit Informationen zu Corona-Massnahmen versorgt haben.

16. Januar 2023: Die Bundesanwaltschaft stellt bei der AB-BA den Antrag, wegen des Lecks einen dritten Sonderermittler einzusetzen. Er soll herausfinden, wer die Einvernahmeprotokolle und E-Mails aus Martis Verfahren der «Schweiz am Wochenende» zugespielt hat.

24. Januar 2023: Die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments eröffnen eine Untersuchung. Eine Arbeitsgruppe soll den Indiskretionen auf den Grund gehen – nicht nur im Innen-, sondern in allen Departementen. Tobias Ochsenbein und Lea Hartmann

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Getroffen hat sich die Arbeitsgruppe gemäss Blick-Informationen bisher nicht. Präsident Bauer will dazu nichts sagen. Was er sich entlocken lässt: Konzept und Fahrplan für die Untersuchung sollen so schnell wie möglich stehen. «Wann genau, kann ich nicht sagen.»

Wie tief wollen sie graben?

Die Arbeitsgruppe müsse sich aber «ernsthaft» fragen, wie weit sie mit der Untersuchung gehen wolle – mit anderen Worten: wie tief sie wirklich in das System Indiskretionen aus dem Bundesrat eintauchen und was sie dazu alles anfordern will. «Was wollen, was können wir innert nützlicher Frist tun?», so Bauer. «Wir könnten theoretisch Zehntausende Seiten Unterlagen anfordern.» Aber man müsse auch berücksichtigen, dass im Herbst Wahlen seien. Da wäre es schön, wenn die Ergebnisse früher vorlägen.

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